Deggendorf: Weitere Deichbrüche befürchtet

6.6.2013, 20:13 Uhr
Deggendorf: Weitere Deichbrüche befürchtet

© dpa

Trotz sinkender Pegelstände an der Donau sind tausende Menschen in Bayern weiter von Hochwasser und Überschwemmungen bedroht. In der besonders gefährdeten Region um Deggendorf und Straubing ging das Wasser am Donnerstag zwar leicht zurück. An einigen Stellen drohten die durchgeweichten Dämme aber weiterhin zu brechen. Insgesamt mussten mehr als 4000 Menschen in der Krisenregion ihre Häuser verlassen.

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) besuchte das Krisengebiet und machte sich in einem Hubschrauber ein Bild von der Lage. "Es ist unbeschreiblich schlimm. Das übersteigt alle Dimensionen", sagte er sichtlich betroffen in Deggendorf. Dort mündet die Isar in die Donau.

Im nahe gelegenen Osterhofen scheint die akute Gefahr, dass ein 2,5 Kilometer langer Damm bricht, erstmal vorüber: "Wir erwarten, dass er nicht bricht", sagte Thomas Linddörfer von der Wasserwacht im Landkreis Deggendorf. Die Bevölkerung werde auf eine mögliche Evakuierung vorbereitet. Einsatzkräfte versuchten, den Deich mit Kies zu stabilisieren und mit Planen vor weiterem Durchnässen zu schützen.

Bei fast gleichbleibenden Pegelständen sei der Kollaps des Deiches immer noch nicht ausgeschlossen. 2500 Menschen und eine Fläche von mehr als 100 Fußballfeldern seien dort von Überflutung bedroht, erklärte Linddörfer. Im Gebiet Deggendorf stehe eine Fläche so groß wie der Tegernsee unter Wasser. In Deggendorf gilt wie auch in Passau und Regensburg weiter die höchste Meldestufe vier.

Noch keine Entwarnung in Straubing

So auch in Straubing einige Kilometer flussaufwärts: Dort sank das Wasser bis zum Nachmittag von knapp acht auf 7,19 Meter. "Wir sollten schon deutlich unter sieben Meter liegen, damit wir über weitere Maßnahmen nachdenken können", sagte Christian Kirschner, Sprecher des Krisenstabes in Straubing. Entspannter war die Lage in Regensburg. Aufräumgerät und Sandsäcke bleiben aber trotz zurückgehendem Wasser in der Stadt - auch weil neuer Regen zum Ende der Woche angekündigt ist.

"Es ist schon recht sicher, dass die Niederschläge wieder großflächig ausfallen werden", sagte Meteorologe Jan-Bernd Schröer vom Deutschen Wetterdienst am Donnerstag in München. Im ungünstigsten Fall könnte sich das von Frankreich aufziehende Tief ähnlich verhalten wie die Schlechtwetterfront der letzten Wochen - selbst dann aber werde nicht so viel Niederschlag fallen.

Der Wasserstand an den Messstellen bis nach Passau stagniert. Der Pegel in der Drei-Flüsse-Stadt ist zwar drei Meter unter seinem Höchststand, seit 40 Stunden aber herrscht Stillstand. Teilweise wird im Stadtgebiet schon aufgeräumt, andere Teile sind immer noch überschwemmt. Im mittlerweile trockenen Rosenheim gab es schon einen Ansturm auf die Soforthilfen, die von der Landesregierung beschlossen wurden.

Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) lobte die Solidarität im Freistaat. Helfer aus dem ganzen Land packten mit an, spendeten Geld und Sachgüter und versorgen Rettungsleute mit Kuchen und Kaffee. "Die Hilfsbereitschaft ist grandios", sagte Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk.

Der Verkehr im Freistaat ist weiter stark beeinträchtigt. Die Autobahnen 3 und 92 bleiben bei Deggendorf gesperrt - die Bundesstraße 8 konnte wieder freigegeben werden. Die Bahn sperrte die Strecke zwischen Übersee und Traunstein bis Montag. Züge zwischen München und Wien werden weiterhin über Passau umgeleitet. Und auch Kreuzfahrt-Touristen bekommen das bayerische Hochwasser zu spüren: mehr als ein Dutzend Schiffe hingen am Donnerstag auf den Wasserstraßen im Freistaat fest.

Langzeitfolgen wird die Katastrophe für die Bauern haben. Die Schäden und Ernteausfälle seien "auf ein Jahr sicher nicht aufzuholen", sagte Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV), am Donnerstag dem TV-Sender "Phoenix". Zugleich kritisierte er die Pläne von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), für einen besseren Hochwasserschutz auch Bauern zu enteignen.

Merkel sichert Hilfen zu

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Hochwasser-Opfern in Bayern Hilfe zugesagt. Der Bund stelle 50 Millionen Euro für unbürokratische Soforthilfe bereit, sagte Merkel am Dienstag bei einem Besuch in der vom Hochwasser besonders betroffenen Drei-Flüsse-Stadt Passau. Weitere 50 Millionen Euro steuere der Freistaat Bayern für diese Soforthilfe bei.

