Mit Tricks und Kniffen: Wer in der Arbeitslosenstatistik fehlt

18.7.2013, 12:56 Uhr
Seit Jahren fällt die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland beständig - von 4,8 Millionen im März 2005 auf rund 2,8 Millionen im Juni 2013. Doch längst nicht alle, die eine Arbeit suchen, tauchen auch in der Statistik auf. Teilweise gibt es nachvollziehbare Gründe, warum jemand nicht als arbeitslos gilt. Doch manches Mittel, das dafür sorgt, dass Menschen nicht mitgezählt werden, wirkt eher wie ein Trick. Wird die Arbeitslosenstatistik geschönt?
1 / 10

Ist die Statistik poliert?

Seit Jahren fällt die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland beständig - von 4,8 Millionen im März 2005 auf rund 2,8 Millionen im Juni 2013. Doch längst nicht alle, die eine Arbeit suchen, tauchen auch in der Statistik auf. Teilweise gibt es nachvollziehbare Gründe, warum jemand nicht als arbeitslos gilt. Doch manches Mittel, das dafür sorgt, dass Menschen nicht mitgezählt werden, wirkt eher wie ein Trick. Wird die Arbeitslosenstatistik geschönt? © Jens Büttner

Zunächst gibt es eine offizielle Definition im Sozialgesetzbuch (SGB III): Jeder Erwachsene, der weniger als 15 Stunden in der Woche arbeitet sowie eine sozialversicherungspflichtige Arbeit sucht und für diese sofort verfügbar wäre, gilt als Arbeitsloser. Grundsätzlich nicht zu den Arbeitslosen werden Studenten, Schüler und Rentner gezählt.
2 / 10

Die offizielle Definition ist klar - eigentlich

Zunächst gibt es eine offizielle Definition im Sozialgesetzbuch (SGB III): Jeder Erwachsene, der weniger als 15 Stunden in der Woche arbeitet sowie eine sozialversicherungspflichtige Arbeit sucht und für diese sofort verfügbar wäre, gilt als Arbeitsloser. Grundsätzlich nicht zu den Arbeitslosen werden Studenten, Schüler und Rentner gezählt. © dpa

Einen Haken hat die Definition: Ein Betroffener muss sich bei der Agentur oder einem Träger auch als arbeitssuchend melden. Tut er das nicht, taucht er erst gar nicht in der Arbeitslosenstatistik auf. Unter diese Gruppe fällt auch die sogenannte "Stille Reserve", also Menschen, die zwar bereit wären, ein Arbeit aufzunehmen, die aber nicht bei der Bundesagentur registriert sind. Wissenschaftler des statistischen Bundesamtes bezifferten die Zahl der Betroffenen 2012 auf etwa 1,2 Millionen.
3 / 10

Wer keine Arbeit sucht, gilt nicht als arbeitslos

Einen Haken hat die Definition: Ein Betroffener muss sich bei der Agentur oder einem Träger auch als arbeitssuchend melden. Tut er das nicht, taucht er erst gar nicht in der Arbeitslosenstatistik auf. Unter diese Gruppe fällt auch die sogenannte "Stille Reserve", also Menschen, die zwar bereit wären, ein Arbeit aufzunehmen, die aber nicht bei der Bundesagentur registriert sind. Wissenschaftler des statistischen Bundesamtes bezifferten die Zahl der Betroffenen 2012 auf etwa 1,2 Millionen. © dpa

Auch ein Ein-Euro-Job gilt in der Statistik schon als Arbeit - wer einem nachgeht,  taucht nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auf. Die umgangssprachlichen "Ein-Euro-Jobs" heißen offiziell Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandentschädigung (AGH-MAE). Sie sollen bei der Eingliederung von Arbeitslosen in den "Ersten Arbeitsmarkt" helfen. "Ein-Euro-Jobs" dürfen in der Theorie bestehende Arbeistplätze nicht ersetzen. Es handelt sich um Zusatzjobs für Hartz-IV-Empfänger. Der Lohn, der auch mehr als 1 Euro pro Stunde betragen kann, ist kein Arbeitslohn, sondern stellt lediglich eine Mehraufwandentschädigung dar. Als Mehraufwand zählt etwa der Weg zur Arbeit. Wird ein Ein-Euro-Jobber krank, bekommt er seine Entschädigung für die Dauer der Krankheit nicht weiter gezahlt. Wer einen ihm zugewiesenen Ein-Euro-Job verweigert, wird vom Arbeitsamt sanktioniert, das heißt, sein Arbeitslosengeld II wird um mindestens 30 Prozent gekürzt.
4 / 10

