Seenotrettung: Kein Wunder, dass Italien überreagiert

20.7.2018, 11:08 Uhr
Italiens Schritt verlagert die Migrationsströme nur: Im Juni ging erstmals die Mehrheit der Migranten in Spanien an Land.

© Jesus Merida/SOPA Images via ZUMA Wire/dpa Italiens Schritt verlagert die Migrationsströme nur: Im Juni ging erstmals die Mehrheit der Migranten in Spanien an Land.

In Sonntagsreden wird es heute noch beschworen: das Europa, das nur gemeinsam bestehen wird in der Welt des 21. Jahrhunderts. Weil jedes Land für sich, selbst das starke Deutschland, zu schwach ist, um globale Herausforderungen zu meistern und gegenüber den Großmächten seine Interessen zu vertreten.

Gemeinsam kann Europa aber nur bestehen, wenn im Inneren Solidarität herrscht: Diese Solidarität treten aber immer mehr Staaten mit den Füßen oder halten sich nicht mehr an gemeinsam getroffene Entscheidungen. In dieses Bild passt auch der jüngste Entschluss Italiens, künftig keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen, die von der EU-Mission "Sophia" im Mittelmeer gerettet werden.

Es stimmt schon: Rom reagiert über. Die Zurückweisung von Schiffen privater Seenotretter war schließlich schon Signal genug, dass das Land eine neue europäische Asylpolitik fordert und sich im Warten darauf nicht länger vertrösten lassen will.

Gleichzeitig wäre es zu kurz gesprungen, nun den Italienern vorzuwerfen, sie zerstörten mit ihren Alleingängen Europa. Denn diese Alleingänge sind die Folge eines Allein-Gelassen-Werdens. Allein gelassen, das wurde Italien über viele, viele Jahre: Dass dort der Großteil der Flüchtlinge an Land ging, löste bei den EU-Partnern nur ein Schulterzucken aus. Schien schließlich Italiens Problem zu sein.

Bis heute hat sich daran wenig geändert. Noch immer gibt es keine Quote, die die Verteilung der in Italien ankommenden Flüchtlinge auf die europäischen Staaten regelt. Roms Schritt ist also zumindest erklärbar.

Rom verdient keinen Applaus

Applaus, wie ihn nun Rechtspopulisten spenden, verdient Italien hingegen keinen: Denn Roms Alleingang unterbindet die Migrationsströme nicht, er verlagert sie lediglich. Die Migranten weichen inzwischen auf Spanien aus - die Iberische Halbinsel war im Juni erstmals der Ort, an dem die meisten Asylbeweber an Land gingen. Für italienische Nationalisten mag das als Problemlösung ausreichen - nicht jedoch für jeden, in dem noch ein Funken des europäischen Gedankens glimmt.

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