Familiennachzug: Ein Mini-Schrittchen in Richtung GroKo

30.1.2018, 16:10 Uhr
Seit 2016 können Flüchtlinge ihre Familien nicht mehr zu sich holen, wenn sie nur "subsidiären" Schutz bekommen, also nur auf Zeit in Deutschland bleiben dürfen. Diese Regelung bleibt vorerst bestehen.

© Swen Pförtner/dpa Seit 2016 können Flüchtlinge ihre Familien nicht mehr zu sich holen, wenn sie nur "subsidiären" Schutz bekommen, also nur auf Zeit in Deutschland bleiben dürfen. Diese Regelung bleibt vorerst bestehen.

Soweit sind wir also schon gekommen: Wir freuen und über den Kompromiss bei einer Übergangslösung. 127 Tage nach der Bundestagswahl hat Deutschland weiterhin lediglich eine "geschäftsführende Regierung", weil sich Union und SPD nach reichlich Vorgeplänkel und nunmehr endlich Koalitionsverhandlungen auf einen Modus beim Familiennachzug von Flüchtlingen geeinigt haben, der eine Härtefallregelung beinhaltet.

Das ist aber doch kaum mehr als ein Mini-Schrittchen in Richtung dessen, was das Land endlich braucht: eine handlungsfähige Regierung. Und ein Ende des sehr fragwürdigen Aussetzens des Familiennachzugs.

Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen halten die bisherige Regelung für sehr problematisch - weil es zahlreiche Restfamilien, darunter viele Kinder, zur eigenen Flucht auf tödliche Wege zwingt. Was ist überdies mit dem besonderen Schutz von Ehe und Familie, den nicht nur das Grundgesetz gebietet, sondern der eigentlich auch ein Grundpfeiler des Selbstverständnisses der Union ist?

Es gibt aber nicht nur moralische Gründe, den Familiennachzug komplett neu zu regeln. Der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung und frühere Chef des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, hat sehr richtig festgestellt, dass Menschen, die von ihren Liebsten getrennt sind oder sie sogar in Lebensgefahr wissen, sich kaum integrieren können. Anders formuliert: Wer eine sichere Bleibeperspektive hat, am besten mit Kernfamilie an seiner Seite, verhält sich angepasster und friedlicher. Ist das jetzt bloß wieder Gutmenschentum? Beileibe nicht, es gibt Untersuchungen, welche dies belegen.

Es braucht glasklare Regeln

Ein Abändern der bisherigen Praxis bedeutet ja nicht, dass man Willkür herrschen lässt, für den Nachzug von Familienangehörigen muss es glasklare Regeln geben. Aber dass die aktuelle Linie menschenrechtlich problematisch ist, kann man nachvollziehen. Und noch etwas: Dass weniger Flüchtlinge auch weniger Kosten bedeuten, ist längst als Milchmädchenrechnung entlarvt. Die Verwaltungsgerichte zahlen bereits die Zeche: Immer mehr Geflüchtete wehren sich mit Klagen gegen ihren eingeschränkten Schutzstatus, weil dieser sie auf Dauer von ihren Familien trennt.

Der Jubel über ein Fortschrittchen in Richtung Regierungsbeteiligung sei den Genossen gegönnt. Wenn die SPD sich (wie einst in grauer Vorzeit) aber wieder zum Anwalt der Schwachen, Verfolgten, Abgehängten und Ausgeschlossenen machen will, dann muss sie nach einem Zustandekommen der GroKo schleunigst darauf hinwirken, dass der Familiennachzug von Flüchtlingen neu geregelt wird. Auch so kann man Profil zeigen. Vielleicht sogar verloren gegangene Wähler wieder zurückholen.

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