Nürnbergs Talente sind noch nicht reif für die 2. Liga

22.1.2015, 17:00 Uhr
Nürnbergs Talente sind noch nicht reif für die 2. Liga

© Zink

Die seit vielen Generationen gern gestellte Frage, wann ein Junge zum Mann wird, hat auch beim Fußball ihre Berechtigung. Frühreife haben nicht lange nach dem Führerschein auch einen prächtig dotierten Fünf-Jahres-Vertrag eines Spitzen-Clubs in der Tasche. Wer länger braucht, hat irgendwann ein Problem. Die Berufswahl lässt normalerweise wenig Zeit zur Entwicklung.

Wer heutzutage mit 19, 20 nicht bereit ist für das Profi-Geschäft, schafft es auch mit 21 oder 22 nicht mehr, so denken viele Ausbilder. Beispiele wie das von Kevin Kampl sind selten geworden; Borussia Dortmunds zwölf Millionen Euro Ablöse teurer Winterzugang brauchte sechs Vereine, um auf sein höchstes Niveau zu kommen. Kampl ist bereits 24, die Branche staunt, ebenso die Spielvereinigung Greuther Fürth. Beim Kleeblatt saß der von Bayer Leverkusen Geliehene häufig nicht mal auf der Ersatzbank. Damals, in der Saison 2010/2011.

Zur falschen Zeit dynamisch

Auch in Nürnberg kennen sie die Schwierigkeiten, mit denen Talente zu kämpfen haben. Das macht es für die Jüngsten im Aufgebot nicht leichter. Özgür Özdemir (20), türkischer Junioren-Nationalspieler, musste in Nürnberg bleiben, als 23 Kollegen ins Trainingslager aufbrachen. Trotzdem ist Özdemir in Belek ein Thema; beim Training am Montagabend erkundigte sich ein Spielervermittler nach dem Verteidiger. Mehrere Erstligisten würden ihn gerne in die Türkei holen. Und zwar sofort. Ob das Interesse von anderen Vereinen hilfreich sein kann beim nächsten Schritt, sei dahingestellt. Der Club hat mehrere Kandidaten unter Vertrag, die offenkundig noch nicht so weit sind.

Am nähesten an der Stammelf dran ist Niklas Stark, aber eben auch bloß zweite Wahl. Noch weiter weg ist Maximilian Dittgen, ein kräftiger Angreifer, der auch technisch einiges draufhat. Trotzdem langt es nicht, um Druck auszuüben auf seine Konkurrenten. Tobias Pachonik bringt ebenfalls einiges mit – nur eben nicht alles, was ein Zweitliga-Spieler benötigt.

Der Trainer vermeidet es tunlichst, seine Talente mit überzogenen Erwartungen unter Druck zu setzen. Er weiß, dass es ein Prozess ist, der etwas dauern kann. Aber natürlich nicht ewig dauern darf. „Man sieht eine Entwicklung, sie machen Fortschritte“, sagt René Weiler, „aber es ist kein einfacher Weg.“ Sondern ein steiniger. An Motivation fehlt es nicht, sie hängen sich rein, verbessern sich auch. Ob ihr Leistungsniveau bereits in der Restrückrunde höheren Ansprüchen genügt, ist dennoch fraglich.

Es gibt Gründe, warum einige beim Übergang vom Nachwuchsleistungszentrum in die Lizenzspielerabteilung in ein Loch fallen. „Kraft ist der entscheidende Faktor“, sagt Weiler; wer als 16- oder 17-Jähriger aufgrund seiner Physis den Gleichaltrigen überlegen ist, wird das mit 19 oder 20 nicht mehr sein. Beim Erwachsenen-Fußball sind die körperlichen Voraussetzungen zwar weiterhin wichtig, aber nicht mehr ausschlaggebend. Flott rennen können fast alle. Also ist die geistige Frische, die sogenannte Spielintelligenz, entscheidend.

Weiler spricht gerne von „Handlungsschnelligkeit“, gemeint ist die möglichst zügig erfolgende Erfassung und Analyse von Situationen. Wer dafür zu lange braucht, „hat es auch sonst schwer im Leben“, glaubt Weiler, ohne das böse zu meinen. Pachonik etwa ist muskulös und hat einen fabelhaften Antritt, allerdings setzt er seine Dynamik viel zu oft falsch ein. „Er muss auch an den richtigen Ort laufen“, sagt Weiler; grundsätzlich gelte es, „im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen“. Genau daran hapert es noch.

15 Tore – in fünf Jahren

Dass es auch in die andere Richtung gehen kann, hat Peniel Mlapa erlebt. Der Stürmer war in der U 17 und U 19 von 1860 München eine Klasse für sich, da er die meisten anderen vor allem körperlich überragte. Mit dem über 1,90 Meter langen und bereits in jungen Jahren ungewöhnlich wuchtigen Stürmer konnten nicht viele mithalten. Nachdem er als 19-Jähriger auch in der ersten Mannschaft der Löwen mit einigen schönen Treffern für Aufsehen gesorgt hatte, saßen wenig später plötzlich Scouts aus Manchester und Neapel auf der Haupttribüne.

Der mediale Hype machte Mlapa nicht besser, trotzdem holte ihn die reiche TSG Hoffenheim und überschüttete ihn mit Geld. Weil er aber nicht wie gewünscht funktionierte, ließen sie ihn für 2,5 Millionen Euro nach Mönchengladbach ziehen. Mittlerweile ist Mlapa 23 und an den Club ausgeliehen. Was er kann und was er nicht kann, sieht man jeden Tag auf dem Platz. In seinen knapp fünf Jahren im Profi-Fußball hat Mlapa 15 Tore geschossen, vier davon in den ersten 19 Partien. Ein Talent zu sein, ist eben oft zu wenig.

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