Geflügelpest: Wie die Stallpflicht den Tieren zusetzt

9.4.2021, 06:01 Uhr
Geflügelpest: Wie die Stallpflicht den Tieren zusetzt

© Foto: Lidia Piechulek

Fünf stahlblaue Pommernenten kuscheln miteinander – das ist der erste Eindruck. Inmitten von Flügeln, Hälsen und Schnäbeln kann man die bildschönen, seltenen Tiere kaum auseinanderhalten. Ein friedlicher Anblick an einem der bislang wenigen, warmen Frühlingstage.

Die Tiere sind in einem rund 1,5 Quadratmeter großen "Außenstall" untergebracht: Ein vergittertes Rechteck, auf dem eine Klarsichtfolie, die mit einem Ziegelstein beschwert ist, vor dem Eintrag der Geflügelpest durch Wildvögel schützen soll. Fünf Pommernenten und fünf Antwerper Bartzwerge teilen sich diesen kleinen Bereich im Freien. Er stellt seit rund acht Wochen das Maximum an Freiheit für sie dar. Ihr Halter, Werner Dörntlein, ist Mitglied im Treuchtlinger Geflügelzuchtverein. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden, Manuel Frey, erzählt er sehr freimütig von der aktuellen Situation.

Ausmisten wird zum Problem

Um nicht zu sagen: Dem Missstand. "Die Tiere laufen buchstäblich in ihrer eigenen Scheiße", entfährt es Frey. Denn ein Ausmisten des Stalls ist derzeit kaum möglich. Die Tiere könnten dabei davonlaufen, und wenn dann das Veterinäramt kommt, und sie draußen sind, "dann war’s das." Werner Dörntlein hat sich mittlerweile darauf verlegt, des nachts auszumisten: Mit einer Taschenlampe, wenn seine Hühner ruhig auf der Stange sitzen und auch die Enten selig schlafen.

Geflügelpest: Wie die Stallpflicht den Tieren zusetzt

© Foto: Lidia Piechulek

Der Züchter hat mittlerweile erste Auffälligkeiten im Verhalten seiner Tiere bemerkt. Die Hühner reißen sich die Federn raus, auch gegenseitig, aus schierer Langeweile. Sie haben angefangen, die gelegten Eier aufzupicken und auszuschlürfen. Jetzt, wo die Tage wärmer und länger werden, staut sich die Hitze in den Ställen und die Tiere werden bald aggressiver werden, so die Züchter.

Die Zucht steht still - aus Sorge

Seit am 13. Februar der Geflügelpest-Sperrbezirk ausgerufen worden ist, sind sie alle auf wenigen Metern eingepfercht. Obwohl nun die Zeit wäre, sich um Nachwuchs zu bemühen, tun die Mitglieder des Vereins das bislang nicht. Zu groß ist die Sorge, dass die kleinen Küken buchstäblich in der Hackordnung ganz unten landen würden. "Wenn wir nicht wissen, wie lange das noch dauert, können wir nicht mit der Zucht loslegen", moniert Frey.

Wie die Leiterin des Veterinäramtes am Landratsamt des Landkreises Weißenburg-Gunzenhausen auf Nachfrage mitteilte, könne man aber ein solches Datum unmöglich nennen. Erst kürzlich, am 18. März, wurde in Unterwurmbach ein toter Wildvogel aufgefunden, der das Geflügelpest-Virus in sich trug. "Solange das Seuchengeschehen nicht zur Ruhe kommt", sei eine Aufhebung jedenfalls nicht in Sicht, erklärt Dr. Miriam Wittke-Stockhausen.

Das geringere Übel?

Das Landratsamt ist bei dieser Maßnahme an eine zentrale Risikobewertung für Bayern gebunden, die das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vornimmt. Erst wenn von dieser Instanz Entwarnung gegeben wird, hat das hiesige Landratsamt die Möglichkeit, die Stallpflicht aufzuheben.

Gerd Obernöder erfüllte sich den Traum vom eigenen Hühnermobil im vergangenen Herbst: normalerweise "wandern" seine 350 Legehennen in einem Hühnermobil von Ort zu Ort. 

Gerd Obernöder erfüllte sich den Traum vom eigenen Hühnermobil im vergangenen Herbst: normalerweise "wandern" seine 350 Legehennen in einem Hühnermobil von Ort zu Ort.  © Foto: Lidia Piechulek

Es gehe vor allen Dingen darum, die wiederkehrenden Ausbrüche im Wildvogelbestand aus dem Hausgeflügelbestand herauszuhalten, da sonst noch gravierendere Maßnahmen greifen müssten. Laut Dr. Wittke-Stockhausen würde aktuell noch Schlimmeres verhindert: Bei einem erneuten Ausbruch im Hausgeflügelbestand würden wieder Restriktionszonen ausgewiesen werden müssen, in denen dann für alle Geflügelhalter zusätzlich etliche Einschränkungen gelten.


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Beispielsweise wäre dann die Abgabe von Eiern, Geflügel und Geflügelfleisch aus den betroffenen Geflügelhaltungen verboten. Mangels Alternativen appelliert sie an die Tierhalter, geeignete Bedingungen im Freien zu schaffen, etwa durch eine Überdachung des Außenbereichs.

Aus Freiland- würde bald Bodenhaltung

Gerd Obernoeder, ein Landwirt aus Osterdorf, hat eine solche Lösung für seine 350 Legehennen knapp eine Woche nach dem Einsetzen der Stallpflicht Mitte Februar durch das Veterinäramt absegnen lassen.


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Seine Hennen befinden sich nun in einer alten Lagerhalle, die er mit Stroh sowie Weizen und Gerste zum Scharren ausgelegt hat. Daran angebaut hat er einen offenen Bereich, der von allen Seiten umzäunt ist, das vergitterte Dach ist mit einer Folie vor dem Eintrag des Erregers gesichert. "Aktuell geht es den Tieren gut", erzählt Obernoeder. Würde die Stallpflicht allerdings insgesamt 16 Wochen andauern, dann könnte er seine Eier offiziell nicht mehr als "Eier aus Freilandhaltung", sondern nur noch als "Eier aus Bodenhaltung" vermarkten. Insgesamt jedoch habe er in seinem Betrieb Glück gehabt, weil er seinen Legehennen trotz der Stallpflicht angenehme Bedingungen bieten kann.

Im Treuchtlinger Geflügelzuchtverein ist die Situation eine andere, weil die Räumlichkeiten begrenzt sind. Zudem würde den Enten und Gänsen nicht etwa der Auslauf fehlen, sondern vielmehr das Wasser, das ihr natürlicher Lebensraum ist.


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Was dem Verein aber vor allen Dingen fehlt, ist Planungssicherheit. Denn sowohl die Pandemie als auch die Geflügelpest sind Konstanten, die niemand von ihnen beeinflussen kann. Im November 2020 und im Januar haben die Züchter bereits zwei Ausstellungen aufgrund des andauernden Lockdowns ausfallen lassen, die für sie eine wichtige Einnahmequelle gewesen wären.

Wenn sie nicht baldmöglichst wissen, ob sie guten Gewissens mit der Nachzucht beginnen können, ist ein weiteres Zuchtjahr in Gefahr. Und damit auch die Einnahmen des Vereins. Im Grunde genommen gleicht ein Gespräch über die Zukunft des 130-jährigen Vereins gerade einem Blick in die Glaskugel. "Und das Schlimmste ist, das kein Ende in Sicht ist", bringt es Manuel Frey auf den Punkt.

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