Auch ein Ein-Euro-Job gilt schon als Arbeit

Auch ein Ein-Euro-Job gilt in der Statistik schon als Arbeit - wer einem nachgeht, taucht nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auf. Die umgangssprachlichen "Ein-Euro-Jobs" heißen offiziell Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandentschädigung (AGH-MAE). Sie sollen bei der Eingliederung von Arbeitslosen in den "Ersten Arbeitsmarkt" helfen. "Ein-Euro-Jobs" dürfen in der Theorie bestehende Arbeistplätze nicht ersetzen. Es handelt sich um Zusatzjobs für Hartz-IV-Empfänger. Der Lohn, der auch mehr als 1 Euro pro Stunde betragen kann, ist kein Arbeitslohn, sondern stellt lediglich eine Mehraufwandentschädigung dar. Als Mehraufwand zählt etwa der Weg zur Arbeit. Wird ein Ein-Euro-Jobber krank, bekommt er seine Entschädigung für die Dauer der Krankheit nicht weiter gezahlt. Wer einen ihm zugewiesenen Ein-Euro-Job verweigert, wird vom Arbeitsamt sanktioniert, das heißt, sein Arbeitslosengeld II wird um mindestens 30 Prozent gekürzt. © dpa

2008 hat die Bundesagentur für Arbeit eine Änderung bei der Erhebung ihrer Statistik eingeführt, die damals hohe Wellen schlug. Wer mindestens 58 Jahre alt ist und seit 12 Monaten oder länger Arbeitslosengeld II bezieht, ohne ein Angebot für eine Arbeit bekommen zu haben, gilt seitdem nicht mehr als arbeitslos. In der Statistik der Arbeitsagentur tauchen diese Menschen nur unter dem Punkt "Unterbeschäftigung" auf.
5 / 10

Bestimmte Ältere werden herausgerechnet

2008 hat die Bundesagentur für Arbeit eine Änderung bei der Erhebung ihrer Statistik eingeführt, die damals hohe Wellen schlug. Wer mindestens 58 Jahre alt ist und seit 12 Monaten oder länger Arbeitslosengeld II bezieht, ohne ein Angebot für eine Arbeit bekommen zu haben, gilt seitdem nicht mehr als arbeitslos. In der Statistik der Arbeitsagentur tauchen diese Menschen nur unter dem Punkt "Unterbeschäftigung" auf. © Armin Weigel (dpa)

Wer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnimmt, gilt in der Statistik nicht als arbeitslos. Unter diesen Punkt fallen unter anderem berufliche Weiterbildungen, Trainingsmaßnahmen oder Maßnahmen zur "Aktivierung und zur beruflichen Eingliederung". Im Juni 2013 waren davon 886.000 Menschen betroffen. Sie werden von der Bundesagentur für Arbeit in der Statistik statt unter Arbeitslosigkeit unter "Unterbeschäftigung" geführt.
6 / 10

Weiterbildungen gelten als Arbeit

Wer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnimmt, gilt in der Statistik nicht als arbeitslos. Unter diesen Punkt fallen unter anderem berufliche Weiterbildungen, Trainingsmaßnahmen oder Maßnahmen zur "Aktivierung und zur beruflichen Eingliederung". Im Juni 2013 waren davon 886.000 Menschen betroffen. Sie werden von der Bundesagentur für Arbeit in der Statistik statt unter Arbeitslosigkeit unter "Unterbeschäftigung" geführt. © Rainer Groh

Jobcenter können Arbeitslosen Gutscheine ausstellen, mit denen sie sich an private Arbeitsvermittler wenden können. Seit 2009 werden die durch private Organisationen vermittelten Arbeitslosen nicht mehr in die Statistik aufgenommen, weil sie auch für die Vermittlung durch Jobcenter nicht mehr zur Verfügung stehen.
7 / 10

