CSU verstörte mit Angst-Wahlkampf viele Anhänger

15.9.2018, 10:24 Uhr
"Dieser Wahlkampf der Angst hat viele abgeschreckt und der CSU entfremdet", findet NN-Chefredakteur Alexander Jungkunz.

© Peter Kneffel/dpa "Dieser Wahlkampf der Angst hat viele abgeschreckt und der CSU entfremdet", findet NN-Chefredakteur Alexander Jungkunz.

Das dürfte Utopie bleiben: All diese höchst unterschiedlichen Parteien unter einen Hut zu bringen - das ist eine Aufgabe, gegen die jene Suche nach Koalitionspartner(n) noch leicht ist, vor der die CSU wohl steht. Ein Anti-CSU-Pakt wäre zudem fragwürdig, weil die trotz absehbarer Verluste mit Abstand stärkste Partei genau die Chance zum Regieren nicht bekäme, die ihr momentan ein gutes Drittel der Wähler wünscht.

Doch dass solche Spekulationen überhaupt angestellt werden, zeigt, wie dramatisch sich die Gewichte verschoben haben im Freistaat: Jenes neue, kräftig durchgeschüttelte Parteiensystem, das weite Teile der Republik längst erleben - es hat Bayern bisher deshalb noch nicht erreicht, weil die letzte Landtagswahl 2013 stattfand, in jenen stabileren Zeiten vor der Zäsur der deutschen wie europäischen Politik.

Die Zäsur von 2015

Diese Zäsur war, das zeigt sich immer stärker, ohne Zweifel die Flüchtlingswelle des Spätsommers 2015. Die Migrationsfrage ist zwar, im Gegensatz zur Behauptung von Horst Seehofer, nicht "die Mutter aller Probleme". Sehr wohl aber der politische Umgang mit ihr: Die AfD wächst und gedeiht seitdem als Ein-Themen-Partei, als Partei, die Ängste schürt und mit Stimmungsmache Stimmen sammelt. Andere, brennendere Themen? Fehlanzeige, wie Parteichef Alexander Gauland oft selbst ungeniert zugibt.

Bröckelt da etwas? In neueren Umfragen verzeichnet die AfD Einbußen, in Bayern und im Bund. Möglich, dass reiner Protest mit neuerdings systemstürzenden, radikalen Tönen doch nur einem sehr harten Kern reicht und gefällt. Vom Umfrage-Abstieg der AfD profitiert die Union bislang aber nicht.

Erst Spalter, nun Versöhner

Auch nicht die CSU, die eine Achterbahnfahrt beim Umgang mit dieser Partei durchmacht: Erst der Versuch, sie durch harte Sprüche rechts zu überholen, verbunden mit der veritablen Regierungskrise im Frühsommer. Als dieser Rechtskurs partout nicht fruchtete, kam der Schwenk: Seit kurzem gibt Söder wieder den Versöhner statt den Spalter, vermeidet das Thema Migration und setzt auf "Bayern first". Anders sind seine Tiraden gegen Berlin (wo allerdings auch ein gewisser Horst Seehofer residiert) kaum einzuordnen. Bei der längst laufenden Suche nach Schuldigen fürs sich abzeichnende Debakel der CSU hat Söder ebenfalls Berlin ausgemacht, also die Bundespolitik.

Wenn er sich da mal nicht täuscht: Gerade seine Partei beging den Fehler, phasenweise nur aufs Thema Flüchtlinge zu setzen und es zündelnd-polemisch zuzuspitzen. Dieser Wahlkampf der Angst hat viele abgeschreckt und der CSU entfremdet. Da machte ausgerechnet der Politprofi Söder überraschende, gravierende Fehler.

Eine besonnene Politik, zu der er nun zurückzukehren scheint, leugnet Probleme nicht, nennt aber auch radikal veränderte Fakten: die stark sinkenden Zuwanderungszahlen etwa oder die teils gelingende Integration. Und sie kümmert sich um mindestens ebenso brisante Themen, die wegen des Starrens auf die Migration brachlagen: Wohnungsbau, Infrastruktur und Klimaschutz etwa. Da hat die CSU viel verspielt, nicht nur Zeit, auch Vertrauen.

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