"Man kann mit diesem Auto auch noch fahren"

28.1.2019, 13:49 Uhr

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Herr Bartels - kommt es bei einem neuen Modell überhaupt noch auf den Antrieb an oder ist inzwischen die Digitalisierung das alles beherrschende Thema?

Als vor einem Jahr die Fahrvorstellung der A-Klasse mit dem neuen Multimediasystem MBUX stattfand, da habe ich gesagt: Wissen Sie, was das Tollste ist? Man kann mit dem Auto auch noch fahren! Es verändert sich in der Tat etwas. Inzwischen gibt es so ein bisschen die Pflichtübung und die Kürübung. Speziell an Mercedes richtet sich eine gewisse Erwartungshaltung, das ist dann die Pflicht. Hier gehört komfortables, sicheres Fahren dazu und eine hohe Wertanmutung. Das, was mit MBUX passiert, sind neue Contents, die Kür. Man merkt, dass gerade die jüngeren Käufergruppen mehr Wert auf Konnektivitätsthemen legen als auf eine noch mal verbesserte Seitenneigung oder ein paar PS mehr. Aber wir freuen uns natürlich dennoch über ein breites Motoren-Portfolio, denn es gibt nach wie vor Kunden, die neben der Konnektivität auch ein Interesse daran haben, dass sich das Auto fahrdynamisch von anderen abhebt.

Warum hat man ausgerechnet die Consumer Electronics Show CES von Las Vegas als Premierenbühne für den CLA gewählt?

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Die CES repräsentiert für uns zum einen die erwähnten Konnektivitätsinhalte - also, welche Intelligenz wir ins Auto bringen. Zum anderen ist auf dieser Messe genau die für uns interessante Zielgruppe als potenzielle Käuferschicht vertreten - die jungen, sehr technikaffinen Menschen also.

Das Multimediasystem MBUX erweitert beständig seine Möglichkeiten. Erhält der Kunde entsprechende Updates?

Alles, was die Hardware anbelangt, geht natürlich nicht als Update. Das betrifft etwa den Interieur-Assistenten, der beispielsweise die Innenraumbeleuchtung einschaltet, wenn ich als Fahrer etwas im Beifahrer-Fußraum suche. Aber alles, was "offboard" weiterentwickelt wird, kriegen Sie geregelt. Das läuft dann als Software-Update, auf das man wie beim Laptop oder Smartphone per Meldung hingewiesen wird. Teilweise fährt das System dann herunter und wieder hoch, anschließend sind die neuen Funktionen verfügbar. Wir nennen das "Fresh-up over the Air". Was wir andererseits in der Cloud updaten und wovon der A-Klasse-Kunde dann in Gestalt neuer Inhalte profitiert, läuft unmerklich ab, davon bekommen Sie gar nichts mit.

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Was passiert eigentlich mit meinen Daten?

Wir hören natürlich den Dialog zwischen Fahrer und Auto mit. Das heißt, das Mikrofon ist offen. Relevant wird es aber nur dann, wenn Sie "Hey, Mercedes" sagen. Erst dann wird das System aktiviert. Es ist aber völlig anonymisiert. Es interessiert uns also nicht, wer im Auto sitzt, was das für ein Auto ist und wo es sich befindet. Wir versuchen nur, die Antwort auf die Frage bereitzustellen. Wir gucken aber sehr wohl, ob es eine Häufung bestimmter Fragen gibt, die wir heute nicht beantworten können und arbeiten daran. Im Übrigen muss der Kunde allem, was Offboard und in der Cloud geschieht, explizit zustimmen. Von Onboard-Kommandos wie "Hey Mercedes, schalte die Sitzheizung an" oder navigationsbezogenen Eingaben, die keine Online-Anbindung erfordern, bekommt die Außenwelt gar nichts mit.

Dann gibt es noch die "Predictions"

Das Auto macht ja Vorschläge. Wenn Sie zum Beispiel morgens immer Ihren Chef anrufen, dann wird dies das Fahrzeug irgendwann merken und dann unter den Predictions gleich die entsprechende Nummer bereitstellen. Oder: Ich höre zu einer bestimmten Zeit immer einen bestimmten Radiosender oder fahre am Mittwochabend immer ins Fitness-Center. Auch solche Dinge lernt das Auto und das ist dann schon eine Künstliche Intelligenz, die Ihre Daten und Ihr Verhalten beobachtet. Aber Sie müssen auch dem zustimmen. Wenn Sie nicht wollen, dass solche Predictions gemacht werden, dann ist das in Ordnung, allerdings können Sie dann auch die Intelligenz des Systems nicht nutzen.

Ist die Datenfrage ein weltweites Thema?

Es ist ein sehr europa-spezifisches. In China beispielsweise interessiert diese Diskussion niemanden. Wenn wir dem Chinesen sagen, dass wir seine Daten und sein Verhalten beobachten, dann antwortet der: Ja - und wenn ich dafür Vorschläge bekomme, die mein Leben erleichtern, dann geht das doch völlig in Ordnung. Wir müssen also auch damit arbeiten, dass es regional völlig unterschiedliche Anforderungen gibt.

Wird der CLA auch wieder als Shooting Brake kommen?

Ja. Der Shooting Brake ist für uns eine sehr interessante Variante, denn wir erreichen mit ihm Kunden, die Wert auf Design legen, denen es aber auch auf hohe Funktionalität ankommt.

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Die Kompakt-Plattform ist auch für alternative Antriebstechnologien vorbereitet. Was ist hier zu erwarten?

Elektrifizierung ist ein weites Feld und eine effektive Maßnahme, um den verschärften CO2-Anforderungen entgegen zu wirken. Die Plattform lässt hier viele Möglichkeiten zu und wir denken in alle Richtungen. Ich bin mir sicher, dass wir am Ende eine Variante anbieten, welche die Bedürfnisse unserer Kunden bestmöglich abdeckt.

Wie begegnen Sie der Verunsicherung in Sachen Diesel?

Auch da müssen wir uns der Herausforderung stellen, dass wir regional völlig unterschiedliche Anforderungen haben, selbst innerhalb von Europa. Glücklicherweise stehen wir bei Mercedes noch nicht vor der Situation, unbedingt aus dem Diesel heraus zu müssen. Man braucht halt gute technische Argumente, um das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Ein solches Argument ist beispielsweise der neue OM-654-Diesel für die A-Klasse, der bereits heute die künftige, strenge Abgasnorm Euro 6d erfüllt.

Interview: Ulla Ellmer

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