Streit um verkaufsoffene Sonntage: Fürths OB ist "tief besorgt"

23.6.2020, 18:38 Uhr
Streit um verkaufsoffene Sonntage: Fürths OB ist

© Foto: Hans-Joachim Winckler

"Angetrieben von einer tiefen Sorge um den Einzelhandel", so beschreibt er es selbst, hat auch Fürths Rathauschef Thomas Jung (SPD) den Appell der mittelfränkischen Oberbürgermeister und Landräte an Ministerpräsident Markus Söder unterzeichnet. Genauso wie Landrat Matthias Dießl (CSU).


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In dem Schreiben bitten die Politiker die Staatsregierung, darum, verkaufsoffene Sonntage in diesem Ausnahmejahr anders handhaben zu dürfen als sonst. Genauer: sie von konkreten Anlässen "entkoppeln" zu dürfen.

Normalerweise sieht die Rechtslage so aus: Nur bei bedeutsameren Veranstaltungen (und maximal vier Mal im Jahr) können Kommunen die Sonntagsöffnung erlauben. Doch solche Veranstaltungen fallen seit März der Corona-Pandemie zum Opfer – und damit auch etliche verkaufsoffene Sonntage. Das Verbot von Großveranstaltungen wurde zuletzt bis Ende Oktober verlängert.

So droht mancherorts ein Jahr ohne die zugkräftigen Extra-Tage. Zum Beispiel in Stein, das drei Termine geplant hatte: Mit dem Stadtfest und der Kirchweih fallen bereits zwei davon weg. Und ob der Weihnachtsmarkt, an den der dritte gebunden ist, stattfinden darf, stehe in den Sternen. "Ich habe schon Sorge, wie sich das Virus nach der Urlaubszeit verhält", sagt Steins Bürgermeister Kurt Krömer (SBG).

Er hatte selbst bereits Mitte Mai an Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) geschrieben und um eine Sonderregelung fürs Corona-Jahr gebeten. Etliche Unternehmer und Einzelhändler hätten diesen Wunsch an ihn herangetragen. Das Anliegen könnte viele Kommunen betreffen, prophezeite Krömer. Aiwangers Antwort stehe noch aus: "Bisher habe ich nur Reaktionen von Abgeordneten bekommen, die das Ansinnen teilen." Zurzeit werde vieles vom Ministerium geregelt, sagt Krömer. Das sollte in dieser Angelegenheit doch ebenfalls möglich sein.


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Auch Landrat Matthias Dießl hatte schon vor dem jüngsten Appell ein Schreiben an die Staatsregierung geschickt. Eine Sonderregelung, die heuer verkaufsoffene Sonntage ohne Anlass ermöglicht, wäre eine "wichtige Unterstützung in einer schwierigen Phase". Der Handel, der schon vom Lockdown "sehr gebeutelt" wurde, werde durch den Wegfall der Veranstaltungen noch einmal hart getroffen.

Dießl betont allerdings: Ihm gehe es um die Abfederung der Corona-Folgen – "nicht um eine generelle Änderung". Das unterscheidet ihn von der Fürther Stadtspitze, die sich seit längerem eine neue gesetzliche Grundlage wünscht. "Ich will keine Ausweitung", stellt Wirtschaftsreferent Horst Müller klar. Aber: Die Kommunen sollten grundsätzlich bis zu vier Einkaufssonntage im Jahr festlegen können, ohne sie an Anlässe knüpfen zu müssen. Dies scheitere stets an der CSU-Mehrheit im Landtag.

"Gerade Fürth hatte sie richtig, richtig nötig"

Verkaufsoffene Sonntage seien eine ungemein wirksame Werbung fürs örtliche Angebot, so Müller. "Gerade Fürth hatte sie richtig, richtig nötig – und hat sie immer noch nötig." An solchen Tagen nämlich kämen Menschen aus dem Umland her, die sehen, was sich hier alles getan hat. "Und die kommen wieder."

Nur auf Druck der Sonntagsallianz, in der Kirchen und Gewerkschaften gegen verkaufsoffene Sonntage kämpfen, hat Fürth ihre Zahl 2019 von vier auf drei (einer während des Frühlingsmarkts, zwei während der Michaelis-Kärwa) reduziert und sie räumlich beschnitten. Der Sonntagsallianz indes geht das nicht weit genug, eine Klage steht im Raum.

Dass sich der DGB sofort gegen Ausnahmen für 2020 sträubte, hat OB Thomas Jung empört zur Kenntnis genommen: Man sehe doch bereits, dass Filialen in Innenstädten zusperren. Oder dass Nürnberg mit den Karstadt-Schließungen 300 Arbeitsplätze verlieren könnte. "Verkaufsoffene Sonntage bringen Menschen in Bewegung", sagt der Rathauschef. "Amazon und Co. brauchen das nicht." Der Widerstand der Gewerkschaften spiele ihnen in die Hände. "Es geht wirklich um viel."


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Fürths evangelischer Dekan Jörg Sichelstiel – Mitglied der Sonntagsallianz – findet Bemühungen um ein attraktiveres Zentrum mit mehr Grün, mehr Aufenthaltsqualität und einem Mobilitätsmix wesentlich hilfreicher als den Sonntagstrubel. Und er sagt: "Was wir während der Corona-Zeit gelernt haben, ist: Auszeiten tun gut. Abstand tut gut. Gedränge nicht."

Er würde jedoch nichts einwenden, sagt er, wenn 2020 trotz Ausfall des Kirchweihumzugs die Läden öffnen würden – "außer der besorgten Frage", ob unser Wirtschaftssystem, das auf ,immer mehr‘ ausgerichtet sei, wirklich zukunftsfähig ist.


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