Der Club kneift, der Fan schaut weg

15.4.2011, 07:00 Uhr
Der Club kneift, der Fan schaut weg

© Wraneschitz

Während beim eher unpolitischen Thema easyCredit aber Vertreter der Stadt und des 1.FC Nürnberg dabei waren, glänzten diese bei der Veranstaltung „Braucht der Fußball Atomkraft?“ mit Abwesenheit. Dabei hätten die Besucher im vollbesetzten Festsaal des Künstlerhauses gerne vom Clubvorstand gehört, wie der den Spagat zwischen Reaktorkatastrophe in Fukushima und ihrer Trikotwerbung hinbekommt.

Stattdessen musste Neumann in die Bresche springen. Wobei er noch nicht einmal für alle Fans sprechen konnte. „In der Fanszene findet diese Diskussion praktisch nicht statt“, erklärte er. Viele wüssten mit dem Namen, der da auf den FCN-Trikots steht, gar nichts anzufangen. Er selber habe sich allerdings das aktuelle Club-Shirt nicht zugelegt: „Ich werde mit Sicherheit nicht mit dem Areva-Logo durch die Gegend spazieren.“

Elisabeth Wentzlaff von den Ärzten gegen den Atomkrieg (IPPNW), die zu der Diskussion eingeladen hatten, musste also auf eine frühere Stellungnahme von FCN-Sportdirektor Martin Bader verweisen: „Areva hat sich keiner kriminellen Handlung schuldig gemacht.“

Genau diese Aussage versuchte Günter Wippel vom Uranium Network aber zu widerlegen. Der Konzern, der in der Region Nürnberg mehr als 3000 Menschen beschäftigt, ist nicht nur für die Atomwaffen Frankreichs zuständig, sondern auch für den Uranabbau in einem der ärmsten Länder der Welt, im afrikanischen Niger. Dort mussten Einheimische jahrelang ohne jeglichen Schutz das radioaktive Material fördern. Heute noch wird der Abraum einfach auf Halden gekippt. Radioaktive Staub verteilt sich ungefiltert auf die benachbarten Ortschaften Arlit und Akokan. Grundwasser und Böden sind radioaktiv belastet. Bemühungen der Weltgesundheitsorganisation oder der EU, die Situation in Niger zu verbessern, würden von Areva einfach zur Seite gewischt. Wippel: „Areva verschleiert, lügt und vertuscht – nachweislich.“

Diese Verschleierung der Aktivitäten finde, wie der Psychoanalytiker Helmut Rießbeck ergänzte, auch im Nürnberger Stadion statt. Wenn der Konzern etwa auf der Bandenwerbung behaupte „Areva ist Solarenergie“, dann werde damit nur Unwissenheit ausgenutzt. In Wahrheit handele es sich dabei um gerade einmal drei Prozent des Areva-Geschäftes.

Unwissenheit darüber, was Areva eigentlich treibt, herrsche aber keineswegs nur bei den Fußballfans. Auch von den Autoren des Erlanger Poetenfestes, das seit Jahren von Areva gesponsert wird, sei bisher noch nie Kritik geäußert worden. Der Konzern sei sehr erfolgreich damit, sich durch Sponsoring ein sympathisches Image zu geben. Dazu kämen soziale Initiativen wie etwa eine Knochenmarktypisierung. „Da macht sich der Bock selbst zum Gärtner“, meinte Rießbeck angesichts der Krebsfälle im Zusammenhang mit dem Uranabbau

In der Diskussion bat unter anderem „Edelfan“ und Rundfunkreporter Günther Koch, die Fans nicht für beschränkter zu halten als sie sind. Es gebe freilich auch ein Bedürfnis, einfach nur Spaß am Spiel zu haben und bestimmte Dinge auszublenden. Ein „einfacher“ Fan fasste das so in Worte: „Mich interessiert Fußball, was die Spieler auf ihrem Trikot stehen oder auf ihren Hintern tätowiert haben, ist mir völlig egal.“

Der Vorschlag, einen Fanboykott zu organisieren, bis sich der Club von seinem Sponsor trennt, dürfte daher kaum durchsetzbar sein. Eher schon der — mit viel Beifall quittierte — Plan, die beiden FCN-Aufsichtsräte Markus Söder und Ulrich Maly an ihre Aussagen zum Atomausstieg oder zur Einhaltung der Menschenrechte zu erinnern.

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