Wer privat vermittelt wird, taucht nicht auf

Jobcenter können Arbeitslosen Gutscheine ausstellen, mit denen sie sich an private Arbeitsvermittler wenden können. Seit 2009 werden die durch private Organisationen vermittelten Arbeitslosen nicht mehr in die Statistik aufgenommen, weil sie auch für die Vermittlung durch Jobcenter nicht mehr zur Verfügung stehen. © dpa

Und noch eine andere Gruppe taucht nicht in der Arbeitslosenstatistik auf - schließlich gehen Menschen, die ihr Einkommen mit Arbeitslosengeld II aufstocken müssen, einer Arbeit nach. Allerdings einer, von der sie nicht leben können. Die Bundesagentur spricht von erwerbstätigen Arbeitslosengeld II-Beziehern, schließlich stockt nicht jeder sein Gehalt auf, viele bessern auch ihr Arbeitslosengeld mit Erwerbseinkommen auf. Im Juni 2013 waren laut Statistik der Arbeitsagentur insgesamt 1,29 Millionen Hartz-IV-Empfänger erwerbstätig.
8 / 10

Arbeiten, aber nicht davon leben können

Und noch eine andere Gruppe taucht nicht in der Arbeitslosenstatistik auf - schließlich gehen Menschen, die ihr Einkommen mit Arbeitslosengeld II aufstocken müssen, einer Arbeit nach. Allerdings einer, von der sie nicht leben können. Die Bundesagentur spricht von erwerbstätigen Arbeitslosengeld II-Beziehern, schließlich stockt nicht jeder sein Gehalt auf, viele bessern auch ihr Arbeitslosengeld mit Erwerbseinkommen auf. Im Juni 2013 waren laut Statistik der Arbeitsagentur insgesamt 1,29 Millionen Hartz-IV-Empfänger erwerbstätig. © dpa

Wer keiner Arbeit nachgehen kann, weil er langfristig erkrankt ist, zählt in der Statistik ebenfalls nicht als arbeitslos. Der Grund: Diese Menschen gelten als nicht vermittelbar.
9 / 10

Langzeiterkrankte

Wer keiner Arbeit nachgehen kann, weil er langfristig erkrankt ist, zählt in der Statistik ebenfalls nicht als arbeitslos. Der Grund: Diese Menschen gelten als nicht vermittelbar. © dpa

Die Bürgerarbeit ähnelt den Ein-Euro-Jobs: Arbeitslose, die nicht in reguläre Arbeit oder Arbeitsmaßnahmen vermittelt werden können, erhalten Arbeitsplätze im gemeinnützigen Bereich, für die den hochverschuldeten Kommunen sonst das Geld fehlt. Dadurch soll ihnen geholfen werden, in den ersten Arbeitsmarkt reintegriert zu werden. Die Beschäftigungsverhältnisse schließen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ein, nicht aber die Arbeitslosenversicherung. So wird auch die Arbeitslosenstatistik bereinigt, denn dort tauchen die Leistungsempfänger, die einer Bürgerarbeit nachgehen, nicht auf. Momentan ist die Bürgerarbeit ein Modellprojekt des Bundesverwaltungsamtes, rund 34.000 solcher Stellen sind momentan bewilligt.
10 / 10

Bürgerarbeit

Die Bürgerarbeit ähnelt den Ein-Euro-Jobs: Arbeitslose, die nicht in reguläre Arbeit oder Arbeitsmaßnahmen vermittelt werden können, erhalten Arbeitsplätze im gemeinnützigen Bereich, für die den hochverschuldeten Kommunen sonst das Geld fehlt. Dadurch soll ihnen geholfen werden, in den ersten Arbeitsmarkt reintegriert zu werden. Die Beschäftigungsverhältnisse schließen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ein, nicht aber die Arbeitslosenversicherung. So wird auch die Arbeitslosenstatistik bereinigt, denn dort tauchen die Leistungsempfänger, die einer Bürgerarbeit nachgehen, nicht auf. Momentan ist die Bürgerarbeit ein Modellprojekt des Bundesverwaltungsamtes, rund 34.000 solcher Stellen sind momentan bewilligt. © Michael Matejka

Verwandte Themen