Mangelnde Solidarität in Europa: Auch Deutschland ist schuld

28.6.2018, 09:41 Uhr
Mangelnde Solidarität in Europa: Auch Deutschland ist schuld

© Marcos Moreno/afp

Im Interview mit den Nürnberger Nachrichten hat EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos nun ausgesprochen, was jedem, der die letzten Jahre nicht gerade auf einer Insel ohne Internet verbracht hat, längst klar ist: Das Dublin-Abkommen ist am Ende.

Dabei gibt es noch immer diejenigen, die darauf pochen, was in der Vereinbarung steht: dass Flüchtlinge eigentlich verpflichtet sind, ihren Asylantrag in dem Land zu stellen, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten. Dass Deutschland aufgrund seiner geographischen Lage damit eigentlich keine Asylbewerber aufnehmen müsste.

Die Realität hat Dublin aber längst überholt. Kein Land der Europäischen Union hat annähernd so hohe Flüchtlingszahlen zu verzeichnen wie Deutschland, kein Land dürfte so hohe Folgekosten für deren Lebensunterhalt zu schultern haben.

Dublin ist faktisch tot

Überraschend kommt das nicht wirklich. Denn die Geschichte des Dubliner Abkommens, das auf entscheidenden Druck Deutschlands geschlossen wurde, liest sich wie die Chronik eines angekündigten Todes: Ein Vertrag, der die Lasten der Asylkrise auf die Länder abwälzen wollte, in denen die Flüchtlinge ankommen (speziell auf Italien und Griechenland), konnte spätestens dann nicht mehr funktionieren, wenn die Migrationsströme anschwellen. 2015 war das der Fall. Dublin ist seither faktisch tot.

Auf der Suche nach einer neuen Lösung appelliert Berlin nun an die Solidarität der anderen EU-Staaten. Doch die Solidarität, die die Bundesregierung einfordert, war sie selbst bei den Dublin-Verhandlungen nicht zu zeigen bereit. Dass Merkel sich nun so schwertut mit einer europäischen Lösung, braucht also niemanden zu wundern. Es ist deswegen zu einfach, mit dem Finger nur auf diejenigen Staaten zu zeigen, die sich weigern Flüchtlinge aufzunehmen oder sich gegen eine Verteilunsquote sperren.

Die Folge: Am Ende des EU-Gipfels, der am Donnerstag und Freitag stattfindet, werden die Staats- und Regierungschefs zwar verkünden, man sei einen großen Schritt weiter bei der Suche nach einer europäischen Antwort auf die Flüchtlingskrise. Doch wer dann das Abschlusspapier liest, wird höchstwahrscheinlich einmal mehr zum Schluss kommen: Bis auf Absichtserklärungen ist da nicht viel.

Denn mehrheitsfähig ist in der EU derzeit nur eines: Migranten sollen möglichst draußen bleiben. Deswegen wird man sich wahrscheinlich auf besseren Grenzschutz und Ankunftszentren in Nordafrika verständigen.  Einem Horst Seehofer mag das als Lösung genügen, nach europäischen Maßstäben aber ist das: viel zu wenig.

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