Europäisches Miteinander in Hersbruck

8.4.2021, 13:17 Uhr
Fritz Körber, Armin Kroder, Robert Ilg und Peter Uschalt stellten die Anfrage aus Frankreich bei einer Pressekonferenz vor.

© Porta Fritz Körber, Armin Kroder, Robert Ilg und Peter Uschalt stellten die Anfrage aus Frankreich bei einer Pressekonferenz vor.

Die kleine, heute 2466 Einwohner zählende Gemeinde im Nordwesten von Limoges, der Hauptstadt der ehemaligen Region Limousin, ist untrennbar verknüpft mit dem schlimmsten Massaker, das die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg in Westeuropa verübte. Am 10. Juni 1944 trieben Mitglieder der SS-Panzerdivision "Das Reich" die Bewohner des kleinen Örtchens zusammen, sperrten die Frauen und Kinder in die Dorfkirche, stellten die Männer in Gruppen auf und eröffneten das Feuer. Danach zündeten sie die Kirche und das ganze Dorf an. 642 Zivilisten, darunter 254 Frauen und 207 Kinder, starben. Nur sechs Einwohner überlebten das Massaker, teils schwer verletzt.

Ein Ort der Mahnung

Jahrzehntelang waren Deutsche in dem Örtchen nicht willkommen. Als der frühere Bezirkstagsvizepräsident und Bürgermeister von Schwaig, Fritz Körber, 1983 zum ersten Mal dort sein Auto abstellte, blickte er in finstere Mienen und wurde auf Schritt und Tritt mit Argusaugen beobachtet. Bedrückend sei das gewesen, sagt er bei der Pressekonferenz in der Geruhalle, auf der Körber, Robert Ilg, Landrat Armin Kroder und Hersbrucks zweiter Bürgermeister Peter Uschalt die sich "anbahnende Freundschaft" (Ilg) der Öffentlichkeit vorstellten. Pandemiebedingt jedoch ohne Vertreter aus Frankreich.

Erst jetzt, 76 Jahre nach dem apokalyptischen Tag, wagte Oradours Bürgermeister Philippe Lacroix den lange Zeit undenkbaren Schritt, sich an Mittelfranken, den Partnerbezirk seiner Heimatregion Limousin, zu wenden mit dem Wunsch, mit einer hiesigen Kommune freundschaftliche Kontakte zu knüpfen, die selbst leidvolle Erfahrungen während des Nazi-Regimes machte. Fritz Körber musste nicht lange nachdenken: Da kam für ihn nur Hersbruck mit seiner KZ-Geschichte in Frage.

Drei Partnerschaften

Landrat Kroder bezeichnete den Wunsch der Stadtoberen von Oradour – der dort wohl noch immer nicht auf ungeteilte Zustimmung trifft – als "Gänsehautmoment" von europäischer Dimension. Als Bezirkstagspräsident sei er das Gesicht eines vielfältigen, bunten Bezirks, der für das Miteinander von Menschen stehe und Extremismus, Rassismus und vor allem Antisemitismus ablehne.

Seit 1981 pflege Mittelfranken Partnerschaften in viele Teile des von den Nationalsozialisten verwüsteten Europas. "Das jetzt zwischen Oradour und Hersbruck ist aber etwas ganz Besonderes", so Kroder. Hersbruck habe zwar schon drei lebendige Partnerschaften mit Lossiemouth, San Daniele und Hilterfingen-Hünibach, wenn sein französischer Amtskollege Lacroix nun aber den Wunsch an ihn herantrage, Freundschaft im Sinne aktiver Erinnerungsarbeit, Verzeihung und Prävention zu schließen, sei er sich der Verantwortung bewusst, so Ilg.

Hand wird gereicht

"Es brauchte lange Zeit, bis die Bevölkerung Oradours bereit war, auf die Nation zuzugehen, die ihnen und ihren Vorfahren das angetan hat", sagte Zweiter Bürgermeister Peter Uschalt, "wenn uns dann die Hand gereicht wird, dürfen wir sie nicht ausschlagen." Das sähen im Übrigen auch alle Vorsitzenden der fünf Stadtratsfraktionen so, ergänzte Ilg.

Damit das "nun gesäte Samenkorn auch aufgeht" (Uschalt) hofft Ilg darauf, dass sich neben der Politik die breite Bevölkerung, Sportvereine, Verbände und Kirchen einbringen. Diese freundschaftlichen Bande könnten dann gerne in eine Partnerschaft münden, so der Rathauschef.

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