Mit Hilfe der Diakonie

Borderline und Drogensucht: "Systemsprenger" Markus R. findet seinen Weg in die Gesellschaft

vnp

24.2.2023, 14:55 Uhr
Markus R. möchte liebe anonym bleiben.

© Iris Lederer, NN Markus R. möchte liebe anonym bleiben.

"16i SGB II Teilhabe am Arbeitsmarkt" - hinter diesem Paragraphen verbergen sich Menschen mit Einzelschicksalen, die durch die „Förderung von Teilhabe am Arbeitsmarkt“ wieder im Leben Fuß fassen. Die Diakonie im Nürnberger Land/Neumarkt bietet mehreren Personen ein Arbeitsverhältnis auf dieser Basis.

Markus R. hat sich bereit erklärt, anonymisiert über sich und die Bedeutung seiner Arbeit zu reden. Markus wurde als Säugling von seiner leiblichen Mutter zur Adoption freigegeben. Sie konnte sich aufgrund ihrer Drogensucht nicht um das Neugeborene kümmern.

Borderline diagnostiziert

Er wuchs in München auf und hatte bereits in der Grundschule Therapien wegen Verhaltensauffälligkeiten. In der Adoptivfamilie war er ohne Geschwister und die Eltern hatten eine unharmonische Beziehung. Markus wurde von seinem Vater geschlagen, während die Mutter alkoholsüchtig war.

Bereits in der Pubertät wurde bei ihm das Borderline-Syndrom diagnostiziert, das u.a. mit dem Wunsch einhergeht, sich selbst zu verletzen. Früh begann er, seine Symptome selbst mit Alkohol und Marihuana zu betäuben und es folgten soziale Schwierigkeiten. In der Schule konnte er mit dem Lernstoff nicht mithalten und seine Eltern waren überfordert.

Als Teenager lebte er daher in einer Therapeutischen Wohngruppe. Nachdem er in keinem gängigen Hilfesystem wirklich aufgefangen werden konnte, kam er als Systemsprenger in ein Projekt, das Erziehungshilfe für problembelastete Jugendliche leistet. Dort wurde er individuell von einem Pädagogen begleitet.

Den Pädagogen beschreibt er als „konsequent, „straight“ (direkt) und „fair“, der als Vorbild nicht nur anwies, sondern alles vorlebte: Holz hacken, Wasser aus dem Brunnen holen, Putzen, Kochen – die körperliche Arbeit gab Struktur und tat ihm gut. Er lernte Motorradfahren, angelte und machte seinen qualifizierten Mittelschulabschluss über die ILS Fernschule.

Ausbildung im Handwerk trotz Rückfall

Im Anschluss absolvierte er ein Praktikum in einem Handwerksbetrieb und begann dort eine Ausbildung. Trotz eines Rückfalls in die Alkoholsucht, schloss er die Ausbildung ab. Danach kam er durch einen „Freund“ mit Heroin in Kontakt und das Leben drehte sich nur noch um die Geldbeschaffung für den nächsten Schuss.

Nach einer Panikattacke war er drei Monate in der Psychiatrie und lernte dort seine damalige Freundin kennen, mit der er nach Nürnberg zog. In Erlangen ging er auf Entzug in die Klinik. In der Zeit wäre er fast gestorben, da die Bauchspeicheldrüse sich „verabschiedet hatte“, er an schwerer Diabetes litt und Methadon, das er zur Substitution (Ersatz) für Heroin bekam, sich nicht mit Alkohol vertrug.

Er überlebte, bekam seine körperlichen Probleme in den Griff und traf im Jobcenter auf eine sehr engagierte und unterstützende Mitarbeiterin, die ihn an die Diakonie Nürnberger Land - Neumarkt vermittelte. Er machte zunächst ein Praktikum in einem der Projekte und wurde dann auf 2-Euro-Basis übernommen. „Markus kam zu uns mit einem ganzen Paket an Herausforderungen,“ so Melanie Ketterer von der Diakonie.

"Viel Zeit bleibt auf der Strecke"

Eine „normale“ Arbeit ist auch wegen der Substitution nicht einfach. „Es gibt viel zu wenig Ärzte, die das anbieten. Dadurch sind die Menschen gezwungen, tägliche weite Wege zu fahren, Markus beispielsweise nach Nürnberg. Dadurch bleibt viel Zeit auf der Strecke und ein Arbeitgeber muss sehr flexibel sein.“ Nach und nach wurden aus dem großen Herausforderungspaket von Markus „kleinere Päckchen“.

Inzwischen arbeitet er in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis 30 Stunden/Woche. Hierbei übernimmt das Jobcenter die ersten zwei Jahre alle Kosten, danach jedoch nur noch 80 Prozent. Ohne diese Unterstützung nach dem Paragraphen „16i“ wäre eine Gewöhnung an ein reguläres Berufsleben nicht möglich. „Wir hoffen sehr, dass wir eine Finanzierung durch Spenden bekommen, um Markus auch danach bei uns anzustellen“, so M. Ketterer.

„Mir bedeutet es sehr viel hier zu arbeiten“, erzählt Markus. Es gibt mir Selbstbewusstsein, Sinn und erstmals konnte ich 2022 sogar mit meiner Freundin ein paar Tage an die Ostsee in den Urlaub fahren. Ich wünsche mir nichts mehr, als hier weiterhin bleiben zu können.“

Spendenkonto der Diakonie: Sparkasse Neumarkt, IBAN: DE71 7605 2080 0000 0002 40 Foto (Iris Lederer): Markus R.

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