Humanistische Grundschule Fürth fördert Individualität

2.8.2016, 19:36 Uhr
Humanistische Grundschule Fürth fördert Individualität

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Wenn die Schülerinnen und Schüler morgens um 8 Uhr scharenweise ins Schulhaus an der Waldstraße in Fürth strömen, fällt eines sofort auf: Keiner trägt einen Ranzen oder Rucksack. Das hat einen Grund: Alle Arbeitsmaterialien und Bücher befinden sich in der Schule und bleiben auch dort. Hausaufgaben gibt es nicht, gelernt wird in der Schule.

Und das ist nicht das Einzige, was hier anders läuft als an anderen Grundschulen in Bayern. Deshalb ist die Humanistische Grundschule, die vom Humanistischen Verband Deutschland getragen wird, auch nicht staatlich anerkannt, sondern lediglich staatlich genehmigt. Das hier gelebte pädagogische Konzept und das Verständnis von Lernen sprengt einfach den Rahmen dessen, was das bayerische Kultusministerium seinen Regelschulen vorgibt.

Dabei wird der bayerische Lehrplan für Grundschulen bei den Humanisten, wie die Schule häufig genannt wird, strikt eingehalten und auch die Übertrittsquote an Gymnasium und Realschulen spricht für sich, sie liegt bei fast hundert Prozent.

Zeit für soziale Interaktion

Humanistische Grundschule Fürth fördert Individualität

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Was ist das Erfolgsrezept von Schulleiterin Ulrike von Chossy? "Bei uns steht das Kind mit seinen augenblicklichen Bedürfnissen im Vordergrund", betont die Schulleiterin. Gegenseitiger Respekt und eine emotionale Balance seien Grundvoraussetzungen für die Lust am Lernen und für die Fähigkeit, mit anderen konstruktiv zusammenzuarbeiten, betont die 46-Jährige: "Deshalb geben wir den Kindern im gesamten Schulalltag Zeit und Gelegenheit für soziale Interaktion."

Persönliche Probleme der Kinder aus der Welt zu schaffen, sei wichtiger als Stoff zu pauken. Dafür sei nach der Konfliktbewältigung auch noch Zeit und die Kinder lernten en passant etwas Existenzielles fürs Leben. Selbsteinschätzung. „Wenn ich weiß, was ich persönlich brauche, um Schwierigkeiten zu bewältigen, dann macht mich das selbstständig“, betont die Sozialpädagogin.

Jeder in seinem Tempo

Apropos Zeit. Die spielt an der Humanistischen Grundschule, an der jahrgangsübergreifend unterrichtet wird, eine untergeordnete Rolle. Ob die Kinder nach drei oder fünf Jahren an eine weiterführende Schule wechseln, bleibt ihnen überlassen. Jeder arbeitet in seinem Tempo, die Schule passt sich den jeweiligen Bedürfnissen der Schüler an und ermutigt sie, offen zu experimentieren. Damit, wie und wo sie am besten lernen zum Beispiel.

Denn ganz nach reformpädagogischer Manier geht es der Schule darum, dass die Kinder sich selbst erkennen und einschätzen lernen. Davon ausgehend lernen sie zu akzeptieren, dass andere nicht nur anders sind, sondern auch andere Bedürfnisse haben, die es ebenso zu berücksichtigen gilt wie die eigenen.

Frontalunterricht gibt es an der Humanistischen Grundschule nicht. Stattdessen gibt es für neue Stoffeinheiten Unterrichtsgespräche in den Klassenräumen. Darüber hinaus wird alleine, in altersgemischten Gruppen oder paarweise gelernt. Grundlage ist ein Tages- oder Wochenplan, der für jedes Kind individuell gestaltet wird. "Wir coachen die Kinder dahingehend, dass sie leistungsfähig sind. Aber sie selbst bestimmen, was sie brauchen, um das gesetzte Ziel zu erreichen", erläutert die Schulleiterin. Den Unterricht begleiten jeweils ein Lehrer und ein Pädagoge gemeinsam. So können die Schüler individuell gefördert werden.

Wer in einem Test versagt, kann ihn wiederholen und Noten gibt es nicht, dafür aber Portefeuille-Gespräche. Hierbei hat das Kind zweimal im Jahr die Möglichkeit, sich selbst und seine erworbenen Kompetenzen zu bewerten und seinen Eltern vorzustellen. "Dabei geht es vor allem um eine positive Verstärkung", betont von Chossy. Die Kinder präsentierten die Dinge, auf die sie stolz seien.

Fest im Tagesablauf verankert ist das Philosophieren. Hierbei werden Probleme des Alltags der Kinder besprochen. Der Schulrat, ein demokratisch gewähltes Gremium, wird an allen Entscheidungen der Schule die Schüler betreffend einbezogen. So dürfen die Kinder zum Beispiel selbst entscheiden, wofür Spendengelder verwendet werden. Die letzte Summe wurde für mobile Fußballtore und einen Hochbeet-Garten mit Elterncafé verwendet.

Gleichheit und Offenheit

Bei der Humanistischen Grundschule Fürth handelt es sich um eine private offene Ganztagsschule. Das Schulgeld beträgt 200 Euro pro Monat, hinzu kommen 200 Euro pro Jahr als Lehrmittelgeld sowie Hortgebühren.

Die Hortgebühren reichen von 150 Euro pro Monat für zwei Stunden am Tag bis hin zu 240 Euro pro Monat für acht Stunden am Tag. Der Höchstbetrag für eine komplette Buchung inklusive Mittagessen für fünf Tage liegt bei rund 530 Euro. Sozial schwächer gestellte Familien können über das Jugendamt eine Befreiung der Hortgebühren beantragen und bekommen damit das Schulgeld erlassen. In der Regel kann die Schule pro Jahr aber nur eine bestimmte Anzahl an Freiplätzen vergeben.

Anstelle von Religionen setzt die Schule bei den Fragen des Lebens auf Erfahrung, Vernunft und Aufklärung. Das Verständnis von Kulturen und Religionen wird aber ebenso anerkannt wie die Menschenrechte.

Die Kinder erfahren Rechte als für sich und andere gleichermaßen geltend. Sie lernen, dass hinter diesen Rechten Werte stehen wie Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Die Schule bemüht sich eine Atmosphäre der Vielfalt und Offenheit zu schaffen, in der die Verschiedenheit der Menschen, ihre Lebenswelten und Lebensziele respektiert werden. Die Kinder werden gleichwertig behandelt.

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