"Ob Beutel oder Maske": Folienexperte Verpa stellt recyclebaren Mundschutz her

24.11.2020, 05:58 Uhr

© Foto: Jürgen Eisenbrand

Begonnen hat alles Mitte März, mit einer Einladung ins bayerische Wirtschaftsministerium. "Ich weiß eigentlich gar nicht, warum wir damals mit am Tisch saßen", wundert sich Verpa-Geschäftsführer André Baumann noch heute ein wenig. "Denn eigentlich konnte ich zur Lösung des Problems, dass es zu wenige Mund-Nasen-Schutzmasken gab, nichts beitragen." Doch das sollte sich wenig später grundlegend ändern.

Denn Baumann beließ es nicht bei schweigendem Zuhören. "Wir haben im Anschluss an dieses Treffen intensiv nachgedacht und schnell festgestellt, dass die Produktion dieser Masken im Prinzip das Gleiche ist wie die von Kunststoffbeuteln." Und auf diesem Gebiet hat die 1979 gegründete Verpa GmbH, die 20 Jahre später das Gunzenhäuser Unternehmen All Plastic übernahm, jede Menge Erfahrung und Innovationskraft.


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Zwar besteht die superdünne "Verpalin"-Folie, die Verpa seit 1986 als eingetragenes Warenzeichen führt und weiterentwickelt, aus Polyethylen (PE), die Masken hingegen aus Polypropylen (PP). "Aber wir haben trotzdem schnell gemerkt, das ist was für uns", erinnert sich Baumann. "Ob Beutel oder Maske – die Herstellung ist ähnlich."

Hochhygienisch und vollautomatisch

Also habe man sich mit einem Maschinenbauer zusammengetan, rund eine Million Euro in die Hand genommen und gemeinsam eine Fertigung entwickelt, die seit gut vier Wochen im Gunzenhäuser Werk in der Industriestraße ihren Dienst verrichtet. Das Herstellungsverfahren sei "deutschlandweit einmalig", heißt es: "Die gesamte Produktion erfolgt vollautomatisch ohne jeglichen menschlichen Kontakt – und damit hochhygienisch." Zudem sei man dank dieser Automatisierung "konkurrenzfähig mit Herstellern aus Asien", sagt Baumann.

© Foto: Jürgen Eisenbrand

Wer als Laie neben der etwa zwölf Meter langen Produktionsstraße steht, kann sich einer gewissen Faszination kaum entziehen. Von drei großen Vliesrollen, zwei weißen, einer blauen, die jeweils etwa 7000 Meter des Materials enthalten, bewegen sich die drei Lagen einer Verpa-Mund-Nasen-Maske unaufhörlich auf jene Stelle zu, wo sie blitzartig verschweißt und zugeschnitten werden.

Kaum sind die Ohrbügel fixiert, werden die Masken portioniert und in einen handelsüblichen Folienpack eingeschweißt. Erst am Ende der Fertigung kommt der Mensch ins Spiel, der die Plastikpäckchen in kleine, bunte Schachteln steckt, ehe diese wiederum in großen Versandkartons landen.

400 Masken pro Minute können hier produziert werden, bis zu 500.000 Stück am Tag, wie Marco Stenglein, der Leiter des Werks in Gunzenhausen, nicht ohne Stolz vorrechnet. Und zwar, wie er und Baumann ebenfalls betonen, nicht irgendwelche Nullachtfünfzehn-Masken, sondern solche, die laut einer DIN-Zertifizierung "höchste Qualitäts- und Hygienestandards erfüllen". Und die man auf Wunsch sogar noch mit einer Werbebotschaft oder einem Firmenlogo bedrucken könnte.

Die Masken bestehen aus bis zu drei Lagen, wobei die höchste Qualitätsstufe, die auch für den Einsatz bei Klinikpersonal gedacht ist – das Zertifizierungsverfahren als Medizinartikel läuft –, ein besonders kräftiges "Meltblown-Vlies" enthält. Selbiges preist Verpa als "Goldstandard im Kampf gegen Viren, Bakterien, Aerosoltröpfchen, Stäube oder gesundheitsschädigende Fasern" an.

Verschiedene physikalische Effekte, etwa dessen elektrostatische Aufladung, sorgten dafür, "dass Partikel erst gar nicht durch das extrem feinporige Netz des Meltblown-Vlieses gelangen bzw. an seinen Fasern haften bleiben. So können Mikropartikel am Eindringen in den menschlichen Organismus über die Atemwege gehindert werden". Insbesondere zur Vermeidung von Tröpfcheninfektionen wie beim Coronavirus sei dies essentiell.

Um die produktionstechnisch möglichen Mengen auch in den Markt zu bringen, hat das Familienunternehmen aus Weidhausen bei Coburg eigens einen Vertriebsexperten eingestellt, einen Online-Shop für Geschäfts- und Privatkunden aufgebaut – und sogar eine eigene Unternehmenssparte gegründet: Verpa Healthcare (etwa: Gesundheitsschutz).

Masken zu 100 Prozent recyclingfähig

Dort grübelt man nun nicht nur über weitere Medizinprodukte made by Verpa, sondern führt auch Gespräche mit langjährigen Geschäftspartnern, unter anderem aus dem Lebensmittelbereich. Und man hofft, dass die hauseigenen, aus nur einem Material gefertigten und deshalb zu 100 Prozent recyclingfähigen Masken schon bald in deren Regalen stehen – und möglichst häufig gekauft werden.

Überhaupt: Recycling. Den Verpa-Führungskräften ist das Imageproblem ihrer Branche (Stichwort: Plastikmüll) durchaus bewusst, weshalb sie nicht nur für jede Tonne produzierter Folie alljährlich ein Bäumchen pflanzen (2019 waren das 60.000). "Unser Ziel ist es, bis 2025 eine CO2-neutrale Produktion aufzubauen", sagt André Baumann. Es sollten eigene Recycling-Kreisläufe aufgebaut beziehungsweise vorhandene erweitert werden, wozu erst im vergangenen Jahr ein neues Recyclingzentrum am Stammsitz in Oberfranken seinen Betrieb aufnahm. Und weil das Unternehmen viel Strom verbraucht, entstand – ebenfalls in Weidhausen – bereits eine erste firmeneigene Photovoltaikanlage.


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"Jeder muss in seinem Bereich etwas tun", entgegnet Baumann jenen Zweiflern, die sich nicht vorstellen können, dass das globale Plastikmüll-Problem von Franken aus gelöst werden könne. Und er versichert, dass es sich bei den Bemühungen seines Unternehmens nicht um bloße "Werbebotschaften" handle: "Wir wollen echt was machen."

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