Nürnberger Biergeschichte(n)

Hopfen und hartes Wasser: So viel Nürnberg steckt in unserem Bier

13.3.2022, 12:00 Uhr
Hopfen überall - vor Hundert Jahren war Nürnberg die Hopfenhochburg.

© Schenker, NN Hopfen überall - vor Hundert Jahren war Nürnberg die Hopfenhochburg.

Wasser. Hopfen. Malz. Gott erhalt's. Aber woher erhalten die Brauereien in und um Nürnberg die Zutaten für ihr Bier? Zum Teil direkt aus der Stadt. Das gelte in erster Linie für das Wasser, sagt Reinhard Engel. Er braut schon seit 1995 Bier in Nürnberg. Damals übernimmt er die elf Jahre zuvor gegründete Hausbrauerei Altstadthof. Die ist vor allem bekannt für ihr Rotbier. Um einen Hektoliter davon herzustellen, benötigt Engel viereinhalb Hektoliter Wasser.

Hartes Wasser mit vielen Mineralien

Das fließt hier oben auf dem Burgberg aus der Leitung. "Wir nehmen das Wasser aus der Ranna-Quelle. Und zwar so, wie es ist", betont der Chef der Altstadthof-Brauerei. In Nürnberg fließt nicht gerade weiches Wasser, "es hat einen Härtegrad von zwölf", weiß Engel. Würde er helles Pils brauen, hätte er damit ein Problem, "es würde die Bitterstoffe nicht gut aufnehmen". Eben weil härteres Wasser schon viele Mineralstoffe wie Calcium und Magnesium enthält.

Geruchstest beim Hopfen-Weltmarktführer: der Nürnberger Barth-Haas-Group.

Geruchstest beim Hopfen-Weltmarktführer: der Nürnberger Barth-Haas-Group. © Sascha Kreklau Fotografie, NN

Manche Brauereien enthärten das Wasser deshalb. Das Rotbier von Reinhard Engel aber stört das genauso wenig wie den Whisky, den sein Sohn Maximilian und er herstellen.

Früher Trinkbrunnen neben Latrine

Vor 500 Jahren hatten die Braumeister übrigens mit ganz anderen Inhaltsstoffen zu kämpfen, weiß Daniel Gürtler. Schon damals ist das Wasser für das Nürnberger Bier aus der Stadt gekommen, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter des Vereins Geschichte für alle. Zwar nicht aus der Pegnitz, sondern aus Brunnen, auf dem jeweiligen Gelände der Brauhäuser.

"Das hatte aber nicht die beste Qualität", sagt Gürtler. "Das passiert eben, wenn man die Latrinengrube nur sechzig Zentimeter entfernt vom Trinkwasserbrunnen gräbt." Weil der Sandstein rund um die Nürnberger Burg sehr porös ist, haben manche Stoffe eben einen Weg gefunden. Umso wichtiger seien damals die Brauereien gewesen, "Bier war viel gesünder als Wasser".

Reinhard und Maximilian Engel brauen im Altstadthof nicht nur Rotbier, bei ihnen gibt es inzwischen auch Whisky.

Reinhard und Maximilian Engel brauen im Altstadthof nicht nur Rotbier, bei ihnen gibt es inzwischen auch Whisky. © e-arc-tmp-20200805_133736-1.jpg, NN

Das wiederum ist früher nicht nur für die Produktion des Biers entscheidend, sondern ebenso für die Lagerung. Auch die Eishäuser in Nürnberg sind Zulieferer der Brauereien. Sie sägen im Winter zum Beispiel Eis aus den Seen und verkaufen es zur Kühlung. "Damit konnten sie ihre Bierkeller so weit runterkühlen, dass das Eis bis in den August gehalten hat", sagt Daniel Gürtler.

Schwefelverbot fällt, Nürnberg steigt auf

Um die Haltbarkeit ging es früher auch bei einer anderen Zutat. "Damit der Hopfendolden länger grün bleibt, hat man ihn geschwefelt", sagt der Historiker. Doch das ist in Bayern lange Zeit verboten. "Der Prozess war sehr geruchsintensiv und hat auch für sauren Regen gesorgt." 1858 wird das Schwefelverbot aufgehoben - allerdings nur in Mittelfranken.

