Das sagen Hilfsorganisationen

Millionen für die Ukraine: Was passiert eigentlich mit meinen Spenden?

Tobi Lang

Redakteur

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10.3.2022, 10:00 Uhr
In Berlin werden Hilfsgüter für die Ukraine in großen Hallen gesammelt und sortiert. Tatsächlich sind Sachspenden aber nicht immer die beste Wahl. 

© IMAGO/Jens Schicke, IMAGO/Jens Schicke In Berlin werden Hilfsgüter für die Ukraine in großen Hallen gesammelt und sortiert. Tatsächlich sind Sachspenden aber nicht immer die beste Wahl. 

Menschen, die in U-Bahn-Schächten kauern, sich vor Bombenangriffen verstecken, Kinder, denen es an medizinischer Versorgung fehlt - und viele Tote. Die Bilder aus Kiew, aus Charkiw, aus der ganzen Ukraine sind nur schwer erträglich. Selten hat Deutschland eine derart massive Welle an Solidarität erlebt. Innerhalb weniger Tage spendeten Privatpersonen und Firmen viele Millionen Euro.

Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ist überrascht. Die Organisation ist eine der Speerspitzen bei der Versorgung vor Ort, zahlreiche Konvois brachen zur ukrainisch-polnischen Grenze auf. "Die Spenden- und Hilfsbereitschaft ist überwältigend", sagt ein Sprecher auf Nachfrage. "Voraussichtlich sogar noch höher als bei der Flutkatastrophe in Deutschland im vergangenen Jahr." Eine konkrete Summe kann das DRK aber noch nicht nennen.

Tausende Feldbetten und Erste-Hilfe-Kits

Das Geld hilft, eine Infrastruktur in der Ukraine aufzubauen. Tonnenweise Hilfsgüter transportierten Laster im Auftrag des Roten Kreuz in den Osten Europas. Darunter waren mehr als 3000 Feldbetten, fast 5000 Isomatten und Hygienepakete. Auch Erste-Hilfe-Kits, Taschenlampen, Decken und Powerbanks wurden geliefert. Nothilfeexperten der Rettungsorganisation eilten zudem nach Lwiw, um die ukrainischen Kräfte beim Aufbau eines Logistikdrehkreuzes für die Hilfsgüter zu unterstützen. Hier können Sie an das DRK spenden.

Genau hier liegt eines der größten Probleme. In das Kriegsgebiet können sich Retter aus Deutschland nur schwer vorwagen - deswegen enden die Konvois häufig im Osten Polens. Das bestätigt auch die Aktion "Deutschland Hilft", ein Zusammenschluss von insgesamt 21 Organisationen.

56 Millionen an die Aktion "Deutschland hilft" gespendet

"Grundsätzlich ist es den Organisationen noch möglich, Hilfsgüter in der Ukraine zu beschaffen", erklärt eine Sprecherin. Das ist durchaus sinnvoll, auch, um die ukrainische Wirtschaft zu unterstützen. Doch die Versorgungslage ist fragil. "Teils besorgen die Organisationen die nötigen Hilfsgüter auch in grenznahen Regionen oder liefern sie aus Deutschland." Das soll sich im Idealfall in den kommenden Wochen und Monaten ändern - wenn es die Sicherheitslage zulässt.

Auch die Aktion "Deutschland Hilft" ist überwältigt von der Solidarität. Fast 56 Millionen Euro gingen auf den Konten des Bündnisses bislang ein - Geld, das dringend gebraucht wird. Mit den Spenden werden etwa Menschen in den Schutzräumen Kiews mit Decken und Matratzen versorgt, Kleidung und Lebensmittel in abgeschnittene Gebiete gebracht und ukrainische Krankenhäuser unterstützt. Eine genaue Übersicht der konkreten Maßnahmen von "Deutschland Hilft" gibt es hier, alle Spendenmöglichkeiten an das Bündnis finden Sie hier.

