Umweltkriminalität

Nürnberg: Täter kippten Sondermüll einfach in ein Biotop

23.11.2021, 09:50 Uhr
Naturschutzwächter Günter Heckl ist entsetzt: Unbekannte haben Sondermüll in ein Naturschutzgebiet am Eibacher Forst entsorgt. Der städtische Mitarbeiter schaltete die Polizei ein.

© Alexander Brock, NNZ Naturschutzwächter Günter Heckl ist entsetzt: Unbekannte haben Sondermüll in ein Naturschutzgebiet am Eibacher Forst entsorgt. Der städtische Mitarbeiter schaltete die Polizei ein.

Links baut sich der Eibacher Forst auf, rechts brausen tonnenschwere Lkw die Wiener Straße entlang. Die Schleuse Eibach liegt im Rücken. Es ist ein Forstweg, auf dem Günter Heckl geht. Am Revers seiner Jacke ist die Marke deutlich zu sehen: Naturschutzwacht. Heckl ist einer von insgesamt 13 Naturschutzwächtern, die das Umweltamt im Stadtgebiet Nürnberg einsetzt. Er deutet auf ein Schild, das am Wegesrand steht. Es ist dreieckig, mit grünem Rand. Eine der drei Spitzen zeigt nach unten, in der Mitte auf weißem Grund schwebt ein stilisierter Seeadler über dem das Wort "Landschaftsschutzgebiet" steht. Ein landläufig bekanntes Schild.

Die Empörung ist groß

Doch an diesem Schild mussten laut Heckl auch die Täter mit einem Lkw vorbeigefahren sein, unbeeindruckt von der Bedeutung des Zeichens. Sein Weg führt weiter, es geht leicht bergab. Dann aber erreicht der Naturschutzwächter sein Ziel. Er steht nicht zum ersten mal vor diesem großen Müllberg. Doch auch jetzt ist er wieder so empört, als würde er die illegale Abfallkippe zum ersten Mal sehen. Autoreifen, Farbkanister, Lack-Dosen, Kartonagen, Elektroschrott, Bauschutt, Plastiksäcke, Metallteile, Styropor-Platten, ein Behälter, auf dem Bremsflüssigkeit steht, und, und, und.

Einen weiteren Stich versetzte dem erfahrenen Naturschutzwächter, dass die Umweltsünder ihren Dreck, der wohl aus irgendwelchen Garagen oder Kellern stammt, direkt in ein Feuchtbiotop gekippt haben, in einen kleinen Teich mit Schilf, Wasserpflanzen und -Tieren, den Heckel selbst pflegt. "Ich hab ja schon viel entdeckt und rausgeholt, vorhin eine Matratze, die jemand im Faberwald abgelegt hat - aber so etwas heftiges ist mir noch nicht untergekommen", sagt er. Das Feuchtbiotop, das der Naturschutzwächter auch immer freihält, ist für Frösche, Libellen, Eidechsen wichtig, hier finden sie im Sommer ausreichend Wasser. Im Eibacher Forst leben zig geschützte und seltene Tiere wie die Kreuzotter, der Schwarzspecht, die Waldschnepfe, der Baumpieper oder die kleine Moosjungfer, die 2014 zur "Libelle des Jahres" gekürt wurde.

Adresse führt zu Nürnberger Paar

Heckel hat bereits im Abfall gewühlt, auf der Suche nach Spuren, die zu den Verursachern dieses Umweltfrevels führen könnten. "Drei Adressen habe ich herausgefischt. Bei einer habe ich bereits angerufen", erzählt er. Ein Paar aus Nürnberg habe er erreicht. Heckel ist nach dem Telefonat überzeugt, dass die beiden mit dieser Verschmutzung direkt nichts zu tun haben. "Die waren ganz entsetzt und konnten sich nicht erklären, wie der Karton mit ihrer Adresse auf diesen Abfallhaufen gelangen konnte." Der Naturschutzwächter habe sie aufgefordert, zu überlegen, wann und wo sie den Karton das letzte Mal gesehen hätten und wer ihn entgegengenommen habe. Wenn ihnen etwas dazu einfiele, sollten sie ihn wieder anrufen, habe er dem jungen Pärchen gesagt.

Selbstverständlich schaltete Heckl die Polizei ein. "Die haben bereits alles aufgenommen", sagt er. Sobald die Spuren gesichert sind, lässt er den Müll von der städtischen Abfallentsorgung abholen.

Abfall im Naturschutzgebiet

Ein Blick in den Sicherheitsbericht der mittelfränkischen Polizei verrät, dass solche Delikte keine Seltenheit sind. Im Gegenteil. "Die Umweltdelikte in Mittelfranken stiegen auch 2020 stark, und zwar um 43 Prozent, an", heißt es da. Im konkreten Fall im Eibacher Forst handelt es sich möglicherweise um eine Straftat, so Polizeisprecher Michael Petzold. "Der Abfall liegt in einem Naturschutzgebiet." In so einem Fall steht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe im Raum.

Dass innerstädtische Naturschutzgebiete stärker überwacht werden sollten, hat der Umweltausschuss in einer Sitzung im Mai diskutiert. Demnach soll die Gruppe der Naturschutzwächter aufgestockt werden - von 13 auf 20 Mitglieder.

Naturschutzwächter Heckl ist der Ansicht, dass hier "viel kriminelle Energie" im Spiel gewesen sei. Er hat auch seine eigene Theorie dazu: "Möglicherweise war hier ein Sub-Unternehmer am Werk, der Entrümpelungsdienste anbietet und sich die Zeit für die Mülltrennung und das Geld für die Entsorgung des Sonderabfalls sparen wollte."​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​