Kommentar: Kauders Abwahl ist ein Aufstand gegen Merkel

25.9.2018, 21:10 Uhr
Ralph Brinkhaus löst Volker Kauder als CDU-Fraktionschef ab - das dürfte auch ein Denkzettel für Kanzlerin Angela Merkel sein.

© Soeren Stache (dpa) Ralph Brinkhaus löst Volker Kauder als CDU-Fraktionschef ab - das dürfte auch ein Denkzettel für Kanzlerin Angela Merkel sein.

Es wird eng. Sehr eng für Angela Merkel. Und einsam um die Kanzlerin. Die Einschläge häufen sich derart, dass sie zur Lawine werden können. Volker Kauder war einer ihrer engsten Vertrauten. Seine Abwahl als Fraktionschef, dazu der Überraschungssieg von Ralph Brinkhaus — das bedeutet zuallererst einen veritablen Aufstand gegen Merkel: Eine Mehrheit in der CDU (von der CSU ganz zu schweigen) ist massiv unzufrieden mit der Parteichefin und dem, was sie als Kanzlerin tut.

Oder eher lässt: Die Agonie, in die das Nicht-Regierungsbündnis verfallen ist, empört nicht nur viele Wähler. Auch unter den Abgeordneten haben sich nun lange aufgestaute Wut und natürlich auch Angst Luft gemacht — begründete Angst davor, das Mandat zu verlieren. Und Ärger darüber, dass diese Koalition vor lauter selbst gemachten Krisen nicht zur Ruhe, zur Arbeit, zur Routine kommt.

Ein "System" muss es geben

Volker Kauder war elementarer Bestandteil dessen, was jene Merkel-Gegner bis Merkel-Hasser vor allem aufseiten der AfD das "System" Merkel nennen: Seit 13 Jahren, seitdem die CDU-Chefin im Kanzleramt sitzt, war Kauder eine Stütze dieses "Systems". Wobei es so ein "System" in jeder demokratischen Regierung gibt, ja geben muss: einen Apparat, der für möglichst reibungslose Arbeit sorgt. Dieses "System" funktioniert momentan leidlich schlecht.

Der Begriff "System", wie ihn die "Merkel-muss-weg"-Rufer verweden, soll dagegen die ganze Republik diffamieren. Teile der AfD sagen diesem "System" inzwischen offen den Kampf an: eine Attacke auf unsere parlamentarische Grundordnung, die zeigt, in welche Richtung die AfD driftet.

Richtig aber ist: Kauder hat dafür gesorgt, dass aus der Unionsfraktion ein Kanzlerinnen-Unterstützungs-Verein wird. Debattenkultur? Streit um Positionen? Gab es kaum. Nun führt also der bisher weitgehend unbekannte Ralph Brinkhaus die Fraktion. Das könnte ihr neuen Schwung verschaffen, den ja die gesamte Koalition so dringend bräuchte. Das ist, aus Unions- und aus SPD-Sicht, die optimistische Variante des Paukenschlags, der die Abwahl Kauders ist.


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So paradox es klingt: Momentan ist es Angela Merkel, die diese Koalition zusammenhält wie auseinandertreibt. Andrea Nahles und die Kanzlerin wollen ihre Macht (und ja, auch die Verantwortung des Regierens in schwierigen Zeiten) bewahren und daher das Bündnis retten.

Andere in der CDU — nur so kann der Putsch von gestern gedeutet werden — sehen Merkel als Hauptproblem dieses Bündnisses. Angetrieben werden diese Merkel-Gegner von den Frondeuren der CSU. Dort ist die gesamte Spitze von Markus Söder über Alexander Dobrindt bis zu Horst Seehofer zumindest darin einig, dass Merkel weg muss.

Und da zeigt sich auch der Richtungsstreit: Merkel bezeichnete sich selbst kürzlich als Vertreterin der "liberalen" Union — in Abgrenzung zu den teils nationaleren, EU-skeptischen Tönen, wie sie im Frühsommer vor allem aus der CSU zu hören waren. In der CDU kam das durchaus an. Da geht es auch, aber nicht nur um die Flüchtlingspolitik; da kommt viel Unmut über die Sozialdemokratisierung der Union hoch, die Merkel lange mit Erfolg betrieb.

Die Union kann gnadenlos sein

Bleibt der Erfolg aus, dann kann die Union gnadenlos sein. Angela Merkel hat versucht, mit ihrer spektakulären Entschuldigung im Fall Maaßen ihre Gegner zu besänftigen. Diese für sie so seltene Geste hat ihr nichts geholfen, zumal ihre Ohnmacht, auch ihre Abgehobenheit so noch sichtbarer wurde.

Es sind, auch hier, schon sehr viele verfrühte Abgesänge auf Angela Merkel geschrieben worden. Angesichts des Aufstands der Union wird es nun aber wirklich eng für eine Kanzlerin, die es vielleicht selbst versäumt hat, zur rechten Zeit zu gehen und diesen Zeitpunkt selbst festzulegen.

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