Die ästhetische Rolle

22.1.2015, 07:29 Uhr
Die ästhetische Rolle

© NN-Archiv

Norbert Weidner ist ein Entdecker. Vor Jahrzehnten aß er in New York das köstliche japanische Fingerfood und ist seitdem infiziert von Sushi. Um die Jahrtausendwende rannten ihm die Nürnberger seine Sushi-Bar „Hanabi“ in den früheren Hallen am Kohlenhof ein, seit zwei Jahren nun hat er mit der „“ in der Pirckheimerstraße ein neues Zuhause gefunden.

Doch heute steht er nicht als Koch im kargen Schulungsraum des Südpunkts. Er will 13 Frauen und Männern zwischen 20 und 60 im „Sushi Basics“-Kurs des Bildungszentrums Nürnberg beibringen, wie sie Sushi selbst zubereiten können. Der japanische Reis duftet bereits im Kocher, vor jedem liegen ein Holzbrett („Nicht zum Schneiden bitte, darauf sollt ihr das Sushi arrangieren!“), eine Matte aus Bambus und die (eigenen) Messer — das wichtigste Utensil — „nicht gezackt, sondern glatt“.

Es war ein Test damals, 1996 im „Lorenz“, ob die Nürnberger für Sushi bereit sind. „Wir haben über 2000 Adressen angeschrieben und eingeladen“, erzählt Weidner. Zusammen mit den früheren Besitzern des „“, Martin Hattenbach und Helmut Schmelzer, bekehrten sie die Franken. Und der Erfolg kam schnell: „Wir waren ein Jahr lang fast jeden Mittwoch ausgebucht“, sagt Norbert Weidner, der bei Meister Yokota San in Berlin das Rollen lernte.

Fettarm und gesund

Gestern wie heute singen Ernährungsexperten ein Loblied auf Sushi: Es ist ausgewogen und nährstoffreich durch die verwendeten Noriblätter aus gepresstem Seetang, fettarm sowie voller Mineralstoffe und Vitamine, enthält Jod und Vitamin B 12.

So heiß waren die Nürnberger auf die hübschen Röllchen, dass Hattenbach und Schmelzer im Frühjahr 1997 das „Sushi Glas“ eröffneten — bis heute eines der besten Sushi-Restaurants in Nürnberg und seit zwei Jahren in der Hand von Oliver Esch.

Heute gibt es in der Noris über 20 Sushi-Lokale. Wobei, so Norbert Weidner, nur wenige wirklich hohe Qualität und frischen Fisch bieten. Außerdem sind die meisten zwar in asiatischer, aber nur eine Handvoll in japanischer Hand.

Wenige Japaner

Im „Haru“ von Axel Müller in der Schieglinger Straße beispielsweise stehen immer Japaner hinter der Theke, sagt Geschäftsführerin Daniela Hänse. Auch das „Ishihara“ in der Schottengasse gehört einem Japaner. Die „Hiro Sakao“-Gruppe wurde ursprünglich von dem gleichnamigen Japaner und Lili Nguyen gegründet, heute leitet Frau Lili zusammen mit dem Japaner Atsuhito Suzuki die Lokale in Erlangen, Fürth und das „Kokoro“ am Klarissenplatz in Nürnberg.

„Es ist frustrierend, in Deutschland Sushi essen zu gehen“, sagt Martina Wagner-Onishi, Geschäftsführerin der deutsch-japanischen Gesellschaft für Nordbayern, die lange Jahre in Japan gelebt hat. Das Sushi sei meistens zu klein, statt Originalreis wird chinesischer Klebreis verwendet. Wobei sie relativiert: „Wer Sushi noch nie in Japan gegessen hat, sieht das sicher nicht so kritisch wie ich.“

Es ist noch kein Sushi-Meister vom Himmel gefallen, das merken auch die Teilnehmer im Südpunkt. Zunächst müssen sie mit dem scharfen Messer eine Gurke hauchdünn schälen, der Rest mit den Kernen verschwindet im Mund. Die Haut wird in feine, dünne Stifte geschnitten. Norbert Weidner erklärt den Unterschied zwischen Nigiri, den Stückchen mit Belag, und Maki, den Rollen, deren Zubereitung alle heute lernen sollen.

„Kein Pingpongball“

Norbert Weidner macht vorne mal vor, wie das geht mit dem richtigen Rollen (siehe unten). „Der Reis ist kein Pingpongball“, warnt er und drei Damen kichern. Zum Geburtstag hat Aurelia den Kurs geschenkt bekommen und sitzt jetzt zwischen ihren Arbeitskolleginnen.

In sechs Stücke soll die fertige Rolle zerteilt werden, nicht fünf oder drei, sonst schüttelt Weidner ärgerlich den Kopf und erklärt: „Sushi und Nigiri werden nie einzeln, sondern stets paarweise serviert.“ Das japanische Wort für „eine Scheibe“ ist nämlich ein Wortspiel für „jemanden umbringen“.

Sushi-Rollen ist also nicht nur eine Kunst, es beinhaltet auch Natürlichkeit, Harmonie und Ästhetik — die Grundprinzipien der japanischen Küche: Lebensmittel sollen möglichst wenig verändert werden, damit sie ihren Eigengeschmack behalten. Das Zusammenspiel der Zutaten, was Geschmack und Farbe betrifft, soll harmonisch sein. Und natürlich soll das Ganze auch noch ästhetisch und dekorativ aussehen. „Ich glaube“, sagt Aurelia beim Betrachten ihrer Maki, „ich gehe künftig doch lieber wieder Sushi essen.“ Ästhetik hin oder her: Geschmeckt haben die Rollen dennoch.

Wer einen Sushi-Kochkurs buchen möchte, kann sich anmelden bei Norbert Weidner unter (01 63) 7 52 53 78 oder beim Bildungszentrum Nürnberg unter www.bz.nuernberg.de

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

Alle Sushi-Restaurants in der Region finden Sie hier.

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