Lernen mit jeder Menge Praxisbezug

27.7.2016, 19:12 Uhr
Lernen mit jeder Menge Praxisbezug

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Das neue Schulhaus der Grund- und Mittelschule Bechhofen ist zwar noch nicht fertig, aber bereits in aller Munde. Lehrer und Schüler warten sehnlichst darauf, einziehen zu können. Nach den großen Ferien im Oktober ist es soweit. Die Zeit in den 34 Containern, die derzeit das Schulhaus bilden, wird langsam lang. Vor allem im Sommer. Nur gut, dass ein Großteil des Unterrichts der Grund- und Mittelschule Bechhofen draußen stattfindet.

Exkursionen in die umliegende Natur, Arbeiten am selbstgebauten Tipi-Dorf oder die Pflege des schuleigenen Gartens, des Waldstücks oder des Biotops stehen derzeit auf dem Programm. Bis vor kurzem waren die Schüler noch mit dem Um- und Ausbau eines Bauwagens beschäftigt. Ein Projekt, das zusammen mit den 32 Flüchtlingskindern an der Schule umgesetzt wurde. Durch das gemeinsame Renovieren und Bemalen des Bauwagens kamen sich die Kinder und Jugendlichen näher und tauschten sich aus. Nun sind die Flüchtlingskinder voll in die Schulgemeinschaft integriert und der gelb-weiße Bauwagen dient als Wirtschaftsraum für das Tipi-Dorf.

Praxisbezug im Vordergrund

Bei allen Schulaktivitäten gilt: Hauptsache, es gibt einen Praxisbezug. Auf den legt Schulleiter Reinhold Meyer großen Wert: "Wir verstehen unsere Schule als Lebenswerkstatt, in der die Erfahrung im Mittelpunkt des Lernens steht." Das Leben und die Praxis müssen in die Schule geholt werden, denn das Praktische, das Reale komme wegen des "Theorieballasts" oft zu kurz, sagt der erfahrene Pädagoge, der zudem im Bayerischen Lehrinnen und Lehrerverband (BLLV) aktiv ist.

Doch wie setzt Meier das um, ohne vom Bayerischen Lehrplan, der für ihn, wie für alle anderen staatlichen oder staatlich anerkannten Grund- und Mittelschulen gilt, abzuweichen? Meier lächelt verschmitzt. Er weiß genau, dass er sich mit seinen Methoden und seiner Philosophie von Pädagogik vom Mainstream absetzt.

"Wenn man sich in Grauzonen bewegt, muss man peinlich darauf achten, dass die Ergebnisse stimmen", sagt er. Und verweist im Zuge dessen auf die guten Abschlusszeugnisse seiner Absolventen, die entweder auf weiterführende Schulen gehen oder sehr rasch einen Ausbildungsplatz finden.

"Es hat sich in den Betrieben im Landkreis offenbar herumgesprochen, dass wir unsere Schüler gut auf das Leben vorbereiten." Die Schule hegt aber auch jede Menge Kooperationen. Mit Handwerksbetrieben, Einrichtungen, Institutionen. So arbeitete die Schule beim Bau einer Windkraftanlage, die vor kurzem entstand, mit der benachbarten Fachhochschule Triesdorf zusammen.

An der Grund- und Mittelschule Bechhofen gibt es kaum noch Frontalunterricht. Wenn, dann nur beim Einführen neuer Themen und maximal 20 Prozent des kompletten Unterrichts. Stattdessen suchen sich die Schüler der ersten bis 10. Klasse praktische Projekte aus den vom Lehrplan vorgegebenen Inhalten heraus und setzen sie in den Lernwerkstätten um.

Das richtige Leben

So hat ein Schreiner zum Beispiel Lautsprecherboxen mit den Schülern gebaut. "Beim Vermessen haben die Kinder Mathematik gemacht, ohne es zu merken", erklärt Meier. Ebenso haben sie die Fächer Physik und Musik bearbeitet und schließlich in Deutsch einen Bericht über den Bau der Boxen geschrieben. "Auf diese Weise lassen wir das richtige Leben in den Schulalltag", sagt Meier voller Begeisterung. Denn bei dieser Art des Lernens finden immer soziale Verknüpfungen, soziale Begegnungen und daraus resultierende reale Probleme statt, die von den Lehrkräften bewusst zugelassen, ja gewollt werden. Denn immerhin bilden diese Probleme oder Fehler die Grundlage jeglichen Lernens.

Eine weitere Säule ist die Pädagogik. Die Lehrer der Schule verstehen sich als Coach, als Begleiter der Schüler. Der Umgang der Lehrer mit den Schülern und umgekehrt, sei von Wertschätzung geprägt. „Bindung ist einfach alles“, betont Meier. Nur dann seien Schüler wirklich motiviert, Leistung zu bringen. Im neuen „Lehrplan plus“ für die Grundschule und demnächst auch für die Mittelschule wird ein Unterricht gefordert, der auf Kompetenzorientierung basiert. Die Schule in Bechhofen setzt das bereits seit einiger Zeit erfolgreich in der Praxis um.

Ein Marktplatz in der Schule

Die Grund- und Mittelschule Bechhofen liegt im Landkreis Ansbach in der Nähe des Hesselbergs. Derzeit wird sie von rund 400 Schülern besucht, die wiederum von rund 40 Lehrern und Dozenten unterrichtet werden. Unter den Schülern sind auch rund 30 Kinder aus Flüchtlingsfamilien, die nach intensiver Unterrichtung der deutschen Sprache mittlerweile zum Großteil dem Regelunterricht folgen können. Die Schule lebt im Bezug auf die jungen Flüchtlinge eine echte Willkommenskultur. Die Hilfe der Lehrer und Mitschüler reicht über den Schulalltag hinaus. Die Flüchtlingskinder sind mittlerweile, zumindest in der Schule, voll integriert.

In den Methoden setzt die Grund- und Mittelschule auf Projektarbeit und freie Lernzeiten. Hausaufgaben gibt es in der Regel nur, wenn der Wochenplan, den jeder Schüler führt, nicht erledigt wurde. Die Klassenzimmer haben Werkstattcharakter. Sie haben bewegliches Mobiliar und kein vorne oder hinten.

Im neuen Schulhaus, das nach den Wünschen des Lehrerkollegiums gestaltet wurde, soll es in jedem Stockwerk eine Art Marktplatz geben, auf dem die Schüler Referate oder Präsentationen vortragen.

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