Club: Anzeichen von Resignation nach dem nächsten Debakel

22.4.2014, 05:59 Uhr
Club: Anzeichen von Resignation nach dem nächsten Debakel

© Sportfoto Zink

Der Kapitän sah aus, wie der Kapitän eben aussieht, wenn seine Mannschaft gerade untergegangen ist. Enttäuscht, traurig, verzweifelt, Raphael Schäfer konnte einem leid tun. Jener Raphael Schäfer, der sich nach Niederlagen so wunderbar aufregen konnte, über falsche Schiedsrichterentscheidungen oder Fehler seiner Vorderleute oder anderes Pech und Unvermögen, jener Raphael Schäfer also, der Frontmann, der Anführer des 1. FC Nürnberg, jener Raphael Schäfer war den Tränen nahe, als er vor eine Fernsehkamera trat. Nach dem 1:4 gegen Bayer Leverkusen.

Seine Körpersprache glich schon vorher einem non-verbalen Hilferuf. Statt mit breiter Brust stand er bereits Mitte der zweiten Halbzeit sichtbar geknickt in seinem Kasten. Schon seit ein paar Wochen scheint er zu ahnen, dass es heuer wahrscheinlich schiefgehen wird. Raphael Schäfer ist mit einjähriger Unterbrechung seit 2001 im Verein, also lange genug, um interne Entwicklungen und Strömungen richtig deuten zu können, abgestiegen ist er bisher nicht. Umso härter trifft ihn nun der schleichende Zerfall seines Clubs.

Profis? Ergänzungsspieler?

Die 25 Pfosten- und Lattentreffer, die vielen Verletzten. Es gibt natürlich Erklärungen für die Misere, auch durchaus logische. Aber darum ging es Schäfer nicht, als er sagte: „Ich glaube, dass wir dem Gegner die Tore zu leicht hergeben, auch herschenken“, wie so oft seit ungefähr Mitte März. Und zum Schluss, also spätestens nach dem in seiner Entstehung fast schon peinlichen 1:3, „haben wir auch nicht mehr an uns geglaubt“. Der Kapitän sprach von fehlendem Mut, von zu wenig Qualität, gar von: Resignation. „Wir spielen nicht mit der Mannschaft, die vorgesehen war.“

Sondern mit einer Mannschaft, die Woche für Woche aufgefüllt werden muss mit sogenannten Ergänzungsspielern. Also Fußballern, die offenbar bloß dabei sind, um überhaupt zu elft anfangen zu können. Dass sie bis auf die am Sonntag erstmals nominierten Tobias Pachonik und Sinan Tekerci allesamt Profis sind beim 1.FC Nürnberg und somit den Anspruch haben sollten, sich in der Bundesliga zu behaupten, wird in der Ursachenforschung gerne übersehen. Talente wie Niklas Stark oder Martin Angha bräuchten noch Zeit, heißt es. Beim 2009 mit aufgestiegenen SC Freiburg standen am Samstag neun Akteure in der Startformation, die nicht älter sind als 23.

Die schlimmsten Fehler machten am Sonntag zudem die Etablierten. Mike Frantz vor dem 1:2, Marvin Plattenhardt und Javier Pinola vor dem 1:3, Raphael Schäfer und Marvin Plattenhardt vor dem 1:4. Selbst die Eckpfeiler wackeln mittlerweile bedenklich.

Das größte Problem dieser Nürnberger Zweckgemeinschaft ist aber wohl ihre Mentalität; auch gegen Leverkusen ergab sich der Tabellenvorletzte erstaunlich früh, leistete kaum noch Widerstand. Es ist niemand da, der andere mitreißen und dirigieren kann, der den Laden auch in stürmischen Zeiten zusammenhält, einer wie früher Timmy Simons, stattdessen laufen sie häufig brav und ziellos nebeneinander her beim wöchentlichen Versuch, die taktischen Vorstellungen ihres Trainers umzusetzen.

Nach dem 1:2 ohne Chance

Mutig sollen sie sein und möglichst dominieren. Trotzdem stellte Gertjan Verbeek auch gegen Leverkusen fast ausnahmslos Spieler auf, die sich in der anderen Platzhälfte nicht besonders wohl fühlen. Die vordere Viererreihe brachte im bisherigen Saisonverlauf gerade mal fünf Tore zustande; gelernte, aber angeblich lustlose Offensivkräfte wie Robert Mak oder Tomas Pekhart saßen hingegen 90 Minuten auf der Bank gegen die keinesfalls überragende Werkself, die zuvor in Braunschweig verloren hatte, in Bremen, in Freiburg. Und sogar in Hamburg.

Nach dem 1:2 und somit drei Minuten nach der Pause hätte Schiedsrichter Marco Fritz eigentlich abpfeifen können. „Ich glaube, dass wir keine richtige Chance mehr gehabt haben“, sagte Raphael Schäfer, der in seinem Strafraum litt. Die Krise seines Clubs nimmt ihn mit und geht nicht spurlos an ihm vorüber; der im bisherigen Rundenverlauf mit Abstand Beste und Beständigste seines Teams erlaubte sich gegen Leverkusen ein paar dicke Patzer, langjährige Beobachter rechnen auch deswegen mit dem Schlimmsten.

Immerhin blockierte am Sonntag niemand den Bus und der Trainer wird vielleicht auch nicht entlassen nach der achten Niederlage in den vergangenen neun Partien, die branchenüblichen Automatismen greifen heuer also nicht. Einfach weiter so, es wird diesmal ein gesitteter, ein ruhiger, ein fast harmonischer Abstieg. Den angeblich viele kommen sahen, aber leider nicht verhindern können. Nicht mehr. Raphael Schäfer wies schon nach dem Erstrunden-Pokal-Aus in Sandhausen auf drohendes Ungemach hin („Es wird ganz, ganz schwer, 40 Punkte zu holen“), wirklich ernst nahmen ihn damals nur wenige.

Was jetzt, über acht Monate später, zu tun sei, wurde er am Sonntag noch gefragt. „Sich schütteln und hoffen, dass es in Mainz dann doch noch reicht“, antwortete Schäfer. Es wäre ein kleines Wunder, die es angeblich immer wieder gibt. Aber nicht nur der Kapitän tut sich schwer damit, noch daran zu glauben.

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