Thomas Sabo: Nürnbergs Eishockey-Gönner verabschiedet sich

27.4.2020, 13:24 Uhr
Elf Jahre lang war Thomas Sabo immer dabei, voller Leidenschaft und Emotionen. Jetzt heißt es, Abschied nehmen.

Elf Jahre lang war Thomas Sabo immer dabei, voller Leidenschaft und Emotionen. Jetzt heißt es, Abschied nehmen.

Der letzte Text. Doch was soll drinstehen? Noch einmal die Rettung schildern, damals im Insolvenz-Frühling 2009, oder leicht verschämt "fucking awesome" rezitieren, immer wieder "fucking awesome"? Noch einmal seine langen silbernen Haare beschreiben, seine enganliegenden schwarzen T-Shirts, seinen Auftritt im Gästefanblock, die ätzenden Beleidigungen abschreiben, die sie ihm in Ingolstadt und Iserlohn entgegengeplärrt hatten? Ihn noch einmal ehrlich lachen lassen oder weinen? Man sollte meinen, dass alles geschrieben worden ist über diesen Mann, der nie wollte, dass viel über ihn geschrieben wurde, der dann aber wohl doch alles gelesen hat. Das wird bei diesem Text zum Abschied nicht anders sein, der nun endlich dort beginnen soll, wo zuvor vieles zu Ende gegangen war.

Am Ende hat sich das Eishockey in Nürnberg im letzten Jahrzehnt immer auf die paar Quadratmeter zwischen dem offenen Eis und der Geborgenheit der Kabine verengt. Ehefrauen hatten hier gewartet, Kinder in viel zu großen Trikots, eingeschüchtert von der Lautstärke oder von dem riesigen Plüschtiger, der auch immer da war, Journalisten versuchten hier, nicht aufzufallen, was kaum möglich war, wenn Dr. Thomas Hirn, der Mannschaftsarzt, Umarmungen verteilte. Und immer, wenn es wichtig war, berührend oder aufwühlend, dann stand da auch: Thomas Sabo, glücklich, stinksauer, nachdenklich.

Es begann mit: Freibier

Als sich im Frühjahr 2009 herausstellte, dass nicht ein deutscher Milliardär und Besitzer einer Eishockeymannschaft in Kalifornien die Ice Tigers vor der Insolvenz rettet, kein kanadischer Telekommunikationsgigant und auch kein österreichischer Tankstellenmulti, sondern Thomas Sabo, 1961 in Tulln an der Donau geboren, der als Zehnjähriger mit seinen Eltern nach Lauf zog und von dort aus ein weltbekanntes Schmuckunternehmen entwickelte, als sich offenbarte, dass wieder ein vermögender Geschäftsmann für das Überleben des Nürnberger Profi-Eishockeys hat sorgen müssen, wurde Sabo gefragt, warum er sich das antue, obwohl ihm doch irgendjemand hatte erklären müssen, dass man als Hauptgesellschafter eines Eishockeyklubs in Deutschland viel Geld verlieren und niemals Geld verdienen wird, da hatte er von der Rasanz des Sports geschwärmt, von den Typen und von dem Potenzial; er hatte erzählt, dass er als junger Mann den tschechischen Weltstar Pavel Richter im schaurig-schönen Lindestadion hatte zaubern sehen. Er tue sich das an, sagte Sabo, weil er Fan sei.

In den wechselhaften, aber immer aufregenden elf Jahren danach, hat er dieses Versprechen, an dem Menschen, die in ihren selbstgestrickten rot-blau-geringelten Pullovern den Aufstieg des EHC 80 Nürnberg miterlebt hatten, nicht grundlos gezweifelt hatten, vielmals eingelöst. Das Freibier, das er im letzten Spiel 2009 sowohl auf dem Weg nach Mannheim als auch auf dem Rückweg hatte verteilen lassen, hatten ihm viele noch als anbiedernden Marketinggag ausgelegt.

Aber spätestens, als Sabo während eines Playoff-Spiels wutentbrannt aus seiner Loge die Stufen zur Bank der Gästemannschaft gestürmt war, um Trainer Pavel Gross und dessen Wolfsburger Team der Schauspielerei zu bezichtigen, wurde Sabo selbst von den leidenschaftlichsten Fans als einer der ihren akzeptiert. Sabo stand bei Auswärtsfahrten im Stehblock, sprach bei Saisoneröffnungs- und Saisonabschlussfeiern stets leidenschaftlich. Vor allem aber zeigte sich, dass er seine Versprechen stets einlöste.

Kein Spinner, kein Glücksritter

In Iserlohn versuchte man das Eishockey zu retten, indem die Spieler auf ihren Trikots für Gaddafis Grünes Buch werben sollten. In einem kleinen Vorort von Hannover sollen Vertragsverhandlungen durch die Präsenz eines Revolvers auf dem Tisch beschleunigt worden sein und Vertragsabschlüsse mit dem Schnupfen von weißem Pulver gefeiert worden sein. An jedem DEL-Standort erzählt man sich waghalsige Geschichten von Spinnern und Glücksrittern, die sich entweder selbst oder die Strahlkraft des Eishockeys überschätzt hatten, oder von Unternehmern, die die Lust an ihrem Spielzeug verloren hatten.

Die Befürchtung, dass Sabo diese illustre Reihe fortsetzen würden, war nicht unbegründet. Nach elf Jahren aber, in denen sich die Ice Tigers von einem farblosen Immer-mal-wieder-Krisenklub zu einem seriösen, zu einem sexy DEL-Mitglied entwickelt haben, darf man feststellen, dass Sabo zu keiner Sekunde zu jenen Mäzenen zählte, die dem Eishockey letztlich eher geschadet haben.

Er hatte den Mut, die Phantasie und das Gespür, ein Eishockeyspiel in einem Fußballstadion zu veranstalten. Sein Name sorgte dafür, dass sich die Ice Tigers in die Teilnehmerliste des legendären Spengler Cups eintragen durften. Mit seinem Geld hat er immer wieder am Ende des Jahres ein beträchtliches Minus ausgeglichen. Und vor allem hat Thomas Sabo einer Sportart, in der es Helden schwer haben, weil man sie unter ihren Helmen, hinter ihren Visieren nicht erkennt, ein Gesicht gegeben.

Zahllose Geschichten für den Sommer

Dass nicht jede seiner Personalentscheidungen glücklich war, verziehen ihm die Fans; Profis und Trainer verziehen ihm seine emotionalen Auftritte in der Kabine (und die abgebrühten Nordamerikaner freuten sich auf die Barbecue-Partys im Sommer, bei denen sie diese Geschichten aus Europa erzählen konnten). Er selbst musste Schiedsrichtern und dem Sport an sich verzeihen, dass es trotz seiner persönlichen Investition von einem eindrucksvollen zweistelligen Millionenbetrag nicht zu einem Meistertitel reichte. Niemals war er mehr Fan als im April 2018, als er zwischen dem Eis und der Kabine stand, erzürnt ob einer bizarren Abfolge von Fehlentscheidungen, die zum Ausscheiden seiner Ice Tigers geführt hatten, wütend und machtlos.


Klauseln und Krisengipfel: Gastner plant die Ice-Tigers-Saison


Am 1. Mai werden die Thomas Sabo Ice Tigers offiziell zu den Nürnberg Ice Tigers. Es heißt, dass alles gut wird – auch ohne ihn. Dass es noch einmal so aufregend wird, ist kaum vorstellbar.

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