Sicherheitskonferenz: Die Welt am Abgrund - und jetzt?

18.2.2018, 14:50 Uhr
Viele Demonstranten zogen bereits wegen der Sicherheitskonferenz durch die Straßen. Ralf Müller gibt sein Statement zu dem Event und den geladenen Gästen - wie Benjamin Netanjahu.

© Andreas Gebert/dpa Viele Demonstranten zogen bereits wegen der Sicherheitskonferenz durch die Straßen. Ralf Müller gibt sein Statement zu dem Event und den geladenen Gästen - wie Benjamin Netanjahu.

"Wir wollen vom Abgrund zurück", sagte Konferenzleiter Wolfgang Ischinger zum Konferenzende. Und noch eine Hoffnung gibt es. Nämlich, die, dass die zahlreichen inoffiziellen Begegnungen am Rande der Konferenz konstruktiver verlaufen sind als das, was auf offener Bühne stattfand. Das war nämlich hinreichend geeignet, auch optimistische Gemüter zu deprimieren.

Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll: Der Nahe Osten und die koranische Halbinsel sehen sich in einen makaberen Wettstreit, welches wohl derzeit der gefährlichste Ort der Welt ist. Einigkeit bestand darin, dass mit der militärischen Niederlage des IS im Irak noch längst kein Ende des islamistischen Terrorismus in Aussicht ist. Die vielleicht erschreckendste Erkenntnis der Sicherheitskonferenz bestand darin, dass der Kalte Krieg und die nukleare Bedrohung im Grunde schon wieder Realität ist.

Moskau und Washington renovieren ihr Atomwaffenarsenal, denken über "kleine" Nuklearsprengkörper nach und basteln an neuen Militärstrategien, die nach Ansicht von Fachleuten die Schwelle für den Einsatz von Nuklearwaffen deutlich senkt. Wenn man hört, dass man "kleine" Atombomben zur Abschreckung einsetzen könnte, kann es ja wirklich nur noch gruseln.

Es wird nicht miteinander geredet, sondern übereinander geschimpft. Dabei irritiert die US-Amerikaner derzeit wohl am meisten die Cyber-Einmischungen Russlands in den vergangenen Präsidentschaftswahlkampf. Diese Aktivitäten haben das Misstrauen zwischen Moskau und Washington einen schwereren Schlag versetzt als alle Stellvertreterkonflikte, die weltweit wieder geführt werden.

Lügen und Schwarz-Weiß-Denken

Erschrecken musste auch das holzschnittartige Schwarz-Weiß-Denken, das von den Vertretern vieler vorwiegend autokratisch geprägter Regierungen in München gezeigt wurde und eigentlich eine Beleidigung der Intelligenz des hochkarätigen Publikums waren. Als ob es keine Medien, Geheimdienste und zahlreiche andere Informationsquellen geben würde, log man frisch von der Leber die Zustände im eigenen Land weg und bezichtigte die anderen der Verleumdung und durchweg böser Absichten. Eine Weltsicht, die an eine Art Mittelalter mit Atombomben und Internet erinnerte. Umweltprobleme, Klimawandel und globale Ungleichheitsproblematik, aber auch die nicht mehr sehr verbreitete Forderung der "guten Regierung" wurden kaum erwähnt, dafür ging es allerorten um Aufrüstung. "Wir brauchen Panzer, Denkfabriken haben wir genug", so eine Stimme aus Polen. Mit seinem Bekenntnis, die Entwicklungszusammenarbeit ebenso zu unterstützen wie den Ausbau der Verteidigungsfähigkeiten stand der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) ziemlich allein auf weiter Flur.

Die Stimmen der Vernunft kamen schwerpunktmäßig aus Europa und hier aus Deutschland und Frankreich. Leider nur ist der Alte Kontinent weiterhin mit sich selbst beschäftigt. Es gibt in Europa kein Erkenntnis- sondern ein Handlungsdefizit. Dass Deutschland in München nur mit "geschäftsführenden" Regierungsmitgliedern vertreten war, hatte da etwas Symbolisches.

Einer frei, 149 bleiben

Wo bleibt das Positive? Der Journalist Deniz Yücel wurde aus türkischer Haft entlassen, was in München gefeiert wurde - einer von 150 Journalisten, die in der Türkei wegen abweichender Ansichten immer noch in Haft sitzen. Die sich anbahnende leichte Entspannung im deutsch-türkischen Verhältnis wurde durch das bizarre Schauspiel um den Polizeischutz für den Grünen-Politiker Cem Özdemir gleich wieder wettgemacht.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu tat in München das, was er am besten kann: Angreifen. Doch seine Attacken auf die iranische Führung hatten einen bemerkenswerten Nebenaspekt: Israels Bemühungen, dem Expansionsstreben des schiitischen Iran ein Ende zu bereiten, hätten sunnitische arabische Staaten zu so etwas wie Verbündeten gemacht. Getreu dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund". Keine wirklich moralische Position, aber wenn's denn hilft?

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