Corona-Pandemie: Mittelständische Unternehmen in der Krise

24.3.2020, 11:56 Uhr
Besonders mittelständische Unternehmen leiden unter der aktuellen Situation. Vor allem, wenn bei null Einnahmen Vorauszahlungen gleistet werden müssen.

© Stefan Brand, NN Besonders mittelständische Unternehmen leiden unter der aktuellen Situation. Vor allem, wenn bei null Einnahmen Vorauszahlungen gleistet werden müssen.

„Die gesamte Situation ist für so ein mittelständisches Unternehmen nicht einfach. Hauptproblem sind die kurzfristigen behördlichen Anordnungen, die teilweise überraschend kommen und wofür es kein Handlungsszenario gibt“, fasst es Armin Götz von der IGE zusammen. Zumal als Betrieb, bei dem der Mensch als Dienstleister im Vordergrund stehe und der vor allem im Bereich Touristik von Menschen lebe.



Götz musste beispielsweise alle Reisen im April und Mai, darunter einen große Dampfzugreise durch Europa mit über 250 Reiseteilnehmern aus ganz Europa, absagen. „Das ist für uns ein enormer Umsatzverlust, da gerade diese Reisemonate für uns mit die umsatzstärksten Monate des Jahres sind.“ Er möchte die Angebote in den Herbst legen, aber ob die Situation dann besser ist, wisse ja keiner.

Wie lange noch?

Das gelte auch schon für Reisen in den Monaten Juni und Juli. „Sollte die Reisefreiheit auch hier weiter eingeschränkt sein, können wir das Veranstaltergeschäft zumachen.“ Die Lage in der Branche sei daher sehr angespannt. Auch sei das Thema Fahrkartenverkauf noch nicht geklärt. Götz' Vorteil: Er hat noch den Güterverkehr, und der rolle grenzüberschreitend aus Gründen der Versorgungssicherheit. „Das Problem wird nur sein, wie wir unsere Lokführer in Zukunft zu den Einsatzorten bringen, wenn grenzüberschreitend keine Personenzüge mehr fahren.

“Das sei aber nicht die einzige Herausforderung: „Ich rechne damit, dass der Konjunktureinbruch im Güterverkehr mit einer Zeitverzögerung von zwei bis drei Wochen kommen wird.“ Im Mineralölbereich spüre die IGE bereits einen Rückgang der Transportmengen: Es fahren weniger Autos, und Flugzeuge heben immer seltener ab. „Spätestens ab Anfang April ist mit einem massiven Rückgang der Container-Transporte zu rechnen, da einfach keine Waren mehr aus China in den Häfen ankommen werden“, mutmaßt Götz.

Wichtig und tief

Er hofft daher in beiden Bereichen, dass „der Staat zu seinem Wort steht und alle Unternehmen finanziell unterstützt und wir dann rasch zur geregelten Arbeitsweise zurückkommen.“ Dass das auch wirklich geschieht, dafür setzt sich unter anderem die Industrie- und Handelskammer (IHK) ein. „Die angekündigten Sofortmaßnahmen der Staatsregierung zur Unterstützung von Betrieben, Kleinunternehmen und Selbstständigen sind wichtige Signale, um diese tiefgehende Krise zu bewältigen“, meint IHK-Präsident Armin Zitzmann.

Allerdings müssten diese Maßnahmen unbürokratisch und flexibel umgesetzt werden, um kurzfristige und existenzgefährdende Liquiditätsengpässe zu überbrücken. IHK-Präsident Zitzmann appelliert dennoch an die Firmen, im Sinne des „ehrbaren Kaufmanns“ kulant und verständnisvoll bei Stornierungen, ausbleibenden Zahlungen, Mietrückständen und anderen Unannehmlichkeiten zu sein.Einen ersten Schritt zur Unterstützung hat der bayerische Hotel- und Gaststättenverband gemacht: Er stundet seine Mitgliedsbeiträge, teilt er in einer Pressemeldung mit. Denn die „Umsatzeinbußen erreichen ein nie gekanntes Ausmaß und viele Betriebe haben keine ausreichenden Liquiditätsspielräume“.

