Polizist wütet gegen Gaffer: Jetzt äußert sich sogar der Innenminister

23.5.2019, 06:00 Uhr
Polizist wütet gegen Gaffer: Jetzt äußert sich sogar der Innenminister

© Foto: News5/Grundmann

Bei der Verkehrspolizei in Feucht steht das Telefon nicht mehr still. Medienvertreter und viele Privatleute aus der gesamten Republik wollen mit dem "Helden von der Autobahn" reden, ihm gratulieren: Stefan Pfeiffer heißt der Einsatzleiter, der sich nach einem tödlichen Lastwagenunfall bei Schwabach einige Gaffer vorknöpfte.

Der psychologische Kniff des Polizeidirektors und Chefs der Inspektion in Feucht im Nürnberger Land wirkt zunächst recht rustikal: Er bot filmenden Transporterfahrern an, die Leiche des 47 Jahre alten Unfallopfers anzuschauen. Es war freilich nicht seine Absicht, das zuzulassen, aber die paradoxe Intervention wirkte.

Die Handys verschwanden. Und Pfeiffer kassierte die ohnehin fälligen 128 Euro Bußgeld ab. "Schämen Sie sich!", sagte er den Gaffern deutlich ins Gesicht.

Unaufgeregte Analyse

Lob kam bereits vom obersten Chef. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fand den Kniff angemessen: "Das Verhalten vieler Gaffer ist unverschämt und unverantwortlich", schreibt Herrmann auf Facebook. "Ich freue mich, dass der Polizeikollege das einigen Gaffern auch mal emotional nahegebracht hat."

Emotional war Pfeiffer (54), er ärgerte sich auch über die Gaffer auf der Gegenfahrbahn, doch er hatte keine Chance, sie zu verwarnen. Ganz unaufgeregt analysierte er, dass er bei einem Eingriff auf der Gegenfahrbahn den ohnehin langen Stau noch enorm verlängern würde.

Um die Personalien aufzunehmen, müsste er die Autobahn sperren. Außerdem würde er seine Kollegen auf der Autobahn unnötig in Gefahr bringen. Aber er dokumentierte die Gaffer mit seinem Handy.

"Es ist frustrierend, das immer immer wieder zu erleben", sagt Pfeiffer. Er und seine Kollegen versuchten es schließlich mit der direkten Konfrontation: Sie hielten zehn Wagen, deren Fahrer beim Gaffen erwischt wurden, an. "Wir hatten einige, denen wir gesagt haben, wenn sie wollen, dann können sie an die Unfallstelle kommen, um den Toten anzuschauen. Das wollten sie dann doch nicht", berichtet Pfeiffer.

Bei aller Emotionalität: Pfeiffer setzte die paradoxe Intervention ganz kühl ein: "Sie müssen merken, was sie tun und wir stellen fest, dass das direkte Konfrontieren mit der Situation die Leute schockiert und klarmacht, dass das kein Spiel ist, sondern bittere Realität."

Blitzschnell verbreitete sich die Nachricht von der Schocktherapie für Gaffer auf Facebook und Twitter. Erst vor wenigen Tagen hatte der Bundesrat den Bundestag aufgefordert, endlich strengere Gesetze gegen Schaulustige einzuführen. Kommentatoren in den sozialen Medien hatten gleich Vorschläge: "Führerscheinentzug an Ort und Stelle." Eine Facebook-Nutzerin schrieb dazu: "Ich war Unfallopfer und kenne diese Gafferei. Es ist entwürdigend für ein Unfallopfer und die Angehörigen."

Andere forderten, Stefan Pfeiffer gleich zu befördern. Dafür sind allerdings mehr Kriterien nötig als Zustimmung auf Facebook.

Der Fall erinnerte an einen Feuerwehrmann, der im November 2017 Gaffer in Unterfranken mit einer unkonventionellen Waffe bekämpfte. Er spritzte sie nass. Die Polizei reagierte zunächst verärgert. Aber die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg sah keinen Hinweis auf eine strafbare Handlung. Ohnehin sei der "Spritzdruck" nur gering gewesen.

Was Pfeiffer da gemacht hat, nennt Rainer Nachtigall, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), eine "zielgruppenorientierte Ansprache". Der Dienststellenleiter der Verkehrspolizeiinspektion (VPI) Feucht habe deshalb deutlich und sehr laut sprechen müssen, weil die "Autobahn kein Ort der Stille" sei. "Außerdem sind Lkw-Fahrer nicht gerade alle Feingeister."

Absurde Lage

Die Bußgelder sind in jüngerer Vergangenheit zwar erhöht worden, das begrüßt der DPolG-Vorsitzende auch. Das Problem allerdings sei die Ahndung der "Gaffer", zumal die Polizisten am Einsatzort in erster Linie etwas anderes zu tun hätten, als "sensationsgierige Verkehrsteilnehmer" zu verfolgen. Das heißt, die Konsequenz in Form eines Bußgeldes bekommen Gaffer oft gar nicht zu spüren. "Man müsste dafür extra Polizeistreifen an die Einsatzorte schicken", sagt er. Doch das sei absurd.

Ob Stefan Pfeiffer Konsequenzen aus seinem Verhalten drohen? Der Dienststellenleiter sei seit zehn Jahren bei der VPI Feucht, er bringe einiges an Erfahrung mit, so Nachtigall. "Er hat ja niemanden beleidigt. Aus unserer Sicht gibt es keine Grundlage für disziplinarische Folgen."

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