Zentralstelle zieht Bilanz

Betrug im Gesundheitssystem: Teststations-Betreiber soll 260.000 Euro ergaunert haben

17.11.2021, 14:26 Uhr
In Bayern sind zahlreiche gefälschte Impfzertifikate im Umlauf. Von Nürnberg aus werden die Betrüger ermittelt.

© Stefan Puchner, dpa In Bayern sind zahlreiche gefälschte Impfzertifikate im Umlauf. Von Nürnberg aus werden die Betrüger ermittelt.

Abgerechnete Corona-Tests in Nürnberg, die jedoch nie durchgeführt wurden, gefälschte Impfausweise aus einer Münchner Apotheke - zur Bekämpfung der Pandemie werden Milliarden in das Gesundheitssystem gepumpt, doch die Summen locken auch Kriminelle an. Der Gesundheitssektor ist angesichts seiner Umsätze ohnehin anfällig für Betrug und Korruption, und dies nicht erst, seit unsaubere Geschäfte mit Masken die Ermittler auf den Plan rufen.

254 Verfahren hat die "Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen" (ZKG) mit Sitz in Nürnberg als Bayerns zentrale Ermittlungseinheit von den drei Schwerpunktstaatsanwaltschaften (Nürnberg, München und Hof) übernommen. Binnen eines Jahres hat die Behörde weitere 197 Verfahren selbst eingeleitet.

"Beim Großteil der Verfahren geht es um Betrugstaten im Gesundheits- und Pflegebereich. Gerade in der Pandemie setzen sich die Mitarbeiter im Gesundheitswesen mit großer Hilfsbereitschaft ein - doch es gibt auch schwarze Schafe", so Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU), der für die Pressekonferenz eigens nach Nürnberg gekommen ist. Am 15. September 2020 wurde die ZKG in Nürnberg gegründet. Ein Team aus Spezialstaatsanwälten um den Leitenden Oberstaatsanwalt Richard Findl nimmt seither bayernweit besagte "schwarze Schafe" im Gesundheitssektor ins Visier.

Betrug und Korruption im Gesundheitswesen können viel Schaden anrichten - sie reißen nicht nur finanzielle Löcher bei Krankenkassen und Versicherungen, sondern gefährdet ist auch die Gesundheit von Patienten. Und in der Pandemie, so Richard Findl, "schlägt auch die Stunde der Betrüger".

Die drei größten Betrugsfälle

Todesfälle in der Seniorenresidenz Schliersee: Die Staatsanwaltschaft München ermittelte wegen der Todesfälle, Körperverletzung infolge von pflegerischer Vernachlässigung steht im Raum. Nachforschungen der ZKG schlossen sich an - und verwiesen auf den verhängnisvollen Zusammenhang von Kostendruck, Pflegemängeln und Betrug. In der Seniorenresidenz wurde "systematisch zu wenig Personal beschäftigt", jedoch wurde "voll abgerechnet". Findl: "Dies zeigt, bei Abrechnungsbetrug geht es nie nur um Geld. Der Pflegebetrug trifft die Schwächsten - hier die Pflegebedürftigen in der Seniorenresidenz. Und der Profit wird auf dem Rücken der überlasteten Pflegekräfte generiert."

Betrug mit Impfnachweisen: Das Bundeskriminalamt und das Landeskriminalamt stellten gefälschte Impfzertifikate sicher, sie wurden im Darknet verkauft, pro Stück wurden 180 bis 350 Euro erlöst. Die Bezahlung erfolgte per Bitcoin. Allein in den ersten zwei Oktoberwochen 2021 sei es zu 604 Fällen gekommen, die Impfzertifikate wurden durch eine Münchner Apotheke ausgestellt. Zwei Beschuldigte wurden festgenommen, sie sitzen seit Oktober in Untersuchungshaft.

Schnelltests zu Unrecht abgerechnet: Seit Mai 2021 betrieb ein 34-jähriger Mann Schnelltest-Zentren in Nürnberg, er ist weder Mediziner noch Apotheker. Nach Durchsuchungen der Generalstaatsanwaltschaft am 11. Oktober 2021 hat sich der Verdacht erhärtet, dass der Mann weit mehr Tests abrechnete, als tatsächlich durchgeführt wurden. 260.000 Euro soll er zu Unrecht erhalten haben. Die Ermittlungen laufen, der Betreiber der Teststationen sitzt wegen Fluchtgefahr in U-Haft. Er soll seit 3. Mai 2021 mehrere Corona-Teststationen betrieben haben, angeblich erhielt er von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern 260.000 Euro ausbezahlt. Bei der Durchsuchung wurden 100.000 Euro gepfändet, beteiligt waren zwei Staatsanwälte der ZKG und 70 Polizeibeamte.

425 Milliarden Euro wurden im Gesundheitssektor im vergangenen Jahr im Deutschland umgesetzt - eine Summe, die Betrüger magisch anzieht, schließlich gibt es etwas zu holen. Die bayerische Justiz, so der Staatsminister, will das Gesundheitswesen daher mit einem starken Team schützen. In der ZKG sind um Oberstaatsanwalt Richard Findl 14 Staatsanwälte beschäftigt, drei Abrechnungskräfte aus dem Gesundheitswesen und eine IT-Fachkraft verstärken das Team.

Die ZKG setzt auch auf anonyme Hinweisgeber: Zum 1. Oktober wurde im Internet ein Hinweisgeber-System für Korruption im Gesundheitswesen eingeführt - die Seite wurde bereits 2000 Mal besucht, bis heute gab es bereits mehr als 45 Meldungen.

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