Zingerle lernt in Fürth den "wahren Fußball" kennen

18.1.2016, 21:06 Uhr
Leopold Zingerle sieht seinen Wechsel nach Fürth als "Schritt nach vorne".

© Sportfoto Zink / WoZi Leopold Zingerle sieht seinen Wechsel nach Fürth als "Schritt nach vorne".

Dafür, dass Leopold Zingerle erst 21 Jahre alt ist, hat er schon einiges gesehen von der großen Fußballwelt. Fünfmal saß er mit dem FC Bayern München in der Champions League auf der Ersatzbank. Und zwar nicht in Brügge, Belgrad und Kiew, sondern in Madrid, Manchester und Rom. „Das ist schon was anderes“, erinnert sich der junge Torhüter, „die Fans am Flughafen oder das Bankett nach dem Spiel...“

Zingerle, in dessen Kinderzimmer ein Trikot von Mehmet Scholl hing, war auf dem besten Weg, den Traum aller Nachwuchsspieler beim Rekordmeister zu leben. Als er acht Jahre alt war, klingelte das Telefon im Haus seiner Eltern im Münchner Stadtteil Ottobrunn. Ein Talentsucher des FC Bayern hatte den kleinen Leo bei einem Freundschaftsspiel seines TSV gegen die Roten für gut befunden – als Feldspieler. Nach einem Jahr hieß es jedoch: „Leo, bring mal Torwarthandschuhe mit.“ Seither steht er im Kasten, „was mir gefallen hat“, erinnert er sich, „denn als Torwart habe ich plötzlich jedes Spiel gespielt, und ich wollte ja einfach nur spielen“.

Ganz dumm scheint er sich auch nicht angestellt zu haben, denn seine Fertigkeiten auf dieser Position führten ihn bis in die U18-, U19- und U20-Nationalmannschaft, wo er jeweils einen Einsatz verbuchte. Aus dieser Zeit kennt ihn auch der heutige Fürther Torwarttrainer Christian Fiedler, der damals für den DFB arbeitete, und lotste ihn in diesem Sommer zum Kleeblatt. Seine Verpflichtung bis zum Saisonende war eine Reaktion auf die schwere Verletzung von Bastian Lerch. Der dritte Torhüter der Fürther hatte in einem Spiel der zweiten Mannschaft bei einem Zusammenprall ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten.

Mittlerweile, berichtet Fiedler, kann Lerch schon wieder 45 Minuten torwartspezifisch trainieren, trägt dabei einen Kopfschutz wie Petr Cech vom FC Arsenal. Darüber, wie das Kleeblatt mit der Personalie des dritten Torhüters für die nächste Spielzeit umgehen wird, schweigt man sich bewusst aus. Auf Lerch soll kein Druck aufgebaut werden, lieber lobt man die Eigenschaften Zingerles. „Ich glaube, dass er sehr schnell angekommen ist in Fürth, eine tolle Ausstrahlung, gute Reflexe und hohes Potenzial besitzt“, findet Manager Ramazan Yildirim.

Weil Mark Flekken vor der Winterpause um Spielpraxis in der U23 bat, saß Zingerle schon mehrere Male bei den Profis auf der Bank. Im ersten Testspiel des Trainingslagers gegen den schweizerischen Erstligisten FC Luzern (0:1) stand er über 90 Minuten auf dem Platz. Und sah dabei gar nicht schlecht aus.

Mit 1,88 Meter ist er exakt so groß wie Mielitz und wirkt für seine 21 Jahre unaufgeregt. Ob's an der Ausbildung an der Säbener Straße liegt, wo man das bayerische Sieger-Gen eingeimpft bekommt, das sich auf dem schmalen Grat zwischen Selbstbewusstsein und Überheblichkeit bewegt?

Zingerle weiß sofort, was der Fragensteller meint: „Ich habe das schon so gesehen, dass ich nicht vom FC Bayern in die zweite Liga wechsle, sondern von der U23 des FCB zur ersten Mannschaft der Spielvereinigung Greuther Fürth. Das ist hier schon anspruchsvoller, das ist für mich ein Schritt nach vorne.“ Dennoch freut er sich hier auf etwas, das ihm der Branchenprimus ironischerweise nicht bieten konnte: „In München erwarten ja immer alle, dass du jedes Spiel gewinnst. Deshalb bin ich dankbar, hier mal den wahren Fußball kennenzulernen.“ Wo ein Sieg noch gefeiert wird, weil er noch etwas Besonderes ist.

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