1835 schrieb Nürnberg Medizingeschichte (Teil 2)

4.10.2010, 17:02 Uhr
1835 schrieb Nürnberg Medizingeschichte (Teil 2)

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Unter dem – leicht durchschaubaren – Pseudonym „Dr. Ernst Friederich Wahrhold“ bringt er 1834 die Schrift „Auch Etwas über die Homöopathie“ in Stellung und ergeht sich in Ressentiments gegen Hahnemanns Lehre, die „auf den Unverstand und die Leichtgläubigkeit der Menschen berechnet“ sei. Reuter reagiert erwartungsgemäß, indem er seinem Kritiker völlige Unkenntnis vorwirft: Die Wirksamkeit der homöopathischen Behandlung sei durch die Erfahrung vielfach belegt, selbst bei Tieren, Kindern und Irren.

Verlassen wir vorerst das Nürnberg des 19. Jahrhunderts und machen einen Zeitsprung nach Ingolstadt, im Sommer 2010. „Der Streit um die Homöopathie“ ist eine Veranstaltung des Deutschen Medizinhistorischen Museums überschrieben, in deren Verlauf der Erlanger Medizinhistoriker Dr. Fritz Dross in die Rolle des Medizinalrats von Hoven/Wahrhold schlüpft und die Museumsdirektorin Dr. Marion Maria Ruisinger den Part des Johann Jakob Reuter übernimmt.

In einer szenischen Lesung dokumentieren sie den historischen Schlagabtausch, der vor allem eins deutlich macht: „Dass es in 200 Jahren nicht gelungen ist, neue Argumente gegen die Homöopathie zu finden“, wie Dross nach dem Dialogstück feststellt. In der Tat, denn die Repliken des Streitgesprächs klingen ziemlich heutig und werden hier auszugsweise wiedergegeben:

Wahrhold: „Was gegen die Homöopathie zu sagen ist, ist längst gesagt. Sie ist wissenschaftlich geprüft, sie ist scherzhaft und satyrisch behandelt worden; ich könnte nichts thun, als das bereits Gesagte wiederholen, und ohne Zweifel würde ich eben so wenig dadurch ausrichten, als meine Vorgänger. Eine Lehre, die weder auf wissenschaftlichen Gründen beruht, noch auf sichere und richtig gedeutete Erfahrungen sich stützt, kann auch nicht wissenschaftlich widerlegt werden; man muß sie ihrem Schicksal überlassen, und so hätte man es nach meiner Ansicht auch mit der Homöopathie halten sollen.

Daß ihr Sturz nicht schon jetzt erfolgt ist, kommt lediglich daher, dass ihr Urheber nicht nur weit mehr versprochen hat, als die Urheber früherer Systeme, sondern auch besser, als jeder andere, die Leichtgläubigkeit der Menschen zu benutzen verstanden hat. Er ist nicht, wie seine Vorgänger, bloß als Reformator alter Heilkunde, sondern als Schöpfer einer ganz neuen, und einer solchen aufgetreten, die ganz dazu gemacht ist, die Leichtgläubigkeit der Menschen zu berücken. Sich nicht begnügend, bloß die Mängel der eingeführten Heilkunde aufzudecken und zu verbessern, warf er sie ganz über den Haufen. Alles bisherige Wissen erklärte er für unnützen gelehrten Quark.“

Lesen Sie im dritten Teil, wie der Streit zwischen Homöopathie-Anhängern und -Gegnern ausgeht.

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