Wegen Corona: Die Touristen fehlen dem Nürnberger Handel

6.12.2020, 16:19 Uhr
Leer war die Nürnberger Innenstadt am vergangenen Adventssamstag.

© Roland Fengler, NNZ Leer war die Nürnberger Innenstadt am vergangenen Adventssamstag.

Es ist eine Vorweihnachtszeit der Kontraste. Am zweiten Adventssamstag kann man die Kunden an den Wochenmarktständen auf dem Hauptmarkt zur Mittagszeit an zwei Händen abzählen. In der Fußgängerzone ist es leer, aber dennoch bildet sich vor vielen Läden eine Schlange. Denn je nach Quadratmeterzahl dürfen nur wenige Kunden gleichzeitig hinein. Bei ganz kleinen Geschäften sind das manchmal nur zwei Leute.

Tradition hat einen Vorteil

Geschäfte, die Nürnberger Spezialitäten verkaufen, kommen noch einigermaßen gut weg. Bei "Lebkuchen Witte" in der Spitalgasse kommen Kunden, oft gezielt. "Wir haben noch Glück. Gegessen wird immer, bei Bekleidung sieht es noch schlechter aus", hat Marion Körner festgestellt.

Seit 15 Jahren ist sie im Laden, normalerweise mit einer Kollegin. Doch: Weniger Kunden brauchen weniger Personal. Bis vergangene Woche das Alkoholverbot kam, sei noch etwas Leben in der Innenstadt gewesen, doch jetzt sei fast nichts mehr los.
Die Verunsicherung der Menschen habe sich noch verstärkt, seit die Beschränkungen vor etwa einer Woche noch einmal verschärft wurden – so empfinden es viele Händler. Viele haben Verständnis für die Maßnahmen, beklagen jedoch die mangelhafte Kommunikation seitens der Politik. Und es ist tatsächlich eigenartig. Die Menschen sollen eigentlich nur noch wegen "triftiger Gründe" das Haus verlassen. Auf der anderen Seite sind Weihnachtseinkäufe erlaubt, aber dabei bitte nicht bummeln.

Für die Händler, wie Ursula Motsch aus der "Spielzeugkiste", die sich auf Klassiker spezialisiert hat, geht es ums Überleben, auch wenn sie Verständnis für die Corona-Beschränkungen hat. Motsch berät inzwischen sogar am Telefon und liefert, wenn gewünscht.

Für die Händler, wie Ursula Motsch aus der "Spielzeugkiste", die sich auf Klassiker spezialisiert hat, geht es ums Überleben, auch wenn sie Verständnis für die Corona-Beschränkungen hat. Motsch berät inzwischen sogar am Telefon und liefert, wenn gewünscht. © Roland Fengler, NNZ

"Als der Lockdown im November losging, kamen wenigstens noch die Großeltern zu mir in den Laden", erzählt Ursula Motsch aus der "Spielzeugkiste". "Die sind nun so verunsichert, dass sie sich auch nicht mehr hertrauen." Motsch muss flexibel sein: Schließt sie ihren Laden am Trödelmarkt abends um 18 Uhr, setzt sie sich in ihr Auto und liefert Spielzeug aus. "Viele Kunden rufen an und fragen gezielt nach etwas. Andere berate ich auch am Telefon", sagt sie. "Das ist aber eben nicht das Gleiche wie hier im Laden – bei Spielzeug spielt auch das Berühren, die Haptik eine Rolle."

Leer war auch der Handwerkerhof am vergangenen Adventssamstag.

Leer war auch der Handwerkerhof am vergangenen Adventssamstag. © Roland Fengler, NNZ

In normalen Jahren drängten sich während des Christkindlesmarkts Kunden in dem kunterbunten Laden der Erziehungswissenschaftlerin – darunter zahllose Touristen. 2,2 Millionen auswärtige Besucher kamen 2019 zum Christkindlesmarkt, 180 Millionen Euro bringen sie allein in der Adventszeit in die Stadt. Sie fehlen überall.
Das merkt auch Gisela Asseraf-Schulz, die am Trödelmarkt in ihrem Laden "Art & Delikat" Springerle, also Eierzucker, und Model, die traditionellen Holz-Formen dafür, verkauft. Auch sie hätte eigentlich drei Stände auf dem Christkindlesmarkt gehabt.

Solidarisch in schweren Zeiten

Derzeit kommen fast nur Stammkunden in ihr Geschäft. Normalerweise gibt sie auch Kurse, in denen Kunden lernen, mit der uralten Technik wunderschönes (jahrzehntelang haltbares) Gebäck zu zaubern, das gegessen werden kann oder den Christbaum schmückt. Doch auch das war dieses Jahr unmöglich.

Weil alle gehofft hatten, dass der Christkindlesmarkt doch stattfindet, sind die Lager voll. Auch Asseraf-Schulz behilft sich mit einem Onlineshop. Dort und im Laden kann man jedes Motiv für ein Model bei ihr bestellen, wie das des St. Sebald, das sie für die Küsterin der Sebalduskirche schuf.

Leer war die Nürnberger Innenstadt am vergangenen Adventssamstag. Dennoch bildeten sich vor manchen Läden Schlangen, weil nur noch wenige Kunden gleichzeitig rein dürfen.

