Vor fünf Jahren: 7000 Menschen litten wegen Quelle-Aus
19.10.2014, 06:00 UhrAm späten Abend des 19. Oktober 2009 geht die Meldung raus, die das Schicksal von mehreren tausend Menschen besiegelt: „Der Insolvenzverwalter der Unternehmen der Arcandor- Gruppe, Dr. Klaus Hubert Görg, hat den Gläubigerausschuss darüber informiert, dass die Verkaufsanstrengungen für Quelle Deutschland erfolglos waren“, heißt es darin. Die Tageszeitungen künden am 20.Oktober in deutlicheren Worten davon: „Endgültiges Aus für Quelle“, steht da unter anderem. Und: „7000 Jobs gefährdet.“
Die Wochen davor waren von Hoffen und Bangen begleitet gewesen. Doch dass es tatsächlich zum Ernstfall kommt und eines der traditionsreichsten Unternehmen Deutschlands aufhört zu existieren, glaubten die wenigsten – nicht einmal, nachdem für den Mutterkonzern Arcandor bereits am 9. Juni 2009 Insolvenz angemeldet werden musste. Als die Konzernerbin Madeleine Schickedanz wenige Wochen nach dem Insolvenzantrag – im Juli 2009 – der Bild am Sonntag ein viel beachtetes Interview gewährt, liegt dabei ein Quelle-Katalog vor ihr auf dem Tisch. Es sollte der vorletzte sein.
Alles hing an einem Katalog
Der Katalog Herbst/Winter 2009/10 kommt nur noch unter dramatischen Umständen zustande. An ihm hängt die Hoffnung für das Überleben der Quelle. Sogar Politiker schalten sich ein und versprechen Hilfe. Die Bundestagswahl steht vor der Tür. Zur Finanzierung der Druckkosten des Katalogs bürgen schließlich Bund, der Freistaat Bayern und der Freistaat Sachsen für 50 Millionen Euro als Massedarlehen. Der Katalog gilt bis Ende Januar 2010 – zumindest soll er so lange gelten.
Doch mit diesem 19. Oktober, der sich am Wochenende zum fünften Mal jährt, ist der 1,7 Kilo schwere Katalog mit seinen 1347 Seiten Makulatur. Kurze Zeit später beginnt bei Quelle der Ausverkauf: Die „heißen Trends für Mode, Wohnen und Technik“, die auf dem Katalogtitel angepriesen sind, werden verramscht. Insgesamt 18 Millionen Artikel will Insolvenzverwalter Görg noch zu Geld machen – in den Quelle-Kaufhäusern und per Internet. „Deutschlands größter Ausverkauf“ steht auf der Quelle-Homepage. Am 1. Dezember heißt es dort: „Heute 24 Uhr Ende“.
Danach geht alles rasend schnell. Immer weniger Mitarbeiter werden für die Quelle-Abwicklung gebraucht und damit entlassen. Insgesamt betrifft die Quelle-Pleite rund 7000 Menschen, davon rund 4000 in Franken. Im Juni 2010 sind noch 170 Menschen damit beschäftigt, welche die Reste von Quelle abwickeln. Inzwischen ist in das alte Quelle-Gebäude – das in den 60er Jahren das modernste Logistikzentrum Europas beherbergte – neues Leben eingezogen. Es gibt kleine Ateliers oder Werkstätten und große Ausstellungen. Doch eine große, ganzheitliche Lösung steht noch immer aus.
Madeleine Schickedanz streitet vor Gericht
An dem Komplex scheiden sich heute die Geister. Die Quelle-Insolvenz selbst hat die Region gut verdaut, zumindest auf dem Arbeitsmarkt. Das besagt jedenfalls die Statistik. Über die Schicksale der einzelnen Quelle-Mitarbeiter besagt die Statistik indes wenig. Über die Hauptprotagonisten weiß man besser Bescheid: Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, zudem Mehrheitsaktionärin am Arcandor-Konzern, streitet heute mit Thomas Middelhoff vor Gericht – dem Mann, den sie mit Begeisterung zum Chef von Arcandor machte.
Der einst als Top-Manager gefeierte Middelhoff ist der Untreue angeklagt. Er soll dem Handelskonzern allein mit Privatflügen auf Firmenkosten einen Schaden von rund 945.000 Euro zugefügt haben. Den Großteil ihres einst auf drei Milliarden Euro geschätzten Vermögens hat Schickedanz, die am Montag 71 Jahre alt wird, verloren. Angeblich, weil sie von den Bankern von Sal. Oppenheim und deren Partner Josef Esch falsch beraten, getäuscht und in Aktienkäufe getrieben worden war. Sie verklagt sie auf 1,9 Milliarden Euro Schadensersatz. Der Prozess dauert an. Die Hausbank Sal. Oppenheim wurde von der Arcandor-Pleite mit in den Abgrund gerissen. Die Pleite von Quelle und dem Mutterkonzern Arcandor hat keine Gewinner hinterlassen, fast keine.
Unter dem Druck, Quelle nicht gerettet zu haben, versuchte Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg, einen Investor für die Schwester Karstadt zu finden. Es wurde Nicolas Berggruen, dem er die Kaufhauskette im Juni 2010 für einen Euro überließ – ohne einen Vertrag mit klaren Investitionszusagen. Kürzlich ging Karstadt an den Österreicher René Benko. Die Zukunft der Warenhäuser bleibt ungewiss. Für seine Dienste an Quelle, Karstadt und Arcandor sollen Insolvenzverwalter Görg und sein Team mehr als 50 Millionen Euro kassiert haben.
Der Name Quelle existiert noch immer: Aus der früheren Tochter Küchen Quelle haben vier regionale Investoren ein eigenständiges und erfolgreiches Unternehmen gemacht. Unter quelle.de findet sich heute wieder ein Versandhaus – als günstiger Anbieter des ehemals größten deutschen Konkurrenten Otto.
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