Vorzeigefirma Semikron steht mitten im Umbruch

23.2.2013, 07:00 Uhr
Blick auf einen Teil des riesigen Firmengeländes an der Sigmundstraße: Nach Ausbau der Chipfabrik und Neubau des Logistikzentrums ist nun Konsolidierung angesagt.

© Berny Meyer Blick auf einen Teil des riesigen Firmengeländes an der Sigmundstraße: Nach Ausbau der Chipfabrik und Neubau des Logistikzentrums ist nun Konsolidierung angesagt.

Ein Stück des Weges hat das Familienunternehmen schon zurückgelegt. Wie berichtet, wurden zwei Mitglieder neu in die Geschäftsführung berufen, ihre Ressorts klar abgegrenzt und ihre Verantwortlichkeiten für die gesamte Gruppe festgelegt. „Wir erleben eine Zäsur in der gut 60-jährigen Firmengeschichte“, erklärt Finanzchef Thomas Dippold.

Nicht mehr familiengeführt

„Erstmals hat Semikron mit uns ein komplettes Fremdmanagement.“ Seitdem Fritz Martin Semikron 1951 gegründet hatte, ist die Firma familiengeführt. Doch nach 25 Jahren ist zuletzt Dirk Heidenreich, angeheiratetes Familienmitglied, aus der Führung der Semikron International ausgeschieden und hat fortan beratende Funktion.

Nürnbergs Stadtspitze ebenso wie die Industrie- und Handelskammer schwärmten oft von der herausragenden Wettbewerbsfähigkeit des wichtigen Nürnberger Arbeitgebers — ein Paradebeispiel für den „Hidden Champion“, der im Stillen Beschäftigung schafft. Und auch die Gewerkschaft hatte ihre Angriffe gegen die Personalpolitik zurückgefahren, nachdem die zeitweise ausgiebige Leiharbeit bei Semikron per Betriebsvereinbarung nach oben gedeckelt wurde; ferner sichert die Firma an der Sigmundstraße den Leihkräften die gleiche Bezahlung wie dem Stammpersonal zu — und das, noch bevor dies für die Metallbranche Pflicht wurde, wie die Chefs betonen.

Fest steht: Die Zeiten der Expansion sind für das Nürnberger Vorzeige-Unternehmen erst einmal vorbei. Das zurückliegende Geschäftsjahr bescherte Semikron einen Umsatzeinbruch von 17 Prozent, die Erlöse sackten von 608 Mio. € auf 512 Mio. € ab. Dippold: „Das hat mächtig wehgetan.“ Einen schlimmeren Sturz hat Semikron in jüngerer Zeit nur 2009 erlebt. Doch die tiefe Delle des Krisenjahrs hatte der Boom vor allem bei den erneuerbaren Energien nach nur zwei Jahren viel mehr als wettgemacht.

Nun sind es Wind- und Solarmarkt, die umgekehrt zum Einbruch beigetragen haben. Die ganze Branche hat es erwischt, die Gründe sind bekannt: Stockende Energiewende, Überkapazitäten weltweit, ausbleibende Netzanbindung. Hinzu kommt die Euro-Schuldenkrise, erläutert Vertriebschef Peter Frey. Schlimm für einen Hersteller, der zu fast zwei Dritteln auf die Nachfrage aus Europa angewiesen ist.

Heute ist Konsolidierung angesagt: Einstellungsstopp bis auf den Ersatz unverzichtbarer Spezialisten. In Brasilien mussten mehr als 170 Mitarbeiter gehen, in Indien 30.

Auch den Mitarbeitern in Nürnberg ist bewusst, dass die Schlankheitskur namens „Semi 2015“ Einschnitte bringen wird. Unter ihnen wächst die Verunsicherung. Wäre es da nicht angebracht, dass das Management Klartext redet? „Die Unsicherheit können wir den Mitarbeitern nicht nehmen“, meint Finanzchef Dippold. „Erst wenn die Prüfungen abgeschlossen und alle Geschäftsfelder hinterfragt sind, wissen wir, wohin die Reise geht.“ Er hofft, im kommenden Sommer Antworten geben zu können.

Eine Angst jedoch könne er zerstreuen: Die internationale Unternehmensberatung Oliver Wyman habe keineswegs den Auftrag, die Kopfzahl der Belegschaften zu reduzieren. Das würde nicht zu dem kooperativen und kommunikativen Umgangsstil passen, den sich die neue Spitze auf die Fahnen geschrieben hat. Verbrieft sei zudem, das die Gesellschafter an der Unabhängigkeit festhalten. Semikron soll auch künftig zu 100 Prozent in Familienbesitz bleiben. Heuschrecken unerwünscht. Ebenso gewiss sei: Nürnberg bleibt Zentrale des Konzerns mit 2900 Beschäftigten.

Die Teile und Module, die Semikron herstellt, bleiben dem Verbraucher meist verborgen. Leistungselektronik steuert und regelt den Strom so, dass er immer mit der passenden Netzfrequenz und Qualität in das Netz eingespeist wird. Durch die Steuerung kann man die Energieeffizienz steigern bei allem, was elektrisch bewegt werden muss: Fahrstühle, Förderbänder, Pumpen, Windräder.

Apropos Fahrzeuge: Für die Tochter Vepoint hat Semikron einen potenten Käufer gefunden, wie beide Partner am gestrigen Freitag bekanntgaben. Siemens erwirbt die Firma, die Umrichter-Lösungen für Hybrid- und Elektroantriebe in Autos entwickelt und übernimmt die 30 Tüftler von Semikron. Siemens werde sich leichter tun als Direktlieferant für die Pkw-Industrie, sagt Vertriebschef Frey. Semikron bleibe jedoch weiter Produzent, nur nicht als Direktlieferant. Das Thema E-Mobility werde nicht aufgegeben.

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