Leer war die Nürnberger Innenstadt am vergangenen Adventssamstag. Dennoch bildeten sich vor manchen Läden Schlangen, weil nur noch wenige Kunden gleichzeitig rein dürfen. © Roland Fengler, NNZ

Auch im Handwerkerhof ist kaum ein Kunde. "Weihnachten fällt aus!", sagt Sabine Beckert bitter. Sie verkauft hier seit 1983 ihre Töpferkunst. Ein Drittel ihres Jahresumsatzes macht sie an Weihnachten – vor allem durch Touristen. "Nur von Stammkunden kann man nicht leben." Baukeramik, also von Architekten georderte Teile, hätten sie im ersten Lockdown gerettet. Doch auch hier liegen nun alle Aufträge auf Eis.
Es fehle die Weihnachtsstimmung, flanierende Besucher, die Freude an schönen Dingen haben und – von der Atmosphäre getragen – etwas kaufen.

Ja, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie seien berechtigt, aber es werde zu wenig differenziert. "Da werden beispielsweise Gastwirte, die ein ausgefeiltes Hygienekonzept haben, mit den Idioten in einen Topf geworfen."

Für die Händler, wie Gisela Assaf-Schulz, die Model und Springerle verkauft, ist die Lage ernst. Auch ihr fehlen vor allem die Touristen. 

Für die Händler, wie Gisela Assaf-Schulz, die Model und Springerle verkauft, ist die Lage ernst. Auch ihr fehlen vor allem die Touristen.  © Roland Fengler, NNZ

Dass die Restaurants – bis auf Mitnehm-Angebote – geschlossen sind, hat den Effekt, dass die Einkaufenden sehr gezielt unterwegs sind, denn es fehlen Plätze, um mal eine Pause zu machen. Für die Eindämmung der Pandemie ist das hoffentlich von Nutzen, für die Gastronomen eine Katastrophe.

Es trifft auch die Zulieferer

Es trifft auch die, die sie beliefern. Wie Bier-Sommelière Ulrike Schäfer. Sie darf zwar in ihrem Bier-Spezialitäten-Geschäft "Ravenkraft" am Hallplatz Craftbeer in Flaschen verkaufen. Aber weil ihre wichtigen Standbeine wie Verkostungen, Kooperationen mit Restaurants und sämtliche Veranstaltungen wegbrechen, sei die Situation "existenzbedrohend".

Es fehlen vor allem Touristen. Für die Händler wie Sabine Beckert, die im Handwerkerhof seit Jahrzehnten eine Töpferei hat, ist die Lage ernst, auch wenn sie Verständnis für die Corona-Beschränkungen hat. 

Es fehlen vor allem Touristen. Für die Händler wie Sabine Beckert, die im Handwerkerhof seit Jahrzehnten eine Töpferei hat, ist die Lage ernst, auch wenn sie Verständnis für die Corona-Beschränkungen hat.  © Roland Fengler, NNZ

Dennoch hat auch sie den festen Willen durchzuhalten und schon neue Ideen im Kopf für die Zeit "danach".
Die Angst schweißt auch zusammen – und schafft Solidarität. Wie bei Charlotte Grunow, die vor einem Jahr mit ihrer Papeterie "Anemoi" von Gostenhof in den Handwerkerhof zog. Sie hat in ihrem Laden Platz geschaffen – für Künstler, die, wie sie selbst, dieses Jahr ebenfalls ihren Platz auf dem Christkindlesmarkt entbehren müssen.

Neben Grunows Papier- und Stempelkunst kann man nun auch Unikate von "Holzfreaks", Schmuck von "Goldkind" und "Schwestergeheimnis" sowie Seifen aus der "Schleicherei" kaufen. Die Kunstwerke der "Sternstunden"-Benefizaktion gibt es zudem – aber nur gegen eine Spende.
Auch einer kleinen Abordnung von Zwetschgenmännle gewährt sie Obdach – passend zu Corona tragen sie selbstverständlich eine Maske.

Tipps zum lokalen Einkaufen in Nürnberg

Viele Nürnberger Einzelhändler haben sich Konzepte überlegt, um die Corona-Krise zu überstehen. Einige – nicht nur Gastronomen – liefern sogar. Zahlreiche Läden haben einen Online-Shop, sind in sozialen Medien zu finden oder beraten per Telefon oder WhatsApp.

Für die Händler, wie Charlotte Grunow von der Papeterie "Anemoi", geht es ums Überleben, auch wenn sie Verständnis für die Corona-Beschränkungen haben. 

Für die Händler, wie Charlotte Grunow von der Papeterie "Anemoi", geht es ums Überleben, auch wenn sie Verständnis für die Corona-Beschränkungen haben.  © Roland Fengler, NNZ

Auf der Internetseite www.regionaladventskalender.de stellt sich hinter jedem Türchen ein Laden vor, auch hier findet man Geschenkideen. Unter www.christkindlesmarkt.de gibt es Adressen und Links zu Händlern, die auf dem Christkindlesmarkt vertreten gewesen wären.
Auf der Internetseite des Amts für Internationale Beziehungen unter www.nuernberg.de/internet/international gibt es einen Budenplan des Markts der Partnerstädte mit Links zu den jeweiligen Online-Shops und Partnerschaftsvereinen. Produkte aus den Partnerstädten sind im Laden in der Spitalgasse 1 erhältlich.