"Dogs of Berlin" bei Netflix: Von Clans und korrupten Cops

6.12.2018, 21:00 Uhr
Erol Birkan (Fahri Yardim) und Kurt Grimmer (Felix Kramer) müssen den Fall um einen ermordeten Fußball-Star in Berlin lösen. Doch die Kommissare könnten verschiedener kaum sein und verbergen ihre ganz eigenen Geheimnisse...

© 2018 Stefan Erhard Erol Birkan (Fahri Yardim) und Kurt Grimmer (Felix Kramer) müssen den Fall um einen ermordeten Fußball-Star in Berlin lösen. Doch die Kommissare könnten verschiedener kaum sein und verbergen ihre ganz eigenen Geheimnisse...

Deutschland ist endlich wer in der Serienwelt. Immer öfter spricht auch das Ausland über deutsche Produktionen, die sich zuletzt in alle Welt verkauften. Von den Sky-Serien "Babylon Berlin" und "Das Boot" oder im Streaming-Bereich von den bei Amazon erschienenen "Deutschland 83" und "Beat". Im vergangenen Jahr heimste selbst Video-on-Demand-Platzhirsch Netflix mit seiner ersten deutschen Eigenproduktion "Dark" viel Aufmerksamkeit und auch Lob ein. Das gleiche erhofft sich der US-Konzern von der am Freitag startenden Serie Thriller-Serie "Dogs of Berlin".

"Dogs of Berlin" nimmt eine Schlüsselrolle für Netflix ein

Sie kennzeichnet die zweite deutsche Serie des Streaming-Dienstes, die den Auftakt einer Deutschland-Offensive markiert. Nach "Dogs of Berlin" steht bei Netflix bereits eine Serien-Adaption des Romans "Die Welle" für 2019 in den Startlöchern und erst im Herbst gab das Unternehmen darüber hinaus bekannt, fünf weitere deutsche Formate bestellt zu haben. Der Grund, warum es Netflix plötzlich so eilig hat, in Serienware ‚made in Germany‘ zu produzieren, liegt in einem sich zusammenbrauenden Streaming-Krieg. Ende kommenden Jahres starten Disney und Warner ihrerseits eigene On-Demand-Angebote. Produktionen aus deren Haus, darunter alle "Star Wars"-, "Harry Potter"- oder Superheldenfilme der Marke Marvel werden die großen Studios dann von Netflix abziehen. Deshalb muss das Unternehmen jetzt dafür sorgen, in seinen unterschiedlichen Märkten durch eigene Produktionen Verkaufsargumente zu schaffen.

"Dogs of Berlin" kommt nun eine Schlüsselrolle für Netflix zu, denn abgesehen von "Die Welle" wird es der Streaming-Dienst nicht schaffen, die angekündigten Serien bis zum Launch der neuen Konkurrenz-Plattformen auf die Bildschirme zu bringen. Einen Startvorteil hat "Dogs of Berlin" gegenüber "Dark" schon einmal, denn die Serie wartet mit wesentlich namhafteren Personalien auf. Während der in Erlangen aufgewachsene Baran bo Odar erst kurz vor seiner Serie "Dark" den Durchbruch mit seinem Kino-Thriller "Who am I" schaffte, zählt Christian Alvart, der für die Idee, die Regie und das Drehbuch von "Dogs of Berlin" verantwortlich zeichnete, zu den größten Schwergewichten der deutschen Unterhaltung. Alvarts Filmografie besteht mittlerweile aus 17 Filmen, darunter sowohl internationale Genre-Produktionen wie den Horror-Thriller "Fall 39" und den Science-Fiction-Streifen "Pandorum" als auch Hau-drauf-Action wie die Til-Schweiger-Tatorte. Eine Serie fehlt Alvart allerdings noch in seiner Vita.