Auch für den Regierungsbezirk Mittelfranken gilt das Hilfsprogramm des Freistaates Bayern "Sofortgeld für Privathaushalte, Unternehmen sowie land- und forstwirschaftliche Betriebe" für vom Hochwasser Betroffene. Die Unterstützung in Höhe von 1500 Euro wird bei Hochwasserschäden beziehungsweise Ersatzbeschaffung von zerstörtem Hausrat gewährt. Sobald Geschädigte Versicherungsleistungen erhalten, muss das Geld zurückgezahlt werden.

Die finanzielle Hilfe für die Hochwasseropfer in Bayern soll nach Worten von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) notfalls auch über die geplanten 150 Millionen Euro hinausgehen. Finanzminister Markus Söder kündigte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" eine Rücklage in Höhe von 200 Millionen Euro an.

Norden rüstet sich gegen Verwüstung

Das Hochwasser bedroht nun den Norden Deutschlands. Bundesländer wie Niedersachsen und Brandenburg rüsteten sich für die anrollenden Wassermassen, die bereits im Süden und Osten verheerende Zerstörungen hinterlassen haben. In Bayern blieb die Lage angespannt, mehrere Deiche drohten zu brechen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte betroffene Regionen in Sachsen-Anhalt besuchen. Politiker aller Parteien sicherten den Geschädigten am Donnerstag im Bundestag umfassende Hilfen zu. An die Politik richtete sich aber auch Kritik, nicht genug für den Hochwasserschutz getan zu haben. Nach Expertenansicht sind immer höhere Deiche allein nicht immer das beste Mittel.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte weitere Unterstützung zu, die über die Soforthilfe des Bundes von 100 Millionen Euro hinaus gehen soll. Es werde alles getan, um die langfristigen Schäden zu beheben. "Darauf können sich alle verlassen." Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) dankte den Helfern vor Ort, besonders den vielen Freiwilligen. Erneut werde die Erfahrung gemacht, dass Not und Leid einhergingen mit Tatkraft und Hilfe sowie einer "eindrucksvollen menschlichen Zuwendung".

Nach Ansicht von Experten muss im Hochwasserschutz umgedacht werden. "Die Deicherhöhungen sind an der Grenze", sagte beispielsweise Bernd Ettmer, Wasserbau-Experte der Hochschule Magdeburg-Stendal. "Für jeden Meter, den man nach oben baut, braucht man drei Meter in die Breite."

Die Situation in Bundesländern stellte sich so dar:


Sachsen-Anhalt: Auch hier waren Orte weiter akut bedroht - etwa die Stadt Bitterfeld, wo Bundeskanzlerin Merkel sich über die Lage informieren wollte. Dort könnte es zu einem Wassereinbruch in die Innenstadt kommen, wo rund 10 000 Menschen leben. Zwei Deichsprengungen hatten nicht die erhoffte Entlastung gebracht, wie der Krisenstab mitteilte. Auch in Halle war die Lage weiterhin angespannt, obwohl der Pegelstand der Saale zurückging.

Sachsen: Die Lage in den überschwemmten Gebieten entlang der Elbe blieb angespannt - das Hochwasser des Flusses erreichte am Donnerstag seinen Höhepunkt. In Dresden kam es mittags auf 8,76 Meter. Damit lag das Maximum unter der Prognose, die von etwa neun Metern ausgegangen war. Normal sind knapp zwei Meter. Während Stadtteile im Osten und Westen unter Wasser standen, blieb die historische Altstadt anders als bei der Flutkatastrophe 2002 zunächst verschont. Der hohe Wasserstand soll vier bis fünf Tage anhalten. Nach Angaben der Stadt waren rund 9000 Haushalte ohne Strom.

Niedersachsen: Die Wassermassen der Elbe bedrohten auch hier die Deiche. Bis zum Wochenende wurde mit einem Anstieg des Flusses gerechnet. Tausende Einsatzkräfte und Anlieger bereiteten sich auf die kritische Phase vor. Allerdings werden die Pegelstände erst in der zweiten Hälfte der kommenden Woche den Höhepunkt überschreiten. Nach letzten Schätzungen dürften die Wassermassen noch fast einen halben Meter höher steigen als je zuvor.

Brandenburg: Hier wird der Höhepunkt der Flut ebenfalls erst in den nächsten Tagen erwartet. Innenminister Dietmar Woidke (SPD) schätzte die Situation dennoch schwieriger ein als 2002 beim letzten katastrophalen Hochwasser. "Es ist eben nicht nur die Elbe, die kommt. Dieses Mal kommen alle Nebenflüsse mit großer Wucht mit dazu", sagte Woidke im rbb-Inforadio.

Mecklenburg-Vorpommern: Hunderte Bundeswehr-Soldaten unterstützten die Schutzmaßnahmen an der Elbe. Etwa 40 000 Sandsäcke wurden bereits gefüllt - zwei Millionen Sandsäcke sind zur Verstärkung der Deiche nötig. Das Wasser soll wohl Donnerstag den Höchststand erreichen. 

Die aktuellen Pegelstände der Flüsse in Bayern sind auf der Internetseite des Hochwassernachrichtendienstes abrufbar.

Eine Übersicht überschwemmungsgefährdeter Gebiete finden Sie auf der Seite des Bayerischen Umweltamts.

Ratschläge für Hochwassergeschädigte finden Sie hier.

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