"Europa ist wie eine Klassenfahrt": So feierte Nürnberg den 1. Mai

1.5.2019, 16:24 Uhr
Beim traditionellen 1. Mai-Protestzug wurden wie in jedem Jahr die Transparente ausgerollt und Fahnen geschwenkt.

© Stefan Hippel Beim traditionellen 1. Mai-Protestzug wurden wie in jedem Jahr die Transparente ausgerollt und Fahnen geschwenkt.

Hauptredner war der neue bayerische IG-Metall-Chef Johann Horn. Er warnte angesichts der anstehenden Europawahlen vor den Populisten vom rechten Rand: Sie seien "Schlächter des Fortschritts". Emanzipation, Zusammenhalt, Menschlichkeit – all dies stehe auf dem Spiel, wenn Rechtspopulisten an die Macht gelangen. Horn mahnte, dass man niemals vergessen dürfe, "was vor Europa war und was Europa gebracht hat".


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Schließlich sei die Europäische Union auch vor dem Hintergrund der "leidvollen Erfahrungen unserer Vorfahren" entstanden, die zwei Weltkriege durchmachen mussten. "Nationalismus führt zu Krieg und Elend." Ein starkes und soziales Europa sei zum Beispiel nötig, um den Flüchtlingen zu helfen, die auf dem Mittelmeer ihr Leben riskieren, aber auch, um Konzernen Einhalt zu gebieten, die "über Ländergrenzen hinweg mit Beschäftigten Katz und Maus spielen". Gerade die Deutschen hätten keinen Grund, sich über die EU zu beklagen, sagte Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD): Schließlich habe die Exportnation Deutschland von der europäischen Einigung "mehr profitiert als alle anderen".

Europa als Klassenfahrt

Maly erinnerte an ein Zitat des verstorbenen früheren SPD-Bundeskanzlers Helmut Schmidt: "Unsere Überschüsse sind die Schulden der anderen." Der OB bemühte einen launigen Vergleich: "Europa ist wie eine Klassenfahrt." Man müsse sich vorher auf gemeinsame Ziele verständigen und dann an einem Strang ziehen - denn wenn jeder nur macht, was er will, werde man hinterher keine schöne Erinnerung an die gemeinsame Unternehmung haben. Für den Sozialdemokraten, der seit seiner Wahl zum OB im Jahr 2002 alljährlich mit einem Grußwort bei den Kundgebungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) vertreten war, war es die letzte Rede zum 1. Mai, er tritt 2020 nicht mehr an.

Der mittelfränkische DGB-Chef Stephan Doll dankte dem "treuen Gast" dafür, dass er stets an der Seite der Beschäftigten gestanden habe. Doll selbst forderte ein Tariftreuegesetz für den Freistaat Bayern. Bei öffentlichen Ausschreibungen sollten nur Firmen zum Zug kommen, die ihre Mitarbeiter "nach Flächentarif gerecht bezahlen".

Seitehieb auf Bavaria One

Er forderte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auf, hier endlich zu handeln: "Politik lebt von Glaubwürdigkeit auf Erden, nicht von Bavaria One in den unendlichen Galaxien", sagte er in Anspielung auf Söders Raumfahrtpläne. Der Regionsgeschäftsführer des DGB kam auch auf die Nürnberger Kommunalpolitik zu sprechen und lobte ausdrücklich die Kulturhauptstadtbewerbung. "Als Gewerkschaften werden wir auch weiterhin unseren Beitrag dazu leisten." Dazu gehöre das Eintreten für Menschenfreundlichkeit, klare Kante gegen Rechtsaußen und "sensibel sein für Veränderungen, die es konstruktiv und mit Streitkultur zu gestalten gilt".

Neben Doll, Maly und Hauptredner Horn kamen bei der Kundgebung auch der evangelische Dekan Christian Kopp, der das Grußwort der Kirchen überbrachte, und Denise Bradl zu Wort. Die Vertreterin der DGB-Jugend kritisierte den Druck, unter dem heutzutage schon Kinder stehen - etwa wenn es darum geht, nach der vierten Klasse die weiterführende Schule zu erreichen. "Kinder werden durch unsere eigene Erwartungshaltung glattgebügelt, der Fantasie beraubt und bekommen ordentlich Ellbogenmentalität anerzogen."

Nach dem politischen Teil konnten die Demonstranten auf dem Kornmarkt Essen, Trinken und sich an zahlreichen Ständen über verschiedenste Organisationen informieren. Laut Doll ist Nürnberg eine Hochburg des 1. Mai: Die Kundgebung sei die "größte von 99 Veranstaltungen in Bayern und unter den Top drei im ganzen Bundesgebiet".

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