Go-Ahead hat zwei Jahre Zeit für Verbesserungen

25.6.2020, 06:04 Uhr
Go-Ahead hat zwei Jahre Zeit für Verbesserungen

© Fabian Sommer/dpa

Warum übernimmt Go-Ahead die Strecke?

Seit der Bahnreform von 1994 werden in ganz Deutschland die Verkehrsleistungen per Wettbewerb europaweit ausgeschrieben. Im Freistaat ist dafür die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) zuständig. Ziel des Wettbewerbs ist es, staatliche Zuschüsse für den Schienenverkehr möglichst effizient zu nutzen.

Go-Ahead hat den Zuschlag für das von der BEG und dem Land Baden-Württemberg ausgeschriebene Los 1 der sogenannten Augsburger Netze erhalten. Das betrifft den Verkehr auf den Strecken von Augsburg über Donauwörth, Treuchtlingen, Gunzenhausen und Ansbach nach Würzburg sowie von München über Augsburg nach Ulm und von Donauwörth über Nördlingen nach Aalen.

Von Dezember 2022 bis Dezember 2034 soll der private Eisenbahnbetreiber in Franken und Schwaben unterwegs sein. Ein Jahr zuvor soll bereits das E-Netz Allgäu von Go-Ahead betrieben werden. Die Trasse von München über Memmingen nach Lindau wird gerade elektrifiziert. Das Schwesterunternehmen Go-Ahead Baden-Württemberg betreibt im Nachbarbundesland die Strecken von Stuttgart nach Nürnberg sowie von der Landeshauptstadt nach Karlsruhe, Ulm und Aalen.

Welche Probleme hat das Unternehmen derzeit in Baden-Württemberg?

Seit vergangenem Dezember war das Unternehmen, das eine Tochterfirma des gleichnamigen britischen Betreibers ist, auch für die "Frankenbahn" zuständig. Die etwa 180 Kilometer lange Strecke verbindet Stuttgart über Heilbronn mit Würzburg. Die Deutsche Bahn mit ihrer Tochter DB Regio war bei der Ausschreibung wegen eines formalen Fehlers nicht zum Zug gekommen.

Nach der Übernahme durch Go-Ahead klagten Fahrgäste über technische Probleme, zu volle und unpünktliche Züge. Zwischenzeitlich musste DB Regio mit Doppelstockwagen aushelfen. Im Mai zog das Verkehrsministerium einen Schlussstrich und schickte Go- Ahead in eine zweijährige Zwangspause. Nach den Sommerferien soll übergangsweise ein anderer Betreiber die Strecke bedienen – womöglich die DB.

Grund für die Probleme war neben fehlenden und fehlerhaften Neufahrzeugen auch ein Mangel an Lokführern. Der bisherige Geschäftsführer legte vor gut zwei Wochen seinen Posten nieder und verließ das Unternehmen. Ihm folgen zwei Mitarbeiter des Mutterkonzerns nach.

Wie weit sind die Planungen in Bayern?

Go-Ahead hat hier nach der Vergabe quasi bei Null begonnen. Der Sitz des Unternehmens befindet sich in Augsburg, von dort aus läuft die Vorbereitung. So wurden bei Siemens zwei Zugtypen bestellt, die dann im weiß-blauen Design durch die Region rollen sollen. Im Februar kaufte das Unternehmen ein Grundstück in Langweid, 15 Kilometer nördlich von Augsburg, um dort für 30 Millionen Euro eine Werkstatt zur Instandhaltung seiner 78 Triebzüge zu bauen. Es liegt in einem Gewerbegebiet unweit des Bahnhofs Gablingen und wird von dort ans Bahnnetz angeschlossen. Bis zu 30 Mitarbeiter soll die Werkstatt beschäftigen.

Insgesamt will Go-Ahead Bayern etwa 400 Arbeitsplätze schaffen. Vor gut einem Monat hat der zweite Kurs für jeweils 15 angehende Lokführer begonnen. Sie lernen zunächst die technischen Zusammenhänge und Sicherheitsvorschriften, danach geht es in die Praxis, und nach elf Monaten und einer Abschlussprüfung dürfen sie dann selbst Züge fahren.

