Neue Bamf-Chefin: "Der Job ist keine 'Mission Impossible'"

13.1.2017, 18:00 Uhr
Neue Bamf-Chefin:

© Horst Linke

Nur wenige Stunden zuvor hat ihr Bundesinnenminister Thomas de Maizière in der Meistersingerhalle die Ernennungsurkunde überreicht, nun empfängt Jutta Cordt in ihrem Amtszimmer im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) Redakteure der Nürnberger Nachrichten. Im Gespräch mit den NN – es ist das erste Interview, das die 53-Jährige als Präsidentin gibt – formuliert die neue Amtschefin ihre Ziele.

Frau Cordt, was reizt sie eigentlich an einer Stelle, bei der fast garantiert ist, dass Sie früher oder später ins Kreuzfeuer der Kritik geraten? Die "Welt" hat schon von einer "Mission Impossible" geschrieben...

Cordt: Das sehe ich anders. Wir haben 2015 und 2016 unter der Leitung von Frank-Jürgen Weise gute Fortschritte gemacht, Verfahren neu strukturiert, die Digitalisierung vorangetrieben und die Ankunftszentren geschaffen. 2016 wurden knapp 700.000 Asyl-Entscheidungen getroffen – das kann sich sehen lassen. Es ist aber nicht so, dass wir die Hände in den Schoß legen können. Wir müssen noch über 430.000 Entscheidungen treffen. Aber ich habe in den letzten drei Monaten hier eine hochmotivierte Mannschaft kennengelernt.

Frank-Jürgen Weise hat sein Amt im Bamf damals mit ganz klaren, messbaren Zielen angetreten. Welche Ziele setzen Sie sich?

Cordt: Wir setzen uns zum Ziel, dass wir bis Ende des Frühjahrs die noch offenen Verfahren rückstandsfrei abarbeiten, damit die Menschen wissen, ob sie bleiben können oder nicht.

Die wichtigste Rechengröße dürfte die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge sein. Wie viele werden es sein?

Cordt: Im Flüchtlingsmanagement wird immer die Herausforderung bestehen, dass die Zahl der Neuankommenden schwer vorauszusagen ist. Wir planen hier mit mehreren Szenarien und rechnen ein, dass wir die Zahl der Neuankommenden noch zusätzlich zu den noch offenen Entscheidungen aus den Jahren 2016, 2015 und teils sogar noch älteren Jahren bearbeiten können.

Ihre Mitarbeiter entscheiden, wer in Deutschland bleiben darf und wer wieder gehen muss –  eigentlich. Abschiebungen werden aber noch immer nicht konsequent vollzogen. Ist das für Ihre Mitarbeiter  nicht unbefriedigend?

Cordt: Das glaube ich nicht. Unsere  Mitarbeiter entscheiden nach Recht und Gesetz und sind mit hohem Engagement dabei. Wenn ein Asylbewerber nicht bleiben kann, ist es auch unsere Aufgabe, ihn möglichst frühzeitig zu beraten, welche Möglichkeiten einer freiwilligen Rückkehr er nutzen kann. Diesen Beitrag können wir leisten – und das werden wir 2017 auch verstärkt tun. Wie man die Abschiebungen durch die Länder anders koordinieren kann, ist hingegen eine politische Frage.

Herr Weise hat sich mit dem Personalrat überworfen. Wollen Sie neue Brücken bauen?

Cordt: Für mich ist ganz wichtig, ins Gespräch zu kommen, Themen anzusprechen. Das haben wir hier gemacht und ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Es wird aber  immer wieder so sein, dass man nicht übereinkommt.

Personalvertretungen haben zum Teil eine andere Sichtweise als es eine Amtsleitung hat – das ist normal. Klar ist aber auch: Als Bamf haben wir eine Aufgabe zu erledigen im Sinne der Menschen, die zu uns kommen. Diese  müssen wir bestmöglich erledigen. Das erwartet der Steuerzahler, die Gesellschaft, das wollen wir auch selbst.

Sie leiten die Behörde, die sich mit dem Thema befasst, das Deutschland spaltet. Die einen befürchten eine "Umvolkung", die anderen pflegen eine Willkommenskultur. Wie wollen Sie dem begegnen?

Cordt:  Wenn viele fremde Menschen  aus ganz unterschiedlichen Kulturen zu uns kommen, wenn Ängste und Sicherheitsbedenken da sind, müssen wir  Integration so gestalten, dass das Fremde nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen wird. Dafür müssen wir, erstens, kulturelle Werte vermitteln: Wie leben wir in Deutschland? Wie gehen wir mit Andersdenkenden, mit Menschen anderer Orientierung um? Ebenso zentral ist, zweitens, der Spracherwerb. Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen und kenne Gastarbeiter-Familien, in denen nur derjenige Deutsch sprach, der im Arbeitsleben stand. Ohne Sprache fällt Integration natürlich schwer. Drittens – und deswegen ist die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur so wichtig – geht es um Arbeit. Integration funktioniert am besten über Arbeit.

Herr Weise hat über Sie gesagt: "Sie wird es anders machen und das ist etwas Schönes." Was unterscheidet Sie denn im Führungsstil?

Cordt: Ich sehe eher Parallelen. Ihm und mir es wichtig, ein Ziel zu haben und die Mannschaft darauf auszurichten, andere Meinungen einzuholen und Freiräume für Entscheidungen zu geben.  Der Unterschied ist: Herr Weise führte das Bamf in einer absoluten Krisensituation, Integration und Rückkehr standen verständlicherweise nicht im Fokus. Nun sind sie zusätzlich ganz oben auf der Agenda.

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