Kommissare zwischen Recht und Unterwelt

Eines haben Baran bo Odar und Christian Alvart gemeinsam: sie schwärmen von der Zusammenarbeit mit Netflix – oder besser: von der fehlenden Zusammenarbeit. Der Streaming-Dienst hat sich den Ruf erarbeitet, seinen beauftragten Kreativen möglichst freie Hand zu lassen. Alvarts Fokus in "Dogs of Berlin" fiel auf einen Mikrokosmos der Berliner Unterwelt. Diese Wahl liegt voll im Trend, nicht nur weil gerade Berichterstattungen über arabische Familienclans in der Hauptstadt immer wieder Nachrichten und Reportagen füllen, sondern weil gerade die deutsche Unterhaltung mit der TNT-Serie "4 Blocks" oder dem Kinofilm "Asphaltgorillas" diese Welt immer mehr für sich entdeckt.

Im Mittelpunkt von "Dogs of Berlin" stehen die Kommissare Kurt Grimmer und Erol Birkan. Wie so oft, gerade in Krimis, könnte das Duo gegensätzlicher kaum sein. Die von Felix Kramer und Alvart-Weggefährte Fahri Yardim gespielten Figuren müssen sich jedoch zusammenraufen, als die Leiche eines weltberühmten Fußballprofis nachts in Marzahn aufgefunden wird. Stecken Neonazis, der türkische Familienclan des Fußballers oder sogar die Berliner Mafia dahinter? Fest steht: die Kommissare müssen eintauchen in die Berliner Unterwelt und werden dabei auch von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt. Letztlich müssen sie sich entscheiden, auf welcher Seite sie überhaupt stehen und was sie das kostet. Denn auch die Ermittler haben Geheimnisse…

Die neueste deutsche Netflix-Serie stellt sich schnell als Gut-gegen-Böse-Erzählung heraus, die keine Helden kennt, sich aber gerade zu Beginn in Klischees verheddert. Denn die Clan-Geschichten führen zwar seit Kurzem boomende Motive in der Unterhaltung fort, verpassen es aber gerade zu Beginn der Serie, das Milieu wirklich authentisch abzubilden. Mit Drogengeschäften, Glücksspiel und Gewalt wird undifferenziert um sich geschmissen, weil es nun einmal die Themen sind, die der Durchschnittsbürger mit dem abgebildeten Klientel assoziiert. Arabischstämmige Berliner sind Verbrecher, Deutsche sind Neonazis und Osteuropäer eiskalte Mafiosi. Wenn dann noch anfangs zuweilen gruselig gestelzte Dialoge dargeboten werden, müssen Serienfans, die sich auf die Produktion eigentlich gefreut haben, noch weghören. Trotz der vielen aktuellen gesellschaftspolitischen Themen wird "Dogs of Berlin" daher zunächst nie wirklich relevant.

Dem linearen Fernsehen weit voraus

Doch es lohnt sich dranzubleiben, denn "Dogs of Berlin" gelingt mit der Zeit die inhaltliche Wende zum Thriller mit Tiefgang, der die bedienten Klischees später endlich durchbricht. Überraschend aktuell wirkt die Geschichte um den verstorbenen Sportprofi, der zwar wie ein Cristiano Ronaldo innerhalb der deutschen Nationalelf angelegt ist, aber aufgrund seiner türkischen Wurzeln und der Anfeindungen, die ihm entgegenschlugen, eher an die jüngsten Debatten um Mesüt Özil erinnert. Deutschtürke ist auch Kommissar Birkan, die wohl interessanteste Figur der Serie, weil sie allen stereotypen Erwartungen widerstrebt.

Selbst die Polizei hängt in den finsteren Geschäften der noch finstereren Gestalten Berlins mit drin. Entgegen der moralischen Grautöne, die alle Charaktere im Format aufweisen, entfaltet sich in "Dogs of Berlin" aber ein Serien-Hochglanz in Kino-Optik – und das obwohl Berliner Plattenbauten eine Hauptrolle spielen. Selbst in seinen schwächeren Momenten bleibt "Dogs of Berlin" eine Serie, die zwei Ligen über der Krimi-Massenware von ARD und ZDF spielt. Man sieht der Serie nicht nur ihr Budget an, sondern auch das Herzblut ihrer Macher. Das geht nur aufgrund der langen Leine, die Netflix seinen "Dogs of Berlin" lässt.

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