Milliardenprojekt

Jetzt wird rangeklotzt: Aus der alten "Quelle" wird "The Q"

Wolfgang Heilig-Achneck

Lokalredaktion

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2.6.2021, 05:44 Uhr
Der große Verladehof des früheren Quelle-Versandzentrums. Er soll sich in eine Oase mit viel Grün verwandeln und für alle Passanten zwischen Wanderer- und Fürther Straße offen sein.  

© NNZ Der große Verladehof des früheren Quelle-Versandzentrums. Er soll sich in eine Oase mit viel Grün verwandeln und für alle Passanten zwischen Wanderer- und Fürther Straße offen sein.  

Auf den Gläsern liegt ein milchiger Film, Sonnenschutzlamellen hängen schief vor den Fensterbändern, alte Schilder mit Aufschriften wie "Transportbehälter sind zu sichern" warnen eindringlich vor Unfallgefahren: Im einstigen Quelle-Versandzentrum zwischen der Fürther und der Wandererstraße ist die Zeit stehen geblieben. Ganz buchstäblich: Die Uhr in dem weitläufigen Hof zeigt eine Minute nach sieben Uhr - schon seit vielen Jahren.

Seit einigen Tagen aber röhrt und dröhnt es aus dem Inneren: Im Keller und Erdgeschoss des nördlichen Flügels sind Arbeiter dabei, sämtliche Einbauten herauszureißen, nur die tragenden Stützen bleiben stehen, auf dem früheren Kundenparkplatz gegenüber der U-Bahn-Station Eberhardshof türmen sich Berge von Bauschutt. "Als kürzlich die Baugenehmigung der Stadt einging, konnten wir sofort loslegen", freut sich Mathias Düsterdick, der Vorstandsvorsitzende der Gerchgroup.

Mit dem Konkurs des Versandhauses waren hier 2009 die Lichter aus- und ein bedeutsames Kapitel der Nürnberger, ja der deutschen Wirtschaftsgeschichte der Nachkriegszeit zu Ende gegangen. Das Schicksal des markanten Gebäudes war damit zum Glück nicht besiegelt. Entworfen von dem bedeutenden Architekten Ernst Neufert und errichtet zwischen 1953 und 1966, gilt es geradezu als eine Ikone der Wirtschaftswunderjahre und steht entsprechend unter Denkmalschutz.

Tragfähiges Konzept

Damit haderten auch verschiedene Interessenten - und das Areal dämmerte vor sich hin. Erst mit der Übernahme 2018 durch die Düsseldorfer Gerchgroup sollte sich das ändern: Sie entwickelte ein tragfähiges Konzept, das nicht mehr auf großflächigen Handel und Gewerbe setzt, sondern mutig große Blöcke für neue Nutzungen erschließt. Der nördliche Trakt längs der Fürther Straße mit der dominanten Fassade wird künftig vorwiegend von der Stadt Nürnberg genutzt: Hier werden das Jugend-, das Sozial- und das Ausländeramt angesiedelt, außerdem die IT-Fachleute, eine Fortbildungsstätte, vielleicht auch ein Bürgeramt West. "Etwa jede zehnte Mitarbeiterin und jeder zehnte Mitarbeiter der Stadt werden hier einmal tätig sein", kündigt Oberbürgermeister Marcus König beim symbolischen ersten Spatenstich an.

Auf die laufende Entkernung folgen dann die größten Eingriffe in die Substanz: Durch Öffnungen in den Gebäudeblöcken sollen neue Lichthöfe entstehen. Damit verringert sich die Bruttogeschossfläche von aktuell noch 250.000 auf 170.000 Quadratmeter. Dafür kommen neue Flächen südlich der Wandererstraße hinzu. Dort errichtet das Evangelische Siedlungswerk geförderte Wohnungen für weniger betuchte Mieter.

Wohnraum entsteht aber auch im Hauptkomplex - und das nicht zu knapp: Vor allem die südöstliche und südliche Hälfte sind dafür vorgesehen. Gedacht ist an mehr als 1000 Wohnungen. An den Zuschnitten werde noch getüftelt, sagt Düsterdick. Die Tendenz gehe aber - gerade durch und nach Corona - zu wieder etwas großzügigeren Maßen. Das bedeutet freilich auch: Günstig werden diese nicht zu haben sein, schon gar nicht angesichts der perfekten Verkehrsanbindung.

Nahversorgung vor Ort

Dazu kommen Einkaufsangebote buchstäblich vor der Haustür mit Läden zur Nahversorgung in den Erdgeschossbereichen. Unter Denkmalschutzbedingungen wären geförderte Wohnungen ebenfalls kaum zu realisieren, gibt der Gerchgroup-Chef weiter zu bedenken. Und schließlich "wird das ganze Objekt in punkto Energieverbrauch und Wärmeschutz Standard wie ein Neubau erfüllen".

Bereits bis in drei Jahren soll die in mehrere Abschnitte unterteilte Umgestaltung zumindest weitgehend bewältigt sein. Der Projektentwickler veranschlagt die erforderlichen Investitionen samt allen Außenanlagen und Nebenkosten auf nicht weniger als knapp eine Milliarde Euro. Für den ersten Bauabschnitt aber wird erst einmal mit rund 120 Millionen Euro gerechnet.

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