Waldverjüngung: Warum es ohne die Jagd nicht geht

9.2.2021, 06:04 Uhr
Waldverjüngung: Warum es ohne die Jagd nicht geht

© Jürgen Leykamm

Schon der Ort macht deutlich, dass es gar nicht so einfach ist, die richtigen Stellen für die Begutachtung zu finden. Gemäß dem über den gesamten Freistaat gelegten Raster müsste eine solche nämlich direkt auf dem Parkplatz des Naturschutzgebiets Buchleite stattfinden.


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Da dort aber keine Jungbäume wachsen, kommt ein kompliziertes Verfahren zum Einsatz. Denn einfach frei Hand dürfen die Stichproben nicht genommen werden, wie Jürgen Stemmer, Leiter des in Gunzenhausen ansässigen Forstbereichs des Weißenburger Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), erklärt. Stattdessen wird so lange eine gedachte, sich zunehmend vergrößernde Spirale um den vorgesehenen Punkt gelegt, bis diese auf die nächste mögliche Verjüngungsfläche trifft..

Waldverjüngung: Warum es ohne die Jagd nicht geht

© Jürgen Leykamm

Die war bei der Begehung denn auch schnell gefunden, sodass Forstoberinspektor und Klimafachmann Georg Siegl, bald um einen Fluchtstab herum exemplarisch mit verschiedenfarbigen Wäscheklammern die Jungpflanzen verschiedener Höhen markieren konnte. Auf einem Formblatt notierte Stemmers Stellvertreter Ludwig Schmidbauer eifrig mit: Um welchen Baum handelt es sich? Liegt ein Verbissschaden oder ein Fegeschaden (durch das Reiben des Geweihs) vor? An fünf Stellen rund pro Aufnahmepunkt wird die Situation geprüft – erst dann darf der Inventurpunkt abgehakt werden.

Von diesen Punkten gibt es allein im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen rund 340. Das bedeutet, dass von Mitte Februar bis Ende April rund 7000 Einzelbäume untersucht werden. Ausdrücklich dazu eingeladen sind Jagdvorsteher, Jagdgenossen, Eigenjagdbesitzer und Revierinhaber. Aufgrund der Corona-Vorgaben soll heuer allerdings pro Aufnahmepunkt nur je ein Vertreter von Waldbesitzern und Jägern dabei sein. „Um genau planen zu können, bitten wir deshalb um Anmeldung bis spätestens Aschermittwoch, 17. Februar“, appelliert Stemmer. Nach dem wohl weitgehend ausfallenden Kehraus geht es also in den Wald.

Nur drei "grüne" Hegegemeinschaften

Nach Abschluss der „Inventur“ werden die Daten von Mai bis Juni von der bayerischen Forstverwaltung ausgewertet. Die Ergebnisse landen dann auch bei den 13 Hegegemeinschaften im Landkreis, die Einwände geltend machen können. Vor drei Jahren stufte das Gutachten nur drei von ihnen (Alesheim, Gelbe Bürg und Hahnenkamm Nord) als „grün“ ein, bescheinigte ihnen also einen „tragbaren Verbiss“.

Waldverjüngung: Warum es ohne die Jagd nicht geht

© Jürgen Leykamm

Zudem treffen die Revierförster für ihre Bereiche nötigenfalls noch ergänzende „revierweise Aussagen“. Auch sie fließen ins Vegetationsgutachten ein – eine Differenzierung, die beim Ortstermin in Markt Berolzheim alle Seiten befürworteten. Jürgen Schweininger und Eckhard Freist, Vorsitzende der Jägergemeinschaft Weißenburg beziehungsweise der Forstbetriebsgemeinschaft Pappenheim-Weißenburg, empfahlen diese auch für jene Hegegemeinschaften, die dazu nicht verpflichtet sind.

Schweininger begrüßte es zudem, dass die Aufnahmepunkte dieses Mal ausschließlich von den ortskundigen Revierförstern ausgesucht wurden. Das sei vor drei Jahren anders gewesen, was „zu Unregelmäßigkeiten geführt hat“, wie Stemmer einräumte. AELF-Chef Hans Walter verwies diesbezüglich auf den „enormen personellen Aufwand“ des Verfahrens, das durch das Einbeziehen aller Beteiligten für größtmögliche Transparenz und Akzeptanz sorge.

"Rehe sind Feinschmecker"

Das hehre Ziel ist letztlich der Aufbau von Wäldern mit klimatoleranten Baumarten. Doch genau deren Jungpflanzen stehen ganz oben auf der Speisekarte des Wilds. „Rehe sind Feinschmecker“, so Schmidbauer. Zuviel Verbiss bedeute, dass der angestrebte Mischwald wieder „entmischt“ wird. Eine Regulierung des Wildbestands sei daher unumgänglich. „Der Waldumbau wird nie ohne die Unterstützung der Jagd funktionieren. Deshalb sind die jagdlichen Aktivitäten existenziell wichtig“, erläuterte Stemmer.

Zäune sind den Fachleuten zufolge dagegen keine Dauerlösung. Sie erwiesen sich sogar als kontraproduktiv, wenn sie nach dem Aufwachsen der Bäume nicht wieder abgebaut würden. Die Förster seien zwar zur Kontrolle vor Ort, doch die Ahndung solcher Verstöße falle in den Bereich von Naturschutz-, Bau- und Abfallrecht, spielte Schmidbauer Landrat Manuel Westphal den Ball zu. Leider fehle es hier an Kapazitäten, gestand dieser ein. Glücklicherweise sei das Verhältnis von Waldbesitzern, Förstern und Jägern im Landkreis aber gut, und so ließen sich auch gute Lösungen finden.

Markt Berolzheim macht dies vor: „In unserem Gemeindewald setzen wir fast nur noch auf Einzelpflanzenschutz“, erklärte abschließend Bürgermeister Fritz Hörner. Die 7000 stichprobenartig geprüften Jungpflanzen aber machen deutlich, wie schwierig ein flächendeckendes Unterfangen dieser Art wäre.

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