Bamf-Affäre: Cordt ist nicht die einzige Verantwortliche

16.6.2018, 17:45 Uhr
Mit der Entlassung von Jutta Cordt zieht Innenminister Seehofer eine Brandmauer zwischen Bamf-Leitung und sich.

© Wolfgang Kumm Mit der Entlassung von Jutta Cordt zieht Innenminister Seehofer eine Brandmauer zwischen Bamf-Leitung und sich.

Dass Bamf-Chefin Jutta Cordt die Debatte um die Affäre um die Zustände in ihrer Migrationsbehörde politisch nicht überstehen würde, war schon länger absehbar. Nur der Zeitpunkt war unklar. Zu lange hatte sie versucht, die Vorgänge in der Bremer Außenstelle zu vertuschen, wo viele Asylentscheidungen ohne nähere Prüfung einfach durchgewunken wurden. Ob sich das am Ende als Skandal erweisen wird, ist übrigens noch gar nicht ausgemacht, denn es handelt sich fast durchweg um Fälle jesidischer Flüchtlinge, die sowieso einen Aufenthaltsstatus erhalten hätten. Doch in jedem Fall hat Cordt ein katastrophales Krisenmanagement gezeigt, das nur schiefgehen konnte.

Die Bremer Vorgänge lagen zwar vor ihrer Amtszeit. Doch sie tat nichts, um die Dinge aufzuklären. Die Frage dabei ist freilich, ob das alleine ihr Versagen war – oder ob sie damit nicht vielleicht auch diejenigen schützen wollte (oder sollte), die eine oder zwei Etagen über ihr agieren: nämlich die politisch Verantwortlichen. Angefangen bei Innenminister Seehofer (und seinen beiden Vorgängern), letztlich könnte dies aber bis zur Kanzlerin hochreichen. Diese Fragen werden nach der Entlassung Cordts eher noch spannender als zuvor.

Viele Mitarbeiter des Bamf jedenfalls werden abends, als sich die Nachricht von Cordts Entlassung verbreitete, die Sektkorken haben knallen lassen. Die Bamf-Chefin war intern für ihre überaus ruppige Art von Anfang an nicht geliebt, um es ganz vorsichtig auszudrücken.

Bremen war Vorbild

Die Behörde, mit abertausenden Altfällen belastet, war unter Cordts Vorgänger, dem früheren Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, gnadenlos auf Schnelligkeit getrimmt worden. Natürlich ging das zu Lasten der Qualität, auch wenn das immer wieder bestritten wurde.

Die Bremer Außenstelle wurde intern sogar als vorbildlich gepriesen, weil dort so enorm viele Fälle in kurzer Zeit erledigt wurden. Mitarbeiter, die sich mehr Zeit nahmen und die Fälle ihrer Flüchtlinge genauer ansahen, wurden massiv unter Druck gesetzt, wie unzählige Mails inzwischen belegen.


Bamf: Protokoll einer beschleunigten Behörde


Mit der Entlassung zieht Innenminister Seehofer nun eine Brandmauer zwischen Bamf-Leitung und sich. Ob die standhält, wird sich zeigen. Unglücklicherweise muss auch der CSU-Mann sich vorhalten lassen, Hinweise auf die Bremer Probleme lange und geradezu hartnäckig ignoriert zu haben. Das wird jetzt intensiv aufzuarbeiten sein.

Dabei wird auch zu untersuchen sein, ob und wie viel Druck Kanzlerin Merkel auf die Behörde ausgeübt hat, die vielen Altfälle möglichst rasch vom Tisch kriegen, egal unter welchen Umständen. Recherchen der Nürnberger Nachrichten und der Welt legen den Schluss nahe, dass hier die eigentliche Ursache für den Bamf-Skandal liegen könnte.

Cordts Vorgänger Weise selbst hat seinen Arbeitsauftrag als Notruf der Bundesregierung bezeichnet. "Weise, stellen Sie das ab, die unendlichen Wartezeiten und die schlimmen Bilder", sei die Erwartung gewesen, als er im September 2015 die Leitung des Bamfs mitübernahm. Merkel sich damals in einer dramatischen Situation in einer humanitären Geste für eine Politik der offenen Grenzen entschieden. Allein in Passau kamen damals täglich bis zu zwanzig Busse mit Flüchtlingen von Ungarn über Österreich an. Der politische Druck, das in Griff zu kriegen, war immens.

Mehr Wertschätzung für die Mitarbeiter

Natürlich war das Bamf damit, trotz der massiven Personalaufstockung, heillos überfordert. Die Verantwortung dafür auf eine Behördenleiterin abzuladen, wird nicht ausreichen, so sehr sie intern schlimme Fehler gemacht hat. Dem Bamf ist nun aber zu wünschen, dass die neue Leitung es schafft, den völlig gestressten und verunsicherten Mitarbeitern mehr Wertschätzung entgegenzubringen, als Cordt (und zuvor Weise) dies getan hatten. Dass aus der Behörde so viele Leaks durchgestochen wurden, zeigt überdeutlich, wie viel Zorn sich dort angestaut hatte. Das muss aufhören.

 

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