Schamel und sein Club: "Eine schmerzliche Erfahrung"

8.9.2015, 13:21 Uhr
Schamel und sein Club:

© Foto: Stefan Hippel

Hanns-Thomas Schamel könnte so etwas wie Schadenfreude empfinden, aber dafür hat er kein Talent -  erst recht nicht, wenn es um den 1. FC Nürnberg geht. Der Unternehmer aus Baiersdorf ist ein temperamentvoller und streitbarer, aber sehr freundlicher Mann, und zu sagen, der Club läge ihm am Herzen, wäre eher eine Untertreibung. Schamel muss das auch gar nicht sagen. Man hört es aus jedem seiner Sätze.

In diesem Club war er vor einem Jahr eines der prominentesten Mitglieder - die Frontfigur der Opposition gegen die beiden Vorstände, auch wenn Schamel das selbst wiederum nicht so formulieren würde. "Anti-Einstellungen", sagt er, möge er nicht, "Pro Club 2020" nannte er seine Initiative, mit der er dann krachend scheiterte. Auf so viel Ablehnung zu stoßen, sagte er nach der Mitgliederversammlung im Herbst 2014, sei "eine schmerzliche Erfahrung" gewesen, "all diese Buh-Rufe aus der Club-Familie". Er sagt es noch heute, ohne jede Spur von Larmoyanz. Aber man spürt, dass es noch immer wehtut.

Vier Jahre im Aufsichtsrat

Ein Jahr später sind die beiden Vorstände Vergangenheit, Finanzchef Ralf Woy ist längst beurlaubt, Sportchef Martin Bader tritt Ende des Monats ab, und als Michael Meeske, als Kaufmännischer Vorstand der neue starke Mann im Club, in dieser Woche seinen Einstand gab, dachte er schon einmal laut nach über Sympathie, Bekanntheit, Klarheit der Marke. Über den Kern des Vereins; Schamel nannte das immer Markenkern, die Markenenergie aus einem erfolgreichen Fußballbetrieb, sagt er, müsse die Empfänger erreichen: Mitglieder, Fans, Sponsoren. Meeske klang in seinen ersten Äußerungen auffällig ähnlich.

Die Geschichte von Hanns-Thomas Schamel steht ein wenig auch für die jüngste Vereinsgeschichte. Im Herbst 2010 wurde er in den Aufsichtsrat gewählt und drei Jahre später mit riesiger Mehrheit im Amt bestätigt, er stand auch für die Hoffnung, die regionale Wirtschaft an den Verein zu binden. Er hat einen guten Namen, Schamels Meerrettich-Unternehmen mit 50 Mitarbeitern ist der Marktführer, er leitet es, gemeinsam mit seinem Bruder, in fünfter Generation, ähnlich fest verwurzelt wie der Kren in den fränkischen Äckern ist im Hause Schamel die Liebe zum Fußball.

Engagement macht verdächtig

Hanns-Thomas Schamel, 61 Jahre alt, suchte nicht zuerst die Bühne Bundesliga, öfter sah man ihn bei Nachwuchsspielen. Er ist ein uneitler Mann, wer ihn manchmal ein wenig romantisch findet, tut ihm sicher nicht unrecht; zur Fanarbeit hat er angeregt, sozial Schwache zu unterstützen. "Jeden Tag eine gute Tat" lautet der Arbeitstitel - zugunsten von Waisenhäusern, Altenheimen oder Flüchtlingslagern. Schamels Engagement machte ihn glaubwürdig für die Mitglieder - und manchmal beinahe verdächtig, wenigstens denen, die den Aufsichtsrat gern ganz aus dem den Vorständen anvertrauten operativen Geschäft heraushalten würden.

Dass diese Trennung nicht mehr funktionierte, sah man nach dem Bundesliga-Abstieg; mit unglücklichen Personalentscheidungen bot der Vorstand Angriffsflächen, und Baders Versuch, das Kontrollgremium stärker einzubinden, verwischte Grenzen. Schon in der ersten Krise erwies sich die 2010 beschlossene Strukturreform als untaugliches Instrument. Misstrauen prägte das Vereinsklima. Sein nur von Günther Koch unterstützter Antrag, den Vorstand abzulösen, lief im August 2014 ins Leere; Schamel trat zurück, daraus wuchs "Pro Club 2020" - eine Konzentration auf den Markenkern, auf das Leitbild des Vereins stand hinter der Idee, aber einige der Mitstreiter, die Schamel dafür gewonnen zu haben glaubte, misstrauten da bereits diesem wackelig gewordenen Gebilde, das der Club war und das auf potenzielle Führungskräfte abschreckende Wirkung hatte.

Kaum Zeit für Inhalte

Er habe "sicher Fehler gemacht", sagt Schamel, manche sagen, er wollte zu schnell zu viel. Aufrichtigkeit und guten Willen sprach ihm keiner je ab, er tut das umgekehrt bis heute nicht. Aber im Krisenherbst 2014 wurde er als reine Oppositionspartei in einem ohnehin aufgeregten Club gesehen, die Mitglieder vertrauten dem erprobten Krisenmanager Bader. Schamel scheiterte überraschend klar mit seiner Kandidatur, besser indes wurde nichts; die Spannungen nahm man mit in den neuen Aufsichtsrat. Es ging oft mehr um Personen als um Inhalte, und die Frage Pro oder Contra Bader lähmte dann den ganzen Verein.

Er könne, sagt Schamel heute, eigentlich niemandem empfehlen, sich zur Wahl zu stellen. Die Mitglieder müssen ihr Votum aufgrund von Drei-Minuten-Reden treffen, für Inhalte bleibt kaum Zeit, in manchmal hitziger Atmosphäre wird ein Gremium gewählt, das über die (Ab-)Berufung der Vorstände entscheidet - über Wohl und Wehe des gesamten Vereins. Rücktritt und Neuwahl des gesamten Gremiums Anfang Oktober: Das schlägt Schamel jetzt vor, und für die Zukunft eine Struktur mit teils gewählten, teils berufenen Aufsichtsräten – dabei insgesamt wenigeren. Es gehört zur Ironie dieser Geschichte, dass man im Club darüber ebenfalls schon nachdenkt. Ob er selbst noch einen Anlauf wagt? Das, sagt Hanns-Thomas Schamel, sei sehr, sehr unwahrscheinlich.

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