Beschäftigte in Erziehungsberufen werben für ihre Position

13.5.2015, 09:10 Uhr
Beschäftigte in Erziehungsberufen werben für ihre Position

© Foto: Gerner

Zum Beispiel Benjamin Wachtler. Als der Erzieher vor fünf Jahren seine Ausbildung beendet hatte, lag sein Einstiegsgehalt bei netto 1400 Euro. „Davon kannst du keine Familie ernähren“, sagt der junge Mann. Er habe das Glück, eine günstige Wohnung gefunden zu haben. Aber ein Auto? „Kann ich mir nicht leisten.“

Wachtler ist am Dienstagmittag wie viele seiner Kolleginnen (und ein weiterer Kollege) zum „Holy Monk“ in die Innenstadt gekommen. Das Bistro ist zwar nicht das offizielle Streiklokal der Erzieherinnen, Erzieher und Kinderpflegerinnen im Ausstand. Doch mit Ralf Zeisel von der komba, der Gewerkschaft für Beschäftigte der Kommunen, und Diakon Kurt Reinelt von der Katholischen Betriebsseelsorge sondiert man die Lage. Tags zuvor waren alle bei der Großkundgebung in Nürnberg, jetzt, an diesem sonnigen Dienstag, geht es etwas ruhiger zu.

Beschäftigte in Erziehungsberufen werben für ihre Position

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Um die 40 Erzieher(innen) und Kinderpflegerinnen gibt es in den vier städtischen Kindertagesstätten in der Stadt. Fast alle sind in den Ausstand getreten. Die Wut auf die Arbeitgeber ist groß. Kurt Reinelt spricht von „fehlender Wertschätzung“. Es werde ja nicht einmal miteinander gesprochen. „Was ist denn das für ein Verständnis von Kommunikation“, schimpft der Betriebsseelsorger.

Andere Besoldungsstufe

Viele Frauen nicken. Sie sind überzeugt, dass ihre Arbeit nicht angemessen honoriert wird. Sie wollen in eine höhere Besoldungsstufe eingruppiert werden. Fachleute haben ausgerechnet, dass das auf ein Gehaltsplus von etwa zehn Prozent hinauslaufen würde.

„Unbezahlbar“, sagen die (kommunalen) Arbeitgeber. Es sind allerdings die gleichen Arbeitgeber, die in Sonntagsreden immer davon reden, wie wichtig die frühkindliche Erziehung in den Krippen und Kindergärten ist.

Sie ist, wenn es ans Bezahlen geht, aber nicht so viel wert, als dass sich Yvonne Barfuß eine eigene Wohnung suchen könnte. Liebend gerne würde die 24-jährige Kinderpflegerin, die im Bergner-Kindergarten arbeitet, von zu Hause ausziehen. „Aber ich kann es mir schlicht nicht leisten.“

Während die Streikenden vor dem „Holy Monk“ diskutieren, sind der Altstadtkindergarten, der Waldemar-Bergner-Kindergarten und der Anne-Frank-Kindergarten geschlossen. Nur im Kindergarten Forsthof gibt es eine Notgruppe. Etwa 50 Kinder werden hier von einer kleinen Restmannschaft betreut. 50 von insgesamt 380 Kinder, die in den vier städtischen Tagesstätten angemeldet sind. Die Eltern der anderen 330 helfen sich anderweitig. Sie spannen Oma und Opa ein und nützen die Netze, die sie geknüpft haben. „Die meisten Eltern verstehen uns“, sagt eine erfahrene Erzieherin. „Aber es gibt auch welche, die sind mächtig sauer, weil sie schlicht keine andere Betreuungsmöglichkeit haben.“

In den Ausstand getreten sind derzeit ja nur die Erzieherinnen und Pflegerinnen der kommunalen Kindertagesstätten. Die Entwicklung wird jedoch auch in den anderen Krippen und Kindergärten genau verfolgt. „Wir sehen uns als Vorkämpferinnen für unseren ganzen Berufsstand“, sagt eine der Streikenden. Sollte es demnächst einen Tarifabschluss geben, würden den ja auch die kirchlichen Träger übernehmen. Und auch andere Träger wie die Arbeiterwohlfahrt könnten sich nicht abkoppeln.

Streik bei der Lebenshilfe

Szenenwechsel. Schwabach, Waikersreuther Straße. Was bislang in der Berichterstattung über die geschlossenen Kitas fast untergegangen ist: Auch andere Beschäftigte in den Sozial- und Erziehungsberufen haben die Arbeit niedergelegt. Bestreikt wird zum Beispiel die Schwabacher Lebenshilfe.

Der Ton zwischen Arbeitgeber (Lebenshilfe) auf der einen und Gewerkschaft und Arbeitnehmern auf der anderen Seite ist gereizt. Als Lebenshilfe-Geschäftsführer Martin Keller vor einigen Wochen beim ersten Warnstreik gleich mehrere Einrichtungen ganz geschlossen hat, sprach die Gewerkschaft von „Aussperrung“. Als jetzt zum unbefristeten Ausstand aufgerufen wurde, mussten die Streikenden ihr „Streikbüro“ kurzfristig auf die Waikersreuther Straße verlegen. In ein leerstehendes Haus der Lebenshilfe durften sie kurzfristig nicht hinein.

Also hat Schriftführerin Doris Wiedmann einen Klapptisch vor das Gartentürchen gestellt und registriert die Streikenden, die nach und nach eintrudeln. Streikführerin ist Sozialpädagogin Sabine Engberg-Hoppe. Immer wieder betont sie, dass sich der Arbeitskampf nicht gegen die Lebenshilfe und schon gar nicht gegen die von der Lebenshilfe betreuten Menschen mit Handicap richtet. „Wir gehen für unsere Rechte auf die Straße“, sagt sie.

Immerhin: Im Gegensatz zur Warnstreikphase ist nicht der komplette Betrieb lahmgelegt. In der Schule ist ein Notbetrieb eingerichtet, 20 Kinder und Jugendliche (von insgesamt 150) werden vom nicht gewerkschaftlich organisierten oder vom staatlichen Personal betreut. In der Werkstatt läuft der Betrieb sogar weitgehend normal, weil es hier nur wenige organisierte Arbeitnehmer gibt. Doch grundsätzlich sind die Einschränkungen gewollt. Bei einer Elternbeiratssitzung nächste Woche wollen Gewerkschaft und Arbeitnehmervertreter noch einmal für Verständnis werben. Und noch einmal deutlich machen: Im Vergleich zu Arbeitsplätzen bei Banken oder Industrie ist die Erziehungsarbeit erschreckend schlecht bezahlt.

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