Kommentar zur Strategie der Union nach der Wahl

Letzte Chance für Laschet und Söder

27.9.2021, 17:45 Uhr
In der "Berliner Runde" nehmen Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder Stellung zum schlechten Wahlergebnis ihrer Parteien.

© Sebastian Gollnow, dpa In der "Berliner Runde" nehmen Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder Stellung zum schlechten Wahlergebnis ihrer Parteien.

Wer ist schuld am Wahldebakel der Union vom Sonntag? Die Christsozialen am wenigsten, meinen sie. Tatsächlich hätte ein Kanzlerkandidat Markus Söder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein besseres Ergebnis eingefahren als Armin Laschet. Doch ihren Groll auf den CDU-Vorsitzenden, der partout nicht dem Besseren den Vortritt lassen wollte, können sie nicht freien Lauf lassen. Müssen doch jetzt beide gemeinsam versuchen, in Berlin noch zu retten, was zu retten ist, also eine Jamaika-Koalition zu zimmern. Sollten sie sich in Grabenkämpfen verhaken, können sie das Projekt gleich aufgeben.

Freie Wähler als Schuldige ausgemacht

Es gibt aber noch einen weiteren Schuldigen, nämlich den Freien-Wähler-Vorsitzenden und -Spitzenkandidaten, bayerischen Wirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger. Schon am Wahlabend wurde in der CSU an einer Art Dolchstoßlegende gestrickt: Durch die bundesweite Kandidatur der Aiwanger-Partei seien der Union jene Stimmen verloren gegangen, die nötig gewesen wären, stärkste Partei zu werden und sogar eine „bürgerliche Koalition“ mit der FDP zu schmieden.

Eine sehr gewagte These. Denn es gibt bei den Anhängern der Aiwanger-Partei nicht wenige, denen eher ihr Arm abfallen würde als dass sie ein Kreuz bei einer C-Partei machen würden. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass der komplette Stimmenanteil der Freien Wähler in Höhe von 2,4 Prozent der Union zugefallen wäre, hätte diese nur 26,7 Prozent auf die Waage gebracht. Die 11,5 Prozent der FDP hätten nie und nimmer für eine Regierungsmehrheit ausgereicht.

Der Ärger der CSU über die Freien Wähler wird freilich verständlicher, wenn man sich die Verhältnisse in Bayern ansieht. Hier fuhren die Freien Wähler 7,5 Prozent ein. Man darf durchaus davon ausgehen, dass davon ein ordentlicher Teil der CSU zugute gekommen wäre, wenn die Freien Wähler nicht auf dem Wahlzettel gestanden wären. Am Ende wäre für die CSU ein etwas ansehnlicheres Ergebnis herausgekommen als die schmählichen 31,7 Prozent. So gesehen ist die Wut der CSU auf den bayerischen Koalitionspartner zu verstehen.

Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler und stellvertretender Ministerpräsident in Bayern, sorgte mit einem Tweet am Nachmittag der Bundestagswahl für Aufsehen. Das könnte ihm noch Ärger einbringen. 

Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler und stellvertretender Ministerpräsident in Bayern, sorgte mit einem Tweet am Nachmittag der Bundestagswahl für Aufsehen. Das könnte ihm noch Ärger einbringen.  © dpa/Facebook

Der Unruhe stiftende Freie-Wähler-Chef Aiwanger hat dem Koalitionspartner am Sonntag zusätzliche Munition verschafft, indem er gesetzeswidrig Umfrageergebnisse mit der Aufforderung veröffentlichte, noch rasch bei seiner Partei das Kreuzchen zu machen. Aiwangers Einlassung vom Montag, hier sei ein „Missgeschick“ passiert, überzeugt nicht so recht. Irgendjemand muss sich doch die Aufforderung „Die letzten Stimmen bitte noch an uns“ ausgedacht, Zugang zum Aiwanger-Account besessen und dann noch versehentlich auf den Sendeknopf gedrückt haben. Wer, wenn nicht der Chef selbst?

Aiwanger will aufklären. Wir sind gespannt. Töricht war die Aktion auf jeden Fall. Und für einen führenden Landespolitiker schlicht unwürdig.

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