Gunzenhäuser gedenken "blutigem Palmsonntag"

27.3.2014, 15:38 Uhr
Gunzenhäuser gedenken

© Natalis

Am 25. März 1934 zog ein Mob durch die Altmühlstadt, die grölende Menge holte jüdische Mitbürger gewaltsam aus ihren Häusern, misshandelte sie, viele wurden ins Gefängnis verschleppt. Zwei bezahlten diesen orgiastischen Gewaltausbruch mit ihrem Leben: Max Rosenau und Jakob Rosenfelder überlebten die Nacht nicht.

Lange Zeit wurden diese Ereignisse, mit denen das mittelfränkische Städtchen vor 80 Jahren traurige Berühmtheit erlangte, tunlichst unter den Teppich gekehrt, niemand wollte sich daran erinnern. Dieses Denken gehört der Vergangenheit an. Längst sind die „menschenverachtenden Übergriffe“, so Federschmidt, den hier lebenden Menschen „Verpflichtung und Auftrag“. Deshalb haben sich am Jahrestag über 400 Menschen im Lutherhaus versammelt, um der heute unfassbaren Geschehnisse zu gedenken. Sie haben, stellte Federschmidt mit Blick auf die vielen Zuhörer dankbar fest, mit ihrer Anwesenheit „ein Zeichen gesetzt“.

Was im Einzelnen an jenem Palmsonntag passierte, ist bekannt, Stadtarchivar Werner Mühlhäußer schilderte im weiteren Verlauf des Abends noch einmal minutiös die beschämenden Geschehnisse. Doch wie konnte es dazu kommen? Diese oft gestellte Frage lässt sich bis heute nicht schlüssig beantworten. Wie kam es in einem Ort, an dem das Zusammenleben von Juden und Christen jahrhundertelang funktionierte, plötzlich zu so einem hemmungslosen Gewaltausbruch gegenüber Mitbürgern? Schon 1919 tauchten erstmals antisemitische Flugblätter und Plakate in Gunzenhausen auf, sehr früh etablierte sich hier eine NSDAP-Ortsgruppe.

Das erste Hitler-Denkmal

Dass die braune Saat in Mittelfranken auf fruchtbaren Boden fiel, zeigte sich noch an einem anderen traurigen Alleinstellungsmerkmal: Im Burgstall wurde deutschlandweit das erste Hitlerdenkmal errichtet. Dies alles in „unserer Stadt“.

Federschmidt bringt in seiner Rede die Fassungslosigkeit, die man angesichts einer solchen historischen Bürde verspüren muss, einfühlsam auf den Punkt. Die Fassungslosigkeit, aber auch das dankbare Wissen darum, dass es eben in dieser Stadt längst viele Mitbürger gibt, die dafür einstehen, dass sich „Geschehnisse wie damals in Gunzenhausen nie mehr wiederholen“. Wenn heute Extremisten versuchen, die Menschen mit scheinbar einfachen Lösungen zu ködern, sei die Zivilgesellschaft aufgerufen, hinzu­sehen und moralische Grenzen zu setzen.

Pfarrer Claus Bergmann erinnerte daran, dass am Palmsonntag in Gunzenhausen von alters her Konfirmation gefeiert wird, ein besonderer Tag also. Was im Vorfeld des abendlichen Pogroms an diesem Festtag in der Stadtkirche geschah, das versuchte der Geistliche zu ergründen und kam zu dem Schluss, dass zumindest nicht von der Kanzel aus zu dem abendlichen Pogrom aufgerufen worden war.

So umfangreich die Berichterstattung über die Konfirmation, so beschämend die Aufmerksamkeit, die die Zeitung damals den blutigen Ausschreitungen schenkte: Gerade einmal elf karge Worte, zwei Zeilen fand Stadtarchivar Mühlhäußer, in denen den Lesern mitgeteilt wurde: „Durch Selbstmord schieden aus dem Leben Max Rosenau und Jakob Rosenfelder.“

Zum Gelingen der Gedenkfeier trugen auch alle Gunzenhäuser Schulen bei. Schüler der 3. und 9. Klassen sowie der Q 12 am Simon-Marius-Gymnasium gestalteten Litfasssäulen rund um das Thema jüdisches Leben in Gunzenhausen sowie einen Flyer.

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