Trotz mangelnder Hygiene: Ekel-Betriebe müssen wenig fürchten

29.8.2015, 06:00 Uhr
Trotz mangelnder Hygiene: Ekel-Betriebe müssen wenig fürchten

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Sie war der Schrecken der bayerischen Wirte und Lebensmittelhändler: eine Datenbank, die im September 2012 im Internet erschien und schnell den Spitznamen "Hygiene-Pranger" erhielt. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen veröffentlichte darin, welche Betriebe grob gegen Hygienevorschriften verstießen. Darunter waren auch 17 Nürnberger Adressen.

Während die Kunden höchst interessiert die Listen durchklickten, liefen Gastronomen und ihre Verbände dagegen Sturm. Sie zogen vor Gericht und hatten Erfolg. Nach sieben Monaten stoppte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die schwarze Liste bis auf Weiteres. In anderen Bundesländern lief es seither mit ähnlichen Mängellisten genauso – alle wurden gestoppt.

"Es wird einfach nicht besser"

Drei Jahre später herrscht in Nürnberg Frust bei den Lebensmittelkontrolleuren. "Es wird einfach nicht besser", sagt deren Leiter Hans Ortenreiter. Fast 6200 Betriebe überprüfte sein Team 2014. Bei fast jeder vierten Kontrolle (23 Prozent) trat ein erheblicher Mangel zutage. Dieser Mangel betraf in 75 Prozent der Fälle die Hygiene. Die Mehrheit der Mängelbetriebe (76 Prozent) zählte zur Gruppe der Gaststätten, Kantinen, Imbiss- oder Cateringbetriebe und Eisdielen.

114-mal verhängten die Kontrolleure im vergangenen Jahr ein Bußgeld. Zwölfmal führte der Streit um die Hygiene sogar zu einem Strafverfahren. In 34 Fällen – darunter 22 Gaststätten oder Imbisslokale sowie zwei Pizzalieferdienste – ließ das Ordnungsamt den Betrieb sofort schließen, bis das Problem behoben war. So weit kommt es nur, wenn die Gesundheit in Gefahr ist, erklärt Ortenreiter: "Die Pizzasoße schimmelt, das Schnitzel ist schmierig oder die Schankanlage verdreckt."

Schuld an der konstant hohen Zahl gravierender Hygieneverstöße sei die Unwissenheit ungelernter Kräfte, oft aber auch fehlende Einsicht, sagt Ortenreiter. Öffentlicher Druck könnte da etwas bewirken, davon ist er überzeugt. "Wenn wir etwas verbessern und echten Verbraucherschutz betreiben wollen", sagt Ortenreiter, "muss ein Instrument zur Veröffentlichung her." Das halbe Jahr, als der Internet-Pranger im Netz stand, sei der Lichtblick in seiner 30-jährigen Berufspraxis gewesen. Die Lebensmittelunternehmer hätten plötzlich viel fleißiger geputzt und umgebaut. "Weil sie Angst hatten."

Weder Positiv- noch Negativlisten sind erlaubt

Gäbe es die Negativliste noch, wären im vergangenen Jahr 30 bis 40 Adressen aus Nürnberg darauf gelandet, schätzt Ortenreiter. Doch diese Namen darf er nicht nennen. Der Datenschutz verböte ihm derzeit sogar eine Positivliste für tadellose Betriebe. Drei Viertel aller 7500 Restaurants, Buden und Supermärkte arbeiten ordentlich, stellen auf Hinweis kleinere Fehler bereitwillig ab.

Der Berufsverband der Lebensmittelkontrolleure hofft also weiter auf eine Neuauflage des "Prangers", damit die schwarzen Schafe nicht geschützt bleiben. Der entsprechende Paragraf im Lebensmittelgesetzbuch, den die Gerichte lahmlegten, liegt im Moment im Bundesverbraucherschutzministerium in Berlin zur Überarbeitung.

Noch ist nicht absehbar, wann und wie er geändert wird. "Es gibt neue Entwurfsfassungen", sagte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage der Nürnberger Zeitung. "Sie sind aber noch nicht im Stadium, dass das Kabinett darüber beraten kann." Es bleibe beim Ziel, dass die Bundesländer die Öffentlichkeit über Hygieneverstöße informieren dürfen. Als Zugeständnis an die betroffenen Wirte und Ladeninhaber sei aber eine Löschfrist geplant. Auch sollen die Kunden künftig informiert werden, wenn jemand seine Mängel erfolgreich beseitigt hat.


Wenn Lokale und Lebensmittelläden unsauber arbeiten, bleibt das vorerst Geheimsache. Was Kunden trotzdem tun können:

* Melden
Verbraucher können ihren Verdacht auf unsaubere Waren oder fahrlässigen Umgang mit Lebensmitteln dem Nürnberger Ordnungsamt  melden: http://www.nuernberg.de/internet/ordnungsamt/lebensmittelrecht.html 256 solcher Beschwerden gingen 2014 ein, in 193 Fällen waren sie berechtigt. Gemeldet wurden beispielsweise ein Lieferfahrzeug, auf dessen Brotkörben Tauben saßen, oder verdreckte Biergläser. Verbraucher reichten auch 53 Produkte zur Begutachtung ein, darunter so unappetitliche Dinge wie verschimmelte Brotzeiteier, Sushi mit eingearbeiteten Haaren, schmierige Schweinshaxe vom Metzger oder eine „Geflügelrolle“ aus einem Pizzaservice – inklusive Geflügelkralle.

* Nachfragen
Wenig bekannt ist das offizielle Recht, sich bei der örtlichen Lebensmittelüberwachung nach Kontrollergebnissen für einen bestimmten Betrieb zu erkundigen. Gemäß Verbraucherinformationsgesetz sind diese Auskünfte für jedermann kostenlos.

* Kritisch sein
Schmuddeliges Geschirr, Bedienungen mit ungewaschenen Händen, ungepflegte Regale oder Toiletten: Hans Ortenreiter, Leiter der städtischen Lebensmittelüberwachung in Nürnberg, rät Kunden zu offener Kritik. „Man sollte den Mut haben, dem Gewerbetreibenden zu sagen, was einem nicht gefällt. Gerade vor anderen Kunden wirkt das oft.“

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