Quasi über Nacht wird Nürnberg damals zur Hopfen-Hochburg. Obwohl in der Stadt selbst nicht eine Pflanze wächst. Der Hopfen kommt schon Ende des 19. Jahrhunderts aus Hersbruck, Spalt oder auch aus der Hallertau - das heute größte zusammenhängende Anbaugebiet der Welt. Nürnberg aber wird zum Umschlagplatz, "als das Schwefeln dann auch in anderen Regionen erlaubt gewesen ist, hatte die Stadt einen Vorsprung, den keiner mehr einholt":

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es im Schatten der Burg, in der Marienvorstadt und in Gostenhof zusammen 364 Hopfenhändler. Mehr als die Hälfte der Händler ist jüdisch. "Das war vor allem Gauleiter Julius Streicher ein Dorn im Auge", sagt Daniel Gürtler. Viele wurden nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten enteignet, andere von größeren Händlern übernommen.

Die Anfänge der Barth-Haas Group in Nürnberg. Heute ist die Firma aus Mögeldorf Weltmarktführer.

Die Anfänge der Barth-Haas Group in Nürnberg. Heute ist die Firma aus Mögeldorf Weltmarktführer. © e-arc-tmp-20190430_145724-1.jpg, NN

Das alles trägt dazu bei, dass Nürnbergs Hopfen-Hochphase endet. Fast zumindest. Denn bis heute wird in Mögeldorf mit Hopfen gehandelt. Und das nicht zu knapp. In einem eher unscheinbaren zweigeschossigen Bau mit weißer Fassade sitzt der Weltmarktführer im Hopfen-Handel: die Barth-Haas-Group.

Angefangen hat alles vor 225 Jahren. Damals liefert Georg Barth in einem Planwagen Hopfen an die kleinen Brauerein in und um Nürnberg. Unter seinen Söhnen floriert das Geschäft, sie fahren 400 Brauereien an. 1868 gehen die ersten Lieferungen nach New York. In den USA legt die Nürnberger Firma auch den Grundstein für ihr heutiges Unternehmen: Barth & Sohn übernehmen 1977 den US-Händler John Haas. Das Ergebnis ist die Barth-Haas-Group.

In jedem dritten Bier steckt Nürnberg

30 Prozent des weltweiten Hopfenhandels werden seitdem von Nürnberg aus koordiniert. Obwohl die Menschen hier noch immer keinen Hopfen wachsen sehen. Dafür können sie ihn riechen. 96 verschiedene Hopfensorten hat Barth-Haas im Angebot, von "Admiral" aus Großbritannien über "Eclipse" aus Australien bis hin zu "Zeus" aus den USA. Im "Tunnel der Sinne" können Brauer eine Prise von all den Aromen aufsaugen, die aus diesen Hopfensorten gewonnen werden können. Mal duftet es nach Birne oder Vanille, dann wieder nach Kaffee, Salbei oder Gurke.


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Seit 2019 lädt der Hopfen-Händler nach Nürnberg auf seine "Bierspielwiese". Zum Barth-Haas-Campus gehört neben dem Geruchs- auch ein Geschmackserlebnis. "In der Konzeptbrauerei entwickeln wir mit unseren Brauereikunden Bierrezepte und brauen sie ein", erklärt Christina Schönberger von Barth-Haas. "Dabei werden neue Hopfensorten und Hopfenprodukte getestet und gemeinsame Sude, sogenannte Collab-Brews, hergestellt." Zur Brauerei gehört neben einem Sensorikstudio, in dem verkostet wird, auch ein Labor. Hier werden alle Basisdaten eines Biers gemessen, von der Stammwürze, über den Alkohol- und den Extraktgehalt, bis hin zum pH-Wert.

Reinhard Engel ist kein Barth-Haas-Kunde, weil er seinen Hopfen direkt vom Biohof Eckert aus Eckental bekommt. Für das Bier verwenden er und sein Team in der Altstadthofbrauerei von Anfang an nur Bioprodukte. Dafür nimmt Engel in Kauf, dass "ich dadurch bestimmt fünfmal höhere Hopfungskosten habe".

Gerste wird in Nürnberg nicht angebaut

Das gilt auch beim Malz, das in Bioqualität ungefähr zweieinhalb mal so teuer ist wie konventionelle Produkte. Obwohl sich der Markt geöffnet hat. Bio wird auch beim Bier beliebter, also werden mehr Bio-Braupflanzen angebaut.

Allerdings nicht in Nürnberg. "Das Malz kommt schon immer von außerhalb", weiß Reinhard Engel. Im Knoblauchsland wird vor allem Gemüse angebaut. Und weder Hopfen noch Malz. Im Hof der Brauerei in der Nürnberger Altstadt hängen zwar ein paar Hopfendolden. "Aber nur, um zu demonstrieren, wie das aussieht und riecht." Bevor es schmeckt.

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