Lokführer sind laut Go-Ahead-Pressesprecher Winfried Karg bundesweit gesucht. Rund 1000 fehlen in der Branche. Man suche "gezielt Quereinsteiger mit gutem technischen Verständnis, die bereit sind, auch im Schichtdienst zu arbeiten". Für das Los 1 der Augsburger Netze gehe Go-Ahead von einem Bedarf von rund 140 Lokführern und ebenso vielen Kundenbetreuern aus, für das E-Netz Allgäu von jeweils ungefähr 40. Dazu kommen Mitarbeiter für Leitstelle und Verwaltung.

Zunächst hatte es geheißen, dass auch in Treuchtlingen und Ansbach Kundenbetreuer eingesetzt würden. Diese Pläne sind laut Karg jedoch passé, in keiner der zwei Städte werde Go-Ahead nach aktuellem Stand Kundenzentren betreiben. Schon im Kasten sind dagegen die Bandansagen im Zug – mit rollendem "R" und "schwäbischer Grundfärbung", so das Unternehmen. Sie kommen von der gebürtigen Donauwörtherin und BR-Reporterin Barbara Leinfelder.

Rechnet Go-Ahead in Bayern mit ähnlichen Problemen wie in Baden-Württemberg?

"Wir hatten in Bayern mehr Vorlauf und haben als junges Unternehmen in Deutschland auch dazugelernt", sagt Go-Ahead-Sprecher Karg. Ein großes Problem seien in Baden-Württemberg die vielen Baustellen gewesen – unter anderem durch den Großbahnhof Stuttgart 21.

Darüber hinaus wurden dem Betreiber zufolge im Nachbarbundesland die Fahrzeuge "so knapp vor Betriebsstart geliefert, dass keine Zeit für Erprobungsfahrten und die Beseitigung von Kinderkrankheiten blieb". Keines der dortigen Fahrzeug habe bisher die vertragliche Abnahmereife erreicht. Dennoch sei der Betrieb inzwischen "erfreulich stabil".

 Dieser Darstellung widerspricht nun der Hersteller Stadler Rail: „Tatsächlich standen Go-Ahead ab März 2019 durchgängig mindestens acht bis zehn Fahrzeuge vor Ort in Baden-Württemberg zur Verfügung, die für Ausbildungs-, Trainings- und Testfahrten eingesetzt werden konnten. Diese Möglichkeit wurde von März bis Juni jedoch nach den Stadler vorliegenden Erkenntnissen nur in sehr geringem Umfang genutzt, so dass Triebfahrzeugführer im Umgang mit den Zügen unerfahren waren", teilt eine Sprecherin von Stadler Rail mit.

Für das E-Netz Allgäu rechnet Go- Ahead mit einer pünktlichen Fertigstellung Ende 2020 und keinen größeren Baustellen nach der Betriebsaufnahme. Auch gehe man von einer früheren Fahrzeuglieferung aus, Anfang 2021 soll es soweit sein. Die Firma Stadler, die die dortigen Züge liefert, unternehme derzeit die ersten Testfahrten. Die Firma Siemens, die die Triebzüge für die Augsburger Netze baut, sei schon seit einiger Zeit mit den Vorbereitungen beschäftigt, zudem sei ein Zeitpuffer eingeplant.

Selbst im Fall eines ungeregelten Brexit rechnet Karg nicht mit Schwierigkeiten, da Go-Ahead Deutschland ein selbstständiges Unternehmen sei. Die britische Beteiligung spielt auch nach Auffassung der BEG keine Rolle, für Vertragsbeziehungen und Betrieb gelte deutsches Recht.

Wie sogt die BEG dafür, dass Go-Ahead ab 2022 mit den bestellten Leistungen fährt?

Die BEG ist nach eigenen Angaben "seit vielen Monaten im engen Kontakt mit Go-Ahead Bayern". Dazu gehöre eine strikte Überwachung der Vorbereitungen und des Zeitplans samt "Darstellung von Lösungen bei sich andeutenden Problemen". Die BEG poche regelmäßig auf die Einhaltung aller Vorgaben und Fristen – bei der Fahrzeuglieferung ebenso wie bei Personalplanung, Werkstatt- und Wartungskonzept. Bei einer Gefahr für die Inbetriebnahme sei Go-Ahead zu Ersatzleistungen verpflichtet – gegebenenfalls durch Subunternehmen oder Ersatzbeauftragung durch die BEG. Bei schwerwiegenden Problemen könne die BEG den Verkehrsvertrag auch kündigen.

Der Artikel wurde am 26. Juni um 12.40 Uhr um eine Stellungnahme des Zugherstellers Stadler Rail ergänzt.

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