Insektizideinsatz gegen Schwammspinner am Nagelberg

10.3.2020, 05:57 Uhr
Insektizideinsatz gegen Schwammspinner am Nagelberg

© Archivfoto: Marianne Natalis

Die Bilder vom Burgstallwald in Gunzenhausen gingen vergangenes Jahr durch ganz Bayern: Eine Schwammspinner-Plage hatte den Wald, in dem hauptsächlich Eichen stehen, kahlgefressen. Nun wurden die Eigelege des Falters auch am Treuchtlinger Nagelberg entdeckt – und das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) will zügig handeln.

Betroffen ist bislang das Südende des Nagelbergs mit Flächen von 17 Privatwaldbesitzern sowie der Stadt Treuchtlingern. Revierförster Markus Bernholt hat den Eigentümern eine mögliche Gegenmaßnahme vorgestellt – das Spritzen eines Pflanzenschutzmittels. Das Insektizid Mimic soll Ende April im Auftrag und auf Kosten des bayerischen Landesamts für Wald und Forstwirtschaft mit dem Hubschrauber über dem Nagelberg ausgebracht werden. Die Tiere nehmen das Mittel mit der Nahrung auf, es bewirkt, dass die noch unreifen Larven sich früher Verpuppen und dadurch sterben.

Insektizid aus dem Obstbau

Das Ausbringen des Mittels auf der Fläche soll nur etwa 10 bis 15 Minuten dauern, an dem Tag selbst wird der Wald für Besucher gesperrt. "Das Mittel wird bereits im Obst- und Weinbau eingesetzt", so Bernholt. Es richte sich nur gegen Schmetterlinge und schade den Bienen etwa nicht. Dennoch werde den Besuchern des Waldes geraten, bis zu zwei Wochen nach dem Einsatz beispielsweise keine Beeren zu pflücken. Nach aktuellem Wissen lösen sich die Rückstände unter UV-Licht (also Sonnenlicht) auf und sollen nicht krebserregend sein.

Der Schwammspinner an sich ist für die meisten Menschen nicht gefährlich, anders als etwa der Eichenprozessionsspinner, bei dem die Härchen der Raupen allergische Reaktionen auslösen können. Der Schwammspinner ist jedoch gefräßig und macht sich an den Bäumen zu schaffen. Ganz neu ist er in Bayern nicht, bislang waren vor allem die warmen Gebiete in Unterfranken betroffen. Durch den Klimawandel und die wärmeren Sommer im südlichen Mittelfranken scheint er nun auch hier heimisch zu werden.

Vor allem in Eichenwäldern ist der Schwammspinner anzutreffen und frisst dabei im Frühjahr die Triebe der Bäume. Bei einer geringen Anzahl von Tieren sei das auch kein Problem, da die Bäume meist ein zweites Mal im Jahr erneut austreiben (Johannistrieb Ende Juni), wenn sich die Raupen längst zu Schmetterlingen entwickelt haben, so Bernholt. Die Situation im vergangenen Jahr in Gunzenhausen war allerdings extrem: Die Raupen haben im Burgstallwald nicht nur die Eichen abgefressen, sondern auch sämtliche andere Laubbäume – und selbst vor Nadelbäumen und Gras haben sie nicht Halt gemacht. Anschließend breiteten sich die Tiere in die benachbarten Gärten der Bewohner sowie im Waldbad aus.

Am Treuchtlinger Nagelberg gehen die Verantwortlichen nun neue Wege. Denn dort stehen hauptsächlich Buchen, die sehr früh und dann auch kein zweites Mal im Jahr treiben. Schon bei zwei Eigelegen pro Stamm sei die kritische Schwelle erreicht, am Nagelberg sind es deutlich mehr – vor allem in den Kronen der Bäume. Sollte der Schwammspinner dort alles kahlfressen, bliebe das auch für den Rest des Jahres so.

Bislang gebe es bayernweit nur zwei bis drei andere bekannte Fälle von Schwammspinnern in Buchenwäldern, die Erfahrungswerte sind also gering. Sollten die Bäume jedoch mehrere Jahre hintereinander abgefressen werden, könnten die auch absterben, so der Förster. Zwar stelle der Einsatz des Mittels einen Eingriff in das Ökosystem dar, allerdings könnte es auch Folgen haben, nicht zu handeln: "Die Kronenbrüter verlassen ihre Nester und der Boden trocknet aus", nennt Bernholt mögliche Schäden, wenn sich die Raupen durch den Bestand fressen.

Die betroffene Fläche macht etwa 60 Hektar aus – gut die Hälfte des Nagelbergs. Der Hubschrauber könne das Mittel bei Windstille metergenau verteilen, weshalb auch Flächen von Privatwaldbesitzern ausgenommen werden können, wenn diese keine Befliegung wünschen. "Früher mussten die Besitzer aktiv widersprechen, nun wird die Zustimmung abgefragt", so Bernholt. Die Frist lief am vergangenen Freitag ab, zuvor wurden die Eigentümer bei einer Versammlung in Graben informiert. In einem ersten Stimmungsbild hätten sich die meisten Privatleute für den Einsatz des Mittels ausgesprochen.

Die Mitglieder des Treuchtlinger Bauausschusses haben sich in ihrer jüngsten Sitzung auch für die Befliegung der städtischen Flächen ausgesprochen. Auch die Naturschutzbehörden widersprechen der Anwendung des Mittels nicht. Dennoch gibt es Flächen, die nicht behandelt werden, vor allem an den Waldrändern, am Hochbehälter und der Kriegsgräberstätte.

Diskussion über Waldumbau

Im Ausschuss entspann sich die Diskussion, ob der Einsatz eines Pflanzenschutzmittels in Ordnung sei. Klaus Fackler (UFW), als Mitarbeiter des Landschaftspflegeverbands selbst mit dem Thema vertraut, ist einem Einsatz von Insektiziden eigentlich negativ gegenübergestellt, findet es aber in diesem Fall gerechtfertigt. "Es ist eine Notmaßnahme und keine Dauerlösung", so Fackler. Er plädiert dafür, den Waldumbau auch angesichts der zunehmenden Trockenheit voranzutreiben und Baumarten zu pflanzen, die gegenüber dem Schwammspinner resistent sind. In Gunzenhausen sind etwa der Feldahorn und der Walnussbaum von den Raupen verschont geblieben.

Marco Satzinger (CSU) lehnt den Einsatz des Pestizids ab, vor allem, weil es sich beim Nagelberg nicht um einen reinen Eichenwald handele. Ludwig Schmidbauer vom Weißenburger AELF gab zu bedenken, dass auch in Eichenwäldern die Buche angegangen worden sei. Außerdem sei das Mittel eines der gemäßigteren, die auf dem Markt verfügbar sind.

Mehrheitlich waren die Mitglieder des Bauausschusses für den Einsatz des Insektizids. Einen Rechtsanspruch auf die Befliegung gebe es allerdings nicht, die Behandlung kann auch aus wichtigen Gründen abgesagt werden, so Bernholt. Etwa wenn sich das Tier in anderen Gebieten Frankens viel stärker ausbreitet. Eine Dauerlösung sei das ganze nicht, denn das Mittel dürfe nur zwei- bis dreimal pro Jahrzehnt ausgebracht werden.

Über den Hubschraubereinsatz wird die Öffentlichkeit dann rechtzeitig informiert – durch einen Hinweis im Treuchtlinger Kurier und Schilder am Nagelberg.

1 Kommentar