Schwabach: „Berufsintegrationsjahr“ für junge Flüchtlinge

9.9.2015, 09:20 Uhr
Schwabach: „Berufsintegrationsjahr“ für junge Flüchtlinge

© Foto: Wilhelm

Auch an typisch deutsche Tugenden scheinen die drei sich schon gewöhnt zu haben. „Sie waren nicht nur pünktlich“, sagt Ulla Langer, von der Asylsozialarbeit der Diakonie, die die drei begleitet hat, „sie waren sogar überpünktlich.“

Eigentlich müsste der Begriff in der Mehrzahl stehen. Denn beim „Berufsintegrationsjahr“ handelt es sich um zwei Jahre. An der Berufsschule Roth gibt es das schon seit Jahren. Damals für Schulabgänger, die keine Lehrstelle bekommen hatten und sich zusätzlich qualifizieren konnten. Heute ist es zudem ein wichtiges Modell für die Integration junger Flüchtlinge.

Die Schwabacher Berufsschule hat eine erste solche Klasse im Frühjahr quasi aus dem Stegreif eingerichtet. Zielgruppe sind vor allem „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“, kurz „UMF“ genannt, die in Schwabach untergebracht sind. Die Rummelsberger Anstalten planen zudem in Großschwarzenlohe in der Hubertusstraße eine weitere Wohngruppe.

„Das Berufsintegrationsjahr ist notwendig und sinnvoll“, sagt Studiendirektor Peter Birle, der Leiter der Berufsschule. Mit dem neuen Schuljahr gibt es eine Reihe von Neuerungen.

Erstens beginnt erstmals ein Berufsintegrationsjahr im regulären, volljährigem Betrieb. Zweitens werden statt einer nun zwei Klassen mit jeweils 22 Flüchtlingen gebildet. „Angesichts der Entwicklung bin ich aber fast sicher, dass im Halbjahr eine dritte hinzukommt“, erklärt Anja Sohni, die stellvertretende Berufsschulleiterin.

Die dritte Neuerung ist eine Zusammenarbeit mit der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Wer dort „Soziale Arbeit“ studiert, kann an der Berufsschule eine Praxissemester leisten.

Bei der sozialpädagogischen Betreuung kooperiert die Berufsschule weiterhin mit der Familien- und Altenhilfe Schwabach.

Den Alltag kennenlernen

Auf dem Lehrplan steht im ersten Jahr vor allem ein Fach: „Deutsch, Deutsch und nochmal Deutsch“, sagt Peter Birle. Sprache ist bekanntlich der Schlüssel zur Integration. „Für viele Flüchtlinge aus dem Nahen Osten ist das ja deshalb sehr schwierig, weil sie eine andere Schrift lernen müssen“, erklärt Birle.

In neuen Schuljahr wird der Stundenplan aber erweitert: Zum einen um Mathematik, zum anderen um „Alltagssituationen“. Dabei geht es um scheinbar einfache Dinge wie Einkaufen am Marktplatz oder das Verhalten und Bezahlen in einem Geschäft: Einübung in fremde Gewohnheiten.

Suche nach Praktikumsplätzen

Im zweiten Schuljahr 2016/17 kommt die Berufspraxis hinzu. „Dann sind die Schüler zweieinhalb Tage bei uns und zweieinhalb Tage in einem Betrieb“, erläutert Anja Sohni. Die Firma Bergner ist bereits mit gutem Beispiel vorangegangen und hat im Frühjahr einem Flüchtling aus dem Kongo ein Schnupperpraktikum geboten. Die Berufsschule hofft, das dieses Beispiel im wahrsten Sinne Schule macht und appelliert an die Wirtschaft, Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen.

Für Einzelheiten steht Peter Birle gerne zur Verfügung: Telefon (0 91 22) 8 34 90 oder mobil (01 70) 2 06 22 30.

Die erste Erfahrung mit dem Flüchtling aus dem Kongo ist ausgesprochen positiv. „Er wechselt jetzt sogar ans Martin-Behaim-Gymnasium Nürnberg und will später ans Adam-Kraft-Gymnasium in Schwabach“, berichtet Birle.

Doch unrealistische Erwartungen will die Berufsschule nicht befördern: „Die jungen Flüchtlinge haben ganz unterschiedliche Voraussetzungen: Manche standen zuhause kurz vor dem Abitur, es sind aber auch Analphabeten darunter.“

Doch jeder verdiene eine faire Chance. Und fast alle wollen sie nutzen. „Vor allem Flüchtlinge aus dem Nahen Osten sind hochmotiviert und dankbar, dass sie zur Schule gehen dürfen“, hat Anja Sohni festgestellt.

In drei Fällen aber habe es chronische Konflikte wegen des unterschiedlichen Rollenverständnisses von Mann und Frau gegeben. „Diese drei jungen Männer mussten wir vom Unterricht ausschließen. Wir haben klare Regeln“, so Peter Birle. „Insgesamt aber gibt es keine atmosphärischen Probleme mit den anderen Berufsschülern. Die jungen Leute kommen erstaunlich schnell und unkompliziert zusammen.“

Keine Kommentare