TÜV setzt Prüfungen aus

Aussetzen, das tut auch der TÜV Süd: Er führt auf Grund der aktuellen Situation ab sofort in Bayern und Baden-Württemberg bis 19. April keine Theorie- und auch keine Praxisprüfungen mehr durch, so steht es in der Presse-Aussendung. Das werden die Fahrschulen zu spüren bekommen – insofern es nicht Laster oder Rettungswagen betrifft. Schon jetzt mussten ja bekannterweise „klassische und überwiegend stationäre" und auch „kleinere Einzelhändler“, wie es Textileinzelhändler Klaus Wiedemann schreibt, schließen: „Leider habe ich weder Klopapier, Nudeln, Mehl, Reis, etc. im Angebot.“

Der Teufel liegt laut Wiedemann im Detail: Die Läden, in denen die Bürger „Waren des täglichen Bedarfs einkaufen können“, dürfen geöffnet haben – aber was sei mit dem großen Drogeriemarkt, der Parfüm und Spielwaren hat? Bei diesen Mischbetrieben gelte das Schwerpunktprinzip: Der hat Drogerieartikel und darf damit seine anderen Artikel auch verkaufen. Und der Online-Handel gehe überall munter weiter, gibt Wiedemann zu bedenken.

Mehr als Essen

Eine gleiche Wettbewerbsverzerrung sieht der Ortsvorsitzende des Handelsverbands Bayern auch bei den großen Supermärkten mit ihren unzähligen Nonfood-Artikeln „wie Rasenmäher, Töpfen, Pfannen, Messern, Bohrmaschinen, Werkzeugen, Kaffeemaschinen, Toastern, Shirts, Nachtwäsche, BHs, Slips, etc“. Dürfen die das trotzdem alles verkaufen oder wer kontrolliert, dass sie es nicht machen, fragt er sich.

Denn: „Die Kosten für Miete, Personal, Nebenkosten, Warenrechnungen laufen weiter und die angekündigten Soforthilfen greifen aber nur, wenn man über keinerlei Rücklagen verfügt“, erklärt Wiedemann. Kredite müsse man zurückzahlen ... Daher hat der Handelsverband Bayern eine offizielle Anfrage an den bayerischen Wirtschaftsminister gestellt und auf diese Ungleichheiten hingewiesen. „Eine Antwort steht noch aus.“ Er bittet aus diesen Gründen, den ortsansässigen Händlern treu zu bleiben.

Stehend, nicht reisend

Die Frage nach Gleichberechtigung treibt auch Schausteller Jürgen Wild um. „Auch uns Marktkaufleuten und Schaustellern sind staatliche Hilfen versprochen, aber wie sollen wir diese beantragen?“ Die entsprechenden Formulare des Finanzamts gelten nur für stehendes Gewerbe, nicht für reisendes, erläutert er. Wild will sich in seiner Funktion im Landesverband der Schausteller und Marktkaufleute aber dafür einsetzen, dass er und seine Kollegen finanzielle Unterstützung erhalten.„Uns droht ein Totalausfall“, betont er.

Der Sommer werde zu kurz sein, um die jetzt entstehenden Verluste aufzufangen, und sollte der Virus im Herbst wieder aufflammen, fallen möglicherweise die Weihnachtsmärkte weg. Die meisten hätten keine Sicherheiten und seien wenig abgesichert.Mit dem Verdienst von den Weihnachtsmärkten komme er rund zwei Monate über die Runden, rechnet Wild vor. Im Frühjahr sind Versicherungen und Vorauszahlungen für Platzgelder zu leisten – und das jetzt bei null Einkommen: „Für uns ist die Situation besorgniserregend.“

Info des Landratsamts: Neben dem Sonderprogramm „Soforthilfe Corona“, das sich an Unternehmen mit Liquiditätsproblemen richtet, gibt es die Kurzarbeit. Die Zugangsvoraussetzungen sind von der Arbeitsagentur reduziert und die Leistung erhöht worden. Weitere Unterstützung soll eine vereinfachte Darlehensgewährung und die Stundung von Steuern bringen: www.stmwi.bayern.de/coronavirus.


Was soll ich tun, wenn ich selbst den Verdacht habe, an dem Virus erkrankt zu sein? Hier haben wir häufig gestellte Fragen zum Coronavirus zusammengestellt. Bayern hat wegen des Coronavirus den Katastrophenfall ausgerufen - das hat weitreichende Konsequenzen. Unter anderem fallen viele Großveranstaltungen in Franken aus oder werden verschoben.

Außerdem gelten bei Supermärkten nun geänderte Öffnungszeiten. Sollte man beim Einkaufen überhaupt noch mit Scheinen und Münzen zahlen? Ein Experte klärt auf, ob Corona auch über Geld übertragen werden kann.

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