Türkei: Langsam erholt sich der Tourismus

26.5.2018, 08:00 Uhr
Noch fahren viele Ausflugsboote mangels Touristen nicht hinaus aufs Meer.

© Michael Husarek Noch fahren viele Ausflugsboote mangels Touristen nicht hinaus aufs Meer.

Warum? Weil Recep Tayyip Erdoðans Machtkämpfe mit dem Westen neben der politischen Eiszeit zwischen Deutschland und der Türkei auch eine touristische haben folgen lassen. "Dabei brauchen wir doch die Deutschen", beschwört Jülide Utku eine bessere Zukunft. Die Marketingmanagerin der Paloma Hotelgruppe ist für den deutschsprachigen Markt zuständig. Sie hat sehr gelitten, weil aus ihrer Sicht der Streit zwischen Merkel und Erdoðan unnötigerweise Folgen für den Tourismus hatte.

Seit die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland angespannt sind, leidet der Tourismus massiv. Und der zählt zu einer der Haupteinnahmequellen des Landes. 2018 wird als Jahr der Normalisierung betrachtet, die Hoffnungen ruhen aber auf der Zukunft: "2019 muss besser werden", bringt eine Hotelmanagerin aus Tekirova die Erwartungshaltung der Branche auf den Punkt.

Jülide Utku, die mit ihren Eltern zwölf Jahre lang in Deutschland lebte, rechnet heuer mit 85 Prozent deutschen Gästen im Paloma Grida Hotel in Belek. 2015 waren es über 90 Prozent, die Anlage war damals zwischen Anfang April und Ende Oktober ausgebucht. Heuer liegt die Auslastung des Hotelkomplexes mit seinen 1200 Betten bei 85 Prozent.

Dass das kein schlechter Wert ist, bestätigt auch Kathrin Rüter, Pressesprecherin von Öger Tours: "Es gibt noch ausreichend Hotelkapazitäten, doch die Flüge werden langsam knapp." Die Airlines reagieren aber rasch auf steigende Nachfrage und setzen zusätzliche Flieger ein. Von Nürnberg aus steuern etwa während des Sommers teils mitten in der Nacht (Abflugzeit: 2.55 Uhr) bis zu drei Airlines Antalya an.

Die Gäste aus Deutschland reagieren allerdings deutlich träger als die Fluglinien-Manager. Sie beobachten die Lage und lesen die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes. Dort wird noch immer vom Besuch politischer Versammlungen abgeraten.

Belastender Eintrag des Auswärtigen Amtes

"Menschenansammlungen, auch auf öffentlichen Plätzen und vor touristischen Attraktionen sowie der Aufenthalt nahe Regierungs- und Militäreinrichtungen sollten gemieden werden", heißt es konkret. Der Normalfall für ein beliebtes Reiseland wäre und war bis zur Erklärung des Notstands im Juli 2016: kein Eintrag.

Dass der Türkeitourismus trotzdem wieder anzieht - je nach Reiseveranstalter werden Steigerungen im Jahresvergleich von 60 bis 150 Prozent genannt - hat zwei Hauptgründe: Die immer noch günstigen Preise (heuer ist ein Trip an die Rivieraküste zwischen 20 und 30 Prozent billiger als eine vergleichbare Reise nach Griechenland oder Spanien) und die Gastfreundschaft. Tatsächlich ist das Personal extrem freundlich und kinderlieb, für Familien ein gewichtiges Argument.

Wie viel noch im Argen liegt, offenbart Süleyman Akcali von einer örtlichen Reiseagentur: Von seinen 2015 noch 45 fest angestellten deutschsprachigen Reiseleitern musste er in den beiden Krisenjahren 2016 und 2017 alle entlassen, heuer hat er ein fünfzehnköpfiges Team um sich geschart. "Vor zwei Jahren war die Türkei tot", blickt der Fachmann mit Schrecken zurück. Gäste kamen damals vor allem aus dem arabischen Raum. Akcali will aber Europäer, in der Türkei ein häufiger Wunsch. Das hat auch mit der Ausrichtung des Landes zu tun - nach wie vor ist es Beitrittskandidat zur EU. Und viele möchten Europa ein anderes Gesicht der Türkei zeigen.

Die Schuld auf andere schieben

Selcuk Yamac, Marketing-Manager des in Side gelegenen Turan Prince-Hotels, hat derzeit 60 Prozent Stammgäste aus Deutschland. Es sollen mehr werden, doch dass das nicht klappt, liegt seiner Ansicht nach an den deutschen Medien. Diese würden Kampagnen fahren. Warum? "Weil sie nicht wollen, dass die Türkei aufsteigt." Eine Meinung wie eine Verschwörungstheorie, doch viele Menschen hier teilen sie.

Dem Versuch, die Dinge schön zu reden, erliegt niemand: Zwar ist die Türkei als Urlaubsziel nach zwei verheerenden Jahren, in denen vor allem die Deutschen ausblieben, wieder im Aufwind. Doch bis zu den Zahlen der Boomjahre 2013 bis 2015, als ein Rekord den nächsten jagte, ist es noch ein steiniger Weg.

Verwandte Themen


1 Kommentar