Doppelter Protest gegen Sozialabbau

1.5.2019, 14:45 Uhr
Doppelter Protest gegen Sozialabbau

Von einem großen Polizeiaufgebot begleitet, zogen schon am Vorabend des 1. Maies nach Angaben des Veranstalters rund 250 überwiegend junge Antifaschisten in einer großen Schleife durch die Stadt. Bei mehreren Kundgebungen forderten sie unter anderem mehr kommunales Engagement auf dem Wohnungsmarkt und ein selbstverwaltetes Jugendkulturzentrum.

Anliegen, die auch am darauffolgenden Tag der Arbeit im Fokus standen. Hatten vergangenes Jahr noch der Tarifstreit im Klinikum und ein Pegida-Aufmarsch die Fürther Maikundgebung geprägt, gab es heuer auch ohne solchen Sprengstoff noch genug Missstände zum Anprangern. Etwa die Spaltung der Gesellschaft mit Ghettobildung, der man in Fürth nach den Worten von Oberbürgermeister Thomas Jung Paroli bieten will. Die Probleme auf dem Wohnungsmarkt führt Jung auch auf das starke Wachstum der Stadt zurück. Das könne nicht endlos so weitergehen. Und nach der Tarifeinigung am Klinikum sprach sich der OB klar gegen eine Privatisierung aus.

Solidarität schwindet

Das Altersspektrum der laut Polizei etwa 600 Teilnehmer der Maidemo und Kundgebung am Grünen Markt reichte von der 20 Monate alten Fürtherin Milena, die von ihren Eltern im Kinderwagen geschoben wurde, bis zum 84-jährigen Theodor Pichl der seit 1954 nur an zwei Maiveranstaltungen krankheitsbedingt gefehlt hat.

Was dem ehemaligen MAN-Arbeiter Sorge bereitet, ist der von ihm beobachtete Schwund an Solidarität unter den Beschäftigten. Am 1. Mai Flagge zu zeigen für eine humanere Arbeitswelt ist für ihn ebenso selbstverständlich, wie für den Gewerkschafter Hubert Kohlich, der die Zunahme schlecht bezahlter und befristeter Jobs beklagt. Von der Angst der 1500 Fürther Beschäftigen des IT-Dienstleisters Atos berichtete Betriebsrat Manfred Maier. Das Unternehmen plane bis 2021 einen massiven Personalabbau durch Verlagern ganzer Abteilungen ins Ausland und Ausgliedern an Dienstleister. Obendrein solle der Rotstift beim Gehalt angesetzt werden.

Der Stress nimmt zu

Auf die wachsende Arbeitsbelastung machte Anita Zwirner aufmerksam. Als Pflegekraft mit 30-jähriger Berufserfahrung auf der Intensivstation gehört sie heute zu den Ausnahmen. Durchschnittlich halten es ihre Kolleginnen nur sieben Jahre in dem Beruf aus. "Viele flüchten in Teilzeit und müssen sich dann mit geringerem Einkommen durchschlagen", sagte Zwirner. Eine Entwicklung, die sie auf den Abbau von Pflegestellen bei gleichzeitiger Zunahme der Patienten und verkürzter Liegezeit im Klinikum zurückführt.

Einen leidenschaftlichen Appell für mehr Menschlichkeit in der Gesellschaft steuerte der katholische Dekan André Hermany bei. Vor allem Arbeitskräfte, die den Dreck der Gesellschaft beseitigen, hätten größere Wertschätzung verdient. Und der Streit über Religionen ist für Hermany "das Blödeste, was man tun kann." Europa sei keine Frage von Ländern, sondern ein Zusammenschluss vielfältiger Menschen. Den gelte es mit Zuneigung zu erfüllen und gegen die Angriffe von Rechtspopulisten zu verteidigen.

Vorgaben für Sozialwohnungen

Vor blindem Vertrauen auf die regulierende Kräfte des Marktes bei den Wohnungen warnte der Fürther Sozialforumssprecher Stephan Stadlbauer. Damit die Schlechtverdiener nicht weiter ins Abseits gedrängt werden, forderte er eine kommunale Vorgabe für den Anteil von Sozialwohnungen bei Neubauprojekten.

Auch eine deutliche Erhöhung des Mindestlohnes haben sich die Fürther Maidemonstranten auf ihre Fahnen geschrieben. Der OB stimmte mit ein: "Es ist wichtig, dass Menschen gute Arbeit haben, von der sie ohne Aufstocken leben können."

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