"Ärzte ohne Grenzen" schickt Teams in Kriegsgebiete

In den vergangenen Tagen lief auch der Einsatz von "Ärzte ohne Grenzen" in der Ukraine an. Mehrere Teams seien mittlerweile in den Kriegsgebieten, etwa in Kiew, Lwiw, Odessa, Schytomir. Weitere Helfer positionierten sich in den Nachbarländern Polen, Slowakei, Rumänien, Republik Moldau, Russland und Belarus. "Unser Schwerpunkt liegt derzeit darauf, die Krankenhäuser in der Ukraine mit Medikamenten und medizinischem Material zu versorgen", erklärt ein Sprecher.

Notfallärzte, Chirurgen, Psychologen, sie alle sollen das unfassbare Leid lindern. Das medizinische Material dafür kommt aus den Logistikzentren von "Ärzte ohne Grenzen" in Brüssel und Bordeaux. "Eine Lieferung von 40 Kubikmetern ist etwa am Wochenende per Zug in Kiew eingetroffen", sagt ein Sprecher. "Weitere 80 Kubikmeter per Lastwagen in verschiedene Teile der Ukraine, eine weitere Lieferung ist über Rumänien nach Odessa unterwegs." Das kostet viel Geld. Wenn Sie die Retter unterstützen möchten, können Sie das hier tun.

Auch unser Verlag hilft

Auch unser Verlag hilft im Rahmen der Aktion "Freude für alle". Rund 60.000 Euro an Spenden gingen bereits ein. Mit dem Geld sollen Ukrainer, die in Franken und der Oberpfalz ankommen, unterstützt werden. Das Spektrum möglicher Hilfen reicht von Mitteln für den Alltag bis zu medizinischem Bedarf. Die Hilfe erfolgt in engem Austausch mit den Behörden, etwa mit der Caritas oder den Sozialdiensten der Stadt Nürnberg.

Weitere Informationen zu "Freude für alle" finden Sie hier:

Grundsätzlich, das sagen alle Hilfsorganisationen, hilft Geld mehr als Sachspenden. Lebensmittel, Decken und Hilfsgüter von Privatpersonen verstopfen häufig die ohnehin stark ausgelasteten Korridore, über die Material in die Ukraine transportiert wird. Finanzielle Spenden können die Organisationen deutlich flexibler einsetzen als zweckgebundene Hilfsgüter.

Viele Geflüchtete werden kommen - so bereitet sich das Rote Kreuz vor

Doch die Hilfsbereitschaft wird einen langen Atem brauchen. Mehr und mehr Ukrainer kommen in Deutschland an, sie werden Monate, vielleicht Jahre bleiben müssen. Allein Bayern rechnet etwa mit bis zu 100.000 Geflüchteten aus dem Osten Europas.

Das Rote Kreuz bereitet sich vor - auch mit Spendengeld. "Das DRK leistet derzeit zum Beispiel Sanitätsdienst an Bahnhöfen und Flughäfen bei den ankommenden Menschen", erklärt ein Sprecher. Etwa der Münchner Bahnhof ist ein Drehkreuz für viele Geflüchtete. Zudem arbeite man gemeinsam mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) daran, eine Betreuungsreserve für bis zu 5000 Menschen zu schaffen. "Diese Planungen umfassen die Errichtung von Notunterkünften für eine längere Verweildauer", so das Rote Kreuz, "aber auch die Option der Schaffung von Aufnahmezentren."

"Wir haben aber gerade 2015 auch gelernt, dass es wichtig ist, von Anfang an mitzudenken, dass viele Menschen längere Zeit in Deutschland bleiben", erklärt ein DRK-Sprecher. Kinder müssen zur Schule, Geflüchtete brauchen medizinische Hilfe - und müssen zumindest auf Zeit integriert werden. "Allen Menschen, die jetzt noch nicht wissen, wie sie sich aktiv engagieren können, sage ich: Wir werden über die nächsten Monate und vielleicht Jahre noch viel Hilfe, Unterstützung und Engagement benötigen."