Ende einer schönen Utopie: Warum die Fans Verbeek nachtrauern

23.4.2014, 20:24 Uhr
Gertjan Verbeek eckte auch in Nürnberg an.

© Sportfoto Zink Gertjan Verbeek eckte auch in Nürnberg an.

Zu erfahren, was denn Gertjan Verbeek so über seine Demission beim 1. FC Nürnberg denkt, war am Mittwoch leider nicht möglich. Als Sportvorstand Martin Bader wie erwartet die Trennung verkündete, weilte der Trainer noch in seiner niederländischen Heimat; erst am Abend wurde er am Valznerweiher zurückerwartet. Um letzte Formalitäten zu klären. Und um Servus zu sagen. Vermutlich aber wird Verbeek seine Entlassung nicht verstehen können, so wie er zuvor auch seine überraschende Entlassung in Alkmaar nicht verstanden hatte.

Als logischer Ansatz für einen Erklärungsversuch könnte ein Blick auf die Faktenlage dienen. Verbeek hat den Club vom 16. auf den 17. Platz geführt. Die Mannschaft hat acht ihrer letzten neun Spiele teils klar verloren, dabei haufenweise Gegentore kassiert und am Ende einen erschreckend leblosen Eindruck vermittelt. In der Bundesliga sollen Trainer schon wegen weniger gruseliger Bilanzen beurlaubt worden sein.

Dass dennoch die gefühlte Mehrheit der Fans das abrupte Ende der Ära Verbeek als Sakrileg empfindet und die Entscheidung des Vereins mit heiligem Furor kommentiert, ist ein Phänomen, aber erklärbar: Mit dem Abschied des fast schon messianisch verklärten Trainers ist eine schöne Utopie brutal zerstört worden. In seiner geradlinigen, ungekünstelten, bisweilen auch derb-drolligen Art schien der charismatische Kauz aus dem Nachbarland perfekt zum Club zu passen.

Den darbenden Fans vermittelte Verbeek mit seiner auf Offensivspektakel ausgerichteten Spielidee eine Ahnung, wie mitreißend Fußball eigentlich sein kann. Man musste, so die allgemeine Stimmungslage, ja bloß noch irgendwie den Klassenerhalt schaffen, dann würde der Ruhmreiche neu erblühen und nächste Saison die Liga rocken. Mindestens.

Und es hätte ja auch alles prima funktionieren können. Ein paar malade Stammkräfte weniger, ein paar Punkte mehr, und Diskussionen um den fachlich unumstrittenen Coach wären nie entstanden. Letztendlich ist Verbeek in Nürnberg aber wohl auch erneut an seiner Sturheit und Beratungsresistenz gescheitert, was taktische Flexibilität betrifft, an seinem autokratischen Führungsstil und am Ende an einer fast schon aufreizend zur Schau gestellten Gelassenheit, die der prekären Situation nicht mehr angemessen war. Dass der Verein mit Blick auf die verbliebene Minimalchance nun die Reißleine zog, erscheint deshalb absolut legitim. Auch wenn das viele nicht hören wollen.

Emotionale Stammtischpolemik

Nun reflexartig auf die charakterlosen, faulen Profis und den feigen Sportvorstand, der ja nur seine eigene Haut retten möchte, einzuprügeln, ist emotionale Stammtischpolemik. Was natürlich nicht heißt, unbequeme Fragen auszuklammern: Hätte Bader die gestörte Chemie zwischen Team und Trainer nicht viel früher erspüren können? Hätten nicht die Leitwölfe längst reagieren und auf die internen Differenzen hinweisen müssen?

Und dient das Lamento der Mannschaft, die sich nach dem umgänglichen Michael Wiesinger ja einen autoritären Trainer mit klaren Vorgaben erbeten hatte, am Ende aber so unter der Schreckensherrschaft Gertjans des Gnadenlosen litt, vielleicht doch auch ein bisschen als Alibi?

Für eine finale kritische Aufarbeitung dieses unrühmlichen Kapitels in der Club-Historie mit all seinen Protagonisten ist es jetzt noch zu früh.

Doch ganz egal, ob Roger Prinzen und Marek Mintal das Wunder noch gelingt – eine völlig missratene Saison wird wieder einmal tiefe Narben in der fränkischen Fußballseele hinterlassen. Gerade bei jenen, die diese Liebe doch eigentlich gar nicht bereuen möchten.

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