Schwangere Frauen verunsichert: Wie laufen Geburten während Corona?

22.11.2020, 06:00 Uhr
In Corona-Zeiten müssen sich sowohl frisch gebackene Mütter als auch Väter umstellen - beispielsweise bei Besuchen im Krankenhaus.

© Roland Fengler In Corona-Zeiten müssen sich sowohl frisch gebackene Mütter als auch Väter umstellen - beispielsweise bei Besuchen im Krankenhaus.

Sie zählt zu den magischsten und intimsten Momenten des Lebens: die Geburt eines Kindes. Neben Sorgen und Ängsten, ob die Geburt ohne Komplikationen verlaufen wird, müssen sich schwangere Frauen derzeit mit Maskenpflicht und Besuchsbeschränkungen auseinandersetzen. Abstand halten im Kreißsaal? "Das geht oft nicht", weiß Sophia Kern, Hebamme an der Klinik in Neustadt, aus eigener Erfahrung. Jede Geburt sei individuell, wenn möglich, werde Abstand reduziert.

"Der Lockdown war ein absolutes Novum für das gesamte Team der Geburtshilfe und natürlich auch für unsere Patientinnen", sagt Dr. Martin Koch, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Klinik Ansbach und kommissarischer Leiter in Rothenburg. Man habe sich immer wieder schnell auf Neuerungen eingestellt und könne nun im Teil-Lockdown "wesentlich professioneller mit der Situation" umgehen.

Vor allem die Schwangeren müssten sich derzeit umstellen, meint Dr. Liane Humann-Scheuenstuhl, Chefärztin der Geburtshilfe und Gynäkologie in der Klinik in Neustadt, und beispielsweise bei Untersuchungen einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Als "sehr belastend für alle Beteiligten" beschreibt Koch die Maskenpflicht. Während des Geburtsvorganges müssten alle Anwesenden FFP2-Masken tragen – die Mutter sei davon ausgenommen. "Frauen entbinden nicht mit Mundschutz", sagt Humann-Scheuenstuhl, die mit Horrorgeschichten aufräumen will.

Keine Personen mit Symptomen

Wegen der Hygienestandards gibt es in Rothenburg und Ansbach Einschränkungen bezüglich Begleitpersonen im Kreißsaal und Besucher der Wochenstation. Während und nach der Geburt dürfen die Mütter durch eine Vertrauensperson begleitet werden – ausgeschlossen sind Kontaktpersonen bestätigter Corona-Fälle und Personen mit Symptomen. In Neustadt darf der Vater in den Kreißsaal, davor und danach gilt selbst für ihn generelles Besuchsverbot.

Die kalte Jahreszeit erschwere die Lage zusätzlich, sagt Koch. Bei allen grippalen Infektsymptomen müssten Mitarbeiter getestet und gegebenenfalls vom Dienst freigestellt werden. Um Quarantäne-Zeiten kurz zu halten, werde versucht, Schnelltests zu etablieren. Bei Schwangeren, bei denen der Verdacht oder eine Corona-Infektion vorliegt, werde mit dem Klinikum Ansbach sowie dem Uniklinikum Würzburg zusammengearbeitet. Im Falle einer Infektion werde eine Verlegung angestrebt, im "akuten Fall ist aber auch eine Geburt in Rothenburg möglich", erklärt Koch. Gibt es in Neustadt den Verdacht ohne Befund, würden die Vorsichtsmaßnahmen erhöht und je nach Situation die Person nach Hause geschickt oder isoliert werden, erklärt Humann-Scheuenstuhl.

Angst unter den Frauen kann Sophia Kern nicht bestätigen, es herrsche Verunsicherung wegen der Besuchseinschränkungen. "Wirklich sicher fühlt sich wohl derzeit kaum jemand, der ein Krankenhaus betritt", schätzt Koch. Objektiv betrachtet sei die Gefahr einer Ansteckung in einer Klinik aufgrund der Hygienemaßnahmen vermutlich kleiner als beim Einkauf oder einem Familien-Treffen, meint Koch. "Wer Symptome hat, geht in Isolation", sagt Humann-Scheuenstuhl. Damit fuhr man bisher gut. Die Personaldecke sei so gestrickt, dass man Ausfälle abfangen könne. Koch: "Wir sind gut vorbereitet."

Dass Organisation und Dokumentation in Corona-Zeiten zugenommen haben, zeigt das Beispiel eines Ehepaares aus Bad Windsheim, das Ende Oktober eine gesunde Tochter bekommen hat, bei dem der Vater beinahe die Geburt verpasst hätte. Der Grund: es fehlte ein ausgefüllter Anmeldeantrag.

Am Morgen der Geburt, knapp vor dem Lockdown, platzte die Fruchtblase der 29-jährigen Frau. Rein ins Auto, ab nach Rothenburg. "Als wir dort ankamen, stand da eine Art Hilfssheriff am Krankenhaus-Eingang", erzählt der 36-Jährige. Er dürfe keinen ohne Anmeldeantrag reinlassen, ob sie einen Termin hätten, wurden die werdenden Eltern gefragt. Die Argumente Notfall und Blasensprung halfen nichts. Als die 29-Jährige in Tränen ausbrach, schalteten andere Klinik-Mitarbeiter und brachten sie mit einem Rollstuhl um 8.30 Uhr in den Kreißsaal.

Spurt in die Geburtsstation

Der 36-Jährige musste trotzdem erst die bürokratischen Pflichten erledigen, ehe er um 8.45 Uhr die Treppe hinauf zur Geburtsstation spurtete. Um 9.07 Uhr erblickte die Tochter das Licht der Welt, der Vater hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft. "Wir hatten Rothenburg auch ausgewählt, weil man als Mann in einigen anderen Kliniken erst reindarf, wenn der Kopf schon fast rausschaut", sagt der Bad Windsheimer.

In Rothenburg kam es 2020 bereits zu etwa 500 Geburten (2019: 569), in Ansbach zirka 850 (1281). Neustadt kann 500 verzeichnen (577). Liane Humann-Scheuenstuhl: "Wir hoffen, dass wir die 600 